Die Fünf-Milliarden-Euro-Frage Zündet die TSMC-Fabrik in Dresden den Job-Turbo?


Halbleiter-Hotspot Sachsen: In Dresden wird der erste Spatenstich für eine Chipfabrik des taiwanischen Herstellers TSMC gesetzt. Die Erwartungen sind hoch: Die Fabrik soll der Region Tausende Jobs bringen. Doch nicht alle sind von den Plänen überzeugt.
Knapp ein Jahr, nachdem der weltweit größte Chiphersteller TSMC aus Taiwan angekündigt hat, eine Fabrik in Europa zu bauen, wird heute in Dresden der erste Spatenstich gesetzt. Zu der Zeremonie werden Bundeskanzler Olaf Scholz, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer erwartet, auch TSMC-Vorstand C.C. Wei hat sich angekündigt.
Während sich Deutschland von der Ansiedlung erhofft, die heimische Halbleiterproduktion zu stärken, erwartet Sachsen, dass mit dem Bau der Fabrik auch Tausende Stellen geschaffen werden. Der Chef des Branchenverbands Silicon Saxony, Frank Bösenberg, sagte dem "Handelsblatt", allein durch den Bau der TSMC-Fabrik entstünden in den nächsten Jahren 6000 neue Jobs. "Auf jede Stelle bei einem Chiphersteller kommen drei Arbeitsplätze bei Lieferanten und Dienstleistern", sagte der Manager der Zeitung.
Und nicht nur TSMC lässt sich in Sachsen nieder. Auch andere Halbleiterfirmen planen Fabriken in der Region. Intel will sich in Magdeburg in Sachsen-Anhalt ansiedeln, Infineon zieht es ebenfalls nach Dresden. Der Verband Silicon Saxony geht deswegen davon aus, dass sich die eigene Prognose "womöglich als zu konservativ" erweisen könnte. Bislang wird laut "Handelsblatt" mit rund 100.000 Stellen bis zum Jahr 2030 in der Mikroelektronik sowie der Softwareindustrie in der Region gerechnet.
Wie auch andere Chiphersteller profitiert TSMC vom Boom rund um Künstliche Intelligenz (KI). Da KI-Anwendungen viel Rechenleistung erfordern, sind leistungsstarke Chips gefragt. Aktuell investieren Chipkonzerne viel Geld in den USA und Europa, um die Abhängigkeit von Importen aus Asien zu verringern. Allerdings dauert ein umfassender Kapazitätsaufbau Jahre. Laut einer Mitteilung von TSMC aus dem August 2023 wird der Produktionsstart in Dresden für 2027 angestrebt.
Wahl des Standorts kommt nicht von ungefähr
Die Wahl des Standorts kommt indes nicht von ungefähr: Inzwischen stammt jeder zweite bis dritte europäische Halbleiter aus Sachsen. Mit zahlreichen Forschungseinrichtungen und Zulieferern hat sich ein weltweit beachtetes Chip-Ökosystem entwickelt, das auch auf der jahrzehntelangen Erfahrung in Dresden mit der Halbleiterproduktion gründet. Schon 1961, zu DDR-Zeiten, wurde hier eine erste Halbleiterfabrik errichtet.
Es darf aber auch nicht vergessen werden: Die Bundesregierung subventioniert den Bau der Fabrik mit fünf Milliarden Euro. "Die Subventionen, zu denen Europa jetzt greift, gleichen in gewissem Maße die Standortnachteile aus", sagt der Halbleiter-Experte der Beratungsgesellschaft Capgemini, Peter Fintl, ntv.de. Um mit Asien mitzuhalten, müssen entweder langfristig bessere Rahmenbedingungen geschaffen oder eben die entsprechenden Nachteile direkt mit Subventionen kompensiert werden.
Seiner Einschätzung zufolge ist die Investition gut angelegt. Oftmals werde darüber diskutiert, warum man einerseits so viel Geld für diese Technologie ausgibt und andererseits europäische Firmen nicht davon profitieren. "Wichtig zu verstehen ist aber: Die Halbleiterindustrie beschäftigt nicht nur die Menschen in den Fabriken. Sie beschäftigt vielmehr ein ganzes Ökosystem drumherum", sagt Fintl.
Infineon und Intel streichen Stellen
Der Präsident des Leibniz-Instituts für Wirtschaftsforschung Halle, Reint Gropp, kann den Subventionen hingegen wenig abgewinnen. Ganz im Gegenteil: "Wir werfen das Geld zum Fenster raus", sagte er in Bezug auf die staatliche Unterstützung für Intel und Infineon der "Süddeutschen Zeitung". Für ihn ist es unverständlich, wieso die Bundesregierung profitablen Unternehmen noch Geld gebe. Es dürften keine Geschenke verteilt werden.
Ähnlich sieht das auch der Chef des US-Chipherstellers Globalfoundries. "Es kann nicht sein, dass der Branchenführer Subventionen bekommt für eine Fabrik und die anderen erhalten nichts", sagte Thomas Caulfield dem "Handelsblatt". Damit werde die Wettbewerbsgrundlage "verzerrt". Das US-Unternehmen ist seit Jahren in Dresden präsent. Maßgeblich dank Globalfoundries sei die Region zu einem attraktiven Halbleiterstandort geworden, sagte dessen Chef. Auch TSMC profitiere nun vom Umfeld aus Forschung und Zulieferern, das sein Unternehmen mit aufgebaut habe.
Ob die Chipfabriken in Sachsen tatsächlich zum Jobmotor werden, ist dabei noch gar nicht ausgemacht. Infineon und Intel haben in den vergangenen Monaten weltweit Stellenstreichungen angekündigt. Bei Intel sollen 15.000 Jobs wegfallen und Infineon streicht 1400 Stellen und verlagert weitere 1400 Jobs in Länder, in denen die gleiche Arbeit für weniger Geld erledigt wird.
Quelle: ntv.de, mit AFP