Rückzug mehrerer Anbieter Konkurrenten überlassen Deutscher Bahn den Nahverkehr
13.02.2024, 07:41 Uhr Artikel anhören
Metronom verband unter anderem die Städte Bremen, Hamburg und Hannover miteinander.
(Foto: picture alliance / dpa)
Konkurrenz belebt das Geschäft - diese Logik zeigt sich lange gerade im Nahverkehr. Nun könnte es aber anders kommen. Immer mehr Bahn-Alternativen ziehen sich zurück, sie sind oft den steigenden Kosten nicht gewachsen. Am Ende profitiert nur einer davon, und das sind nicht die Bahnkunden.
Vor 30 Jahren wird der Bahnverkehr in Deutschland reformiert. Heute wird fast jeder zweite Regionalzug von einem Konkurrenzunternehmen der Deutschen Bahn gefahren. Die einstige Monopolstellung ist zumindest zeitweise in Frage gestellt. Die Konkurrenz heißt Metronom, Transdev oder Go Ahead. Daber handelt es sich oft um Töchter ausländischer Zuggesellschaften. Die Konkurrenz belebte das Geschäft.
Doch die Erfolge der DB-Konkurrenten scheinen vorerst beendet, berichtet das "Handesblatt". Das zeigte etwa Ende Januar die Eisenbahngesellschaft Metronom. Sie betreibt den zwischen Hamburg, Bremen und Hannover pendelnden Regionalzug und ist mehrheitlich im Besitz der italienischen Staatsbahntochter Netinera. Man will den eigentlich bis Ende 2033 laufenden Verkehrsvertrag schon 2026 vorzeitig beenden, heißt es in einer Pressemitteilung des niedersächsischen Wirtschaftsministeriums. Dazu laufen nun Verhandlungen.
Stark gestiegene Kosten hätten den Betrieb unrentabel gemacht, heißt es in einer Mitteilung. Das Unternehmen wolle die Verluste begrenzen. Vor allem Energie- und Personalkosten werden als Gründe angeführt. Experten gehen davon aus, dass andere Firmen aus der Branche folgen werden.
"Bei uns geht es derzeit vor allem um Troubleshooting", berichtet etwa Matthias Stoffregen, Geschäftsführer bei Mofair, dem Interessenverband der DB-Wettbewerber dem "Handelsblatt". "Viele Eisenbahnunternehmen sorgen sich darum, wie sie ihre laufenden Verträge finanziell noch erfüllen können." Das heißt: Das Geschäft der DB-Konkurrenten gerät zunehmend ins Wanken.
Kosten sanken, Qualität nahm zu
Mit dem Rückzug weiterer Konkurrenten könnte die Deutsche Bahn ihre marktbeherrschende Stellung nun allerdings wieder bekräftigen. Dabei senkte der 1994 erlaubte Wettbewerb auf der Schiene nicht nur die Kosten, auch die Qualität verbesserte sich, schreibt das "Handelsblatt".
"Unternehmen wie Metronom sind bei den Reisenden beliebt und haben bislang gute Arbeit abgeliefert", bestätigt Detlef Neuß vom Fahrgastverband Pro Bahn dem "Handelsblatt". Der Wettbewerb habe bewirkt, dass die Nahverkehrszüge sauberer wurden, berichtet er. Der Betrieb vieler Newcomer sei zudem besser organisiert als bei der DB Regio. "Wettbewerb belebt das Geschäft. Ein Zurück würden wir bedauern."
Aber die Kosten sind immens gestiegen. Nur wenige Betreiber hätten das zuvor in ihren Ausschreibungsbewerbungen einkalkuliert. Insbesondere die hohen Tarifabschlüsse der letzten Zeit bereiten Sorge. Die Schienenunternehmen haben in ihren langjährigen Verkehrsverträgen zwar Preisanpassungen ausgehandelt, die sehen bei den Personalkosten allerdings oft nur eine jährliche Steigerung von weniger als drei Prozent vor. Gleichzeitig aber konnte ihnen die Eisenbahnergewerkschaft EVG im Sommer 2023 eine Lohnsteigerung von mehr als 10 Prozent abringen, in den derzeitigen Auseinandersetzungen mit der Lokführergewerkschaft GDL könnten sogar Zuschläge von 13 Prozent möglich werden.
Energiepreise drücken Gewinne
Hinzu kommen die stark gestiegenen Energiepreise, die die Gewinne weiter schrumpfen lassen. Zahlreiche Verspätungen durch Bahnbaustellen, eingefrorene Weichen oder defekte Bahnübergänge sowie Stillstand durch Bahnstreiks kosten weiteres Geld. Vom Umsatz blieben vielen Unternehmen, wie Mofair ermittelte, schon in den vergangenen Jahren gerade einmal zwei bis vier Prozent an Gewinn übrig.
Auch die staatseigene DB Regio ist vom massiven Kostenanstieg betroffen. Im ersten Halbjahr 2023 verbuchte die Bahn-Tochter bereinigt einen Betriebsverlust von 38 Millionen Euro, im Jahr zuvor summierten sich die Verluste vor Zinsen und Steuern sogar auf 104 Millionen. Solche Engpässe kann der Marktführer als Teil des umfangreichen DB-Konzerns länger durchhalten als die Wettbewerber. Für die über 30 Milliarden Euro Schulden, die sich inzwischen im Berliner Bahntower angehäuft haben, steht am Ende der Steuerzahler gerade. Dies erlaube offenbar Sonderangebote, mit denen der Staatskonzern versucht, verloren gegangene Verkehrsverträge zurückzuholen, sobald es Neuausschreibungen gibt. Gegründet hat er dazu die Start Deutschland GmbH.
Start Deutschland gewann bereits in Nordrhein-Westfalen den Maas-Wupper-Express von der französischen SNCF-Tochter Keolis zurück, ersetzte die Hessische Landesbahn (HLB) auf dem Taunusnetz rund um Frankfurt und verdrängte die Nordwestbahn zwischen Bremen, Hannover und Bünde sowie Erixx im Harz. Ab Dezember 2024 ist Start Deutschland zudem Betreiber des Dieselnetzes Sachsen-Anhalt mit Halten unter anderem in Magdeburg, Wolfsburg, Halle, Erfurt und Goslar, berichtet das "Handelsblatt". Den bisherigen Vertrag mit Abellio hatte die Nahverkehrsgesellschaft des Landes Sachsen-Anhalt (Nasa) vorzeitig beendet.
DB gewinnt 6,5 Millionen Streckenkilometer hinzu
Der Erfolg der Rückholaktionen von Strecken lässt sich im DB-Halbjahresbericht 2023 nachlesen. Zwischen Jahresbeginn 2022 und Sommer 2023 wurden bei Neuausschreibungen 18 Millionen Transportkilometer hinzugewonnen, aber nur 11,5 Millionen abgegeben. Der Marktanteil des Staatsunternehmens im Regionalverkehr erhöhte sich damit erstmals wieder, und zwar beträchtlich.
Start Deutschland als hundertprozentige Tochtergesellschaft der DB Regio AG kümmert sich eigenen Angaben zufolge zwar selbstständig um Betrieb, Fahrzeuge, Instandhaltung, IT, Marketing oder Personal. Dienstleistungen wie Sicherheit oder Reinigung kauft Start aber teilweise im DB-Konzern ein. "Dazu werden entsprechende Verträge sowohl für externe als auch für interne Leistungen abgeschlossen und vergütet", berichtet eine Sprecherin.
Bei Altverträgen profitierte DB Regio zudem von Engpässen bei der Lieferung von Zügen an Konkurrenzunternehmen. Die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen etwa hatte 34 Züge bei Alstom bestellt, um sich für den Betrieb des sogenannten "Expresskreuzes Bremen/Niedersachsen" zu bewerben. Die Züge wurden aber nicht pünktlich geliefert. So bewarb sich in der Ausschreibung letztlich nur ein Bieter: die DB Regio. Sie wird die Strecke auch künftig betreiben.
Beim bisherigen Auftraggeber von Metronom, der Niedersächsischen Landesnahverkehrsgesellschaft (LNVG), findet die Sorge um den Wettbewerb inzwischen Gehör. Zur geplanten Neuausschreibung lobte Niedersachsens Verkehrsminister Olaf Lies den scheidenden Zugbetreiber und teilte in einer Pressemeldung Anfang Februar mit: "Auch die Metronom-Gesellschaft könnte sich wieder bewerben."
Quelle: ntv.de, als