Umwelt- und klimafreundlich Fleisch-Reis könnte neue Proteinquelle sein
18.06.2024, 10:11 Uhr Artikel anhören
Der Fleisch-Reis, den die Forscher im Labor herstellten, ist Rosa gefärbt.
Reis gehört zu den wichtigsten Hauptnahrungsmitteln auf der Welt. Außerdem eignen sich die Körner, um in ihnen Fleischzellen wachsen zu lassen. Das ist zumindest einem Forschungsteam im Labor gelungen. Der Fleisch-Reis könnte in Zukunft ein Notnahrungsmittel oder Astronautennahrung sein.
In einem kleinen Labor in Seoul injiziert ein Team südkoreanischer Wissenschaftler im Labor gezüchtete Rinderzellen in einzelne Reiskörner. Die Fleischzellen wachsen dann weiter, das Produkt am Ende - eine Art "Fleisch-Reis" - soll künftig eine tier-, umwelt- und klimafreundliche Proteinquelle sein. Hong Jin Kee und sein Team von der Yonsei Universität in Seoul wollen die Ernährung revolutionieren.
Mithilfe von Laborfleisch "können wir tierisches Eiweiß gewinnen, ohne Tiere zu schlachten", sagt Hong. Der rosafarbene "Fleisch-Reis" könne etwa bei Hungersnöten eine wichtige Proteinquelle darstellen. Auch als Astronautennahrung sei er denkbar.
Die Fleischindustrie steht regelmäßig in der Kritik, zum einen aus ethischer Sicht wegen des Leidens der Tiere, zum anderen wegen der schlechten Klimabilanz der treibhausgasintensiven Tierhaltung. Unternehmen und Forscher weltweit arbeiten deshalb seit Jahren an der Entwicklung von Ersatzprodukten.
Reis eignet sich wegen seiner Struktur
Die Südkoreaner entschieden sich für Reis als Basis für ihren Fleischersatz - vor allem, weil das Getreide bereits die wichtigste Proteinquelle für Menschen in Asien ist. Außerdem habe Reis eine "leicht poröse Struktur", sagt Hong. Wenn Fleischzellen - im vorliegenden Fall Rinderzellen - in den Reis injiziert werden, biete das Korn "eine ideale Struktur für ein gleichmäßiges Wachstum der Zellen von innen nach außen".
Der so entstehende Fleisch-Reis unterscheidet sich von normalem Reis optisch nur durch seine Rosa-Färbung. Außerdem riecht er leicht buttrig. Bei den Nährwerten weist er den Forschern zufolge einen acht Prozent höheren Protein- und einen sieben Prozent höheren Fettgehalt auf.
Das Herstellungsverfahren ist bislang allerdings sehr aufwendig. Die Reiskörner werden mit Fischgelatine beschichtet, um die Haftung zu verbessern, und dann einzeln mit Rinderzellen injiziert. In einer Petrischale wachsen dann elf Tage lang die Fleischzellen im Reis heran.
Fleisch-Reis als Notnahrungsmittel
Hong und sein Team arbeiten noch daran, den Herstellungsprozess zu vereinfachen. Er hoffe aber, dass der Fleisch-Reis schon bald eine Zulassung als Notnahrungsmittel in Hungergebieten erhält, sagt der Forscher. "Für diejenigen, die nur eine Mahlzeit am Tag zu sich nehmen können, ist eine leichte Erhöhung des Proteingehalts, selbst um nur ein paar Prozent, unglaublich wichtig."
Die Klimabilanz des Fleisch-Reises fällt deutlich besser aus, weil keine Tiere mehr aufgezogen und gehalten werden müssen. Hong schätzt den Treibhausgasausstoß auf 6,27 Kilogramm CO2 pro 100 Gramm Eiweiß - das sei acht Mal weniger als bei Produktion von Rindfleisch.
Laborfleisch muss sich erst noch beweisen
Im Labor hergestelltes Fleisch "wird seit langem als Klimalösung im Vergleich zur traditionellen Viehzucht dargestellt", sagt Neil Stephens, Dozent für Technologie und Gesellschaft an der Universität Birmingham. Bisher falle es aber noch schwer, "in großem Maßstab und billig zu produzieren, mit geringem Energiebedarf und umweltfreundlichen Zutaten". Der Fleisch-Reis habe hier als Hybridprodukt möglicherweise Vorteile.
"Dennoch muss es seine Umweltfreundlichkeit in großem Maßstab unter Beweis stellen", sagt Stephens weiter. "Und die Menschen müssen überzeugt sein, den Reis zu essen. Beides könnte eine Herausforderung sein."
Viele Experten räumen Laborfleisch jedenfalls großes Potenzial ein. Die Beratungsfirma AT Kearney etwa rechnete bereits vor fünf Jahren damit, dass bis 2040 nur noch 40 Prozent des Fleischkonsums von konventioneller Fleischproduktion abgedeckt wird. Auch Milch, Eiklar, Gelatine und Fisch könnten künstlich hergestellt werden.
Quelle: ntv.de, Claire Lee, AFP