Es geht ums Öl Warum Orcas Weißen Haien die Leber herauspressen


Der Kadaver eines von Orcas getöteten Weißen Hais in Bridgewater Bay, Victoria, Australien.
(Foto: Ben Johnson, Portland Bait and Tackle/Flinders University)
Weltweit werden Orcas beobachtet, die Weiße Haie jagen, ihnen die Leber herausreißen und fressen. Forscher können dieses Verhalten erklären und machen sich Sorgen, wie es sich auf Ökosysteme auswirken könnte.
1997 wurden zum ersten Mal vor der kalifornischen Küste bei San Francisco Orcas dokumentiert, die einen Weißen Hai angriffen und töteten. Seitdem wurden weltweit ähnliche Beobachtungen gemacht. Erst kürzlich bewiesen DNA-Spuren an einem im australischen Bundesstaat Victoria angespülten Weißen Hai, dass er Beute eines Orca geworden war.
Der Vorfall wurde gefilmt und laut dem Sender ABC handelt es sich um den ersten bekannten Fall, bei dem ein einzelner, auch Schwertwal genannter Orca der Sieger einer solchen Begegnung war. Dementsprechend ist er wohl das gefährlichste Raubtier der Meere und nicht der Weiße Hai, der oft so bezeichnet wird.
"Es ist, als würde man Zahnpasta auspressen"
Wissenschaftler der Flinders University gingen dem Fall nach und bestätigen jetzt einen schon länger gehegten Verdacht, warum Orcas hinter Weißen Haien her sind. Ihre in "Ecology and Evolution" veröffentlichte Studie ergab, dass von vier Bisswunden drei dem Hai nach seinem Tod von aasfressenden Breitnasen-Siebenkiemerhaien zugefügt worden waren. Die Orca-DNA wurde nur an einem Biss festgestellt, mit dem offenbar gezielt die Leber des Hais herausgerissen wurde.
Ebenso erging es fast allen Weißen Haien, die bisher als Orca-Opfer identifiziert wurden. Einem Bericht von "The Atlantic" nach beißen die Schwertwale ihr Opfer in der Nähe der Brustflosse und pressen die Leber dann durch die Wunde heraus. "Es ist, als würde man Zahnpasta auspressen", zitiert das Magazin den Wissenschaftler Salvadore Jorgensen vom Monterey Bay Aquarium. Er stellte fest, dass Weiße Haie eine panische Angst vor den Orcas haben und aus ihren Jagdrevieren fliehen, wenn die sogenannten Killerwale auftauchen.
Jorgensen wollte wissen, wieso das so ist. Der Fund von fünf toten Haien an einem südafrikanischen Strand, vor dem zuvor Orcas gesichtet worden waren, lieferte ihm die Antwort. Denn ihnen allen fehlte wie dem 1997 in Kalifornien von Schwertwalen getöteten Weißen Hai die Leber. "Sie ist eine der reichhaltigsten Kalorienquellen, die man im Meer finden kann", erklärte Jorgensen. "Die Orcas kennen ihr Geschäft und wissen, wo dieses Organ liegt."
Große Leber mit viel Öl
"Haie haben große Lebern mit viel Öl, das ihnen hilft, den Auftrieb aufrechtzuerhalten, da sie im Gegensatz zu den meisten Fischen keine Schwimmblase haben", erklärte Meeresforscher Andrew Trites dem Magazin "Newsweek". "Die Leber macht fünf bis zehn Prozent des Gewichts eines Hais aus, was im Vergleich zu Menschen und anderen Tieren extrem viel ist."
Für die Orcas bedeutet das, dass sie mit einem Happen viele Kalorien und Vitamine zu sich nehmen können. Ein Problem bei der Jagd stelle für die Schwertwale vor allem die Haut der Haie dar, die wie Sandpapier sei, so Trites. Dadurch würden die Zähne der Orcas abgenutzt.
Auch wenn viele Menschen Weiße Haie gruselig finden, sind sie ein wichtiger Teil des Ökosystems. Wie andere Raubtiere stellen sie Regulatoren dar, die Überpopulationen anderer Arten verhindern. Fehlen die Jäger, kann das schwerwiegende Folgen haben.
Probleme fürs Ökosystem
"Wenn Weiße Haie auf Orcas treffen, verlassen sie sofort ihr bevorzugtes Jagdrevier und kehren bis zu einem Jahr lang nicht zurück, auch wenn die Orcas nur auf der Durchreise sind", zitiert Phys.Org Salvadore Jorgensen. Die Erkenntnisse legten nahe, dass die Vertreibung oder direkte Tötung der Weißen Haie infolge der Schwertwaljagd in Südafrika zu kaskadierenden Veränderungen im weiteren marinen Ökosystem geführt habe, sagt Adam Miller. Er ist Co-Autor der Studie der Flinders University.
"Gleichgewicht ist in marinen Ökosystemen von entscheidender Bedeutung", erklärte Alison Towner "Newsweek". Sie ist die leitende Biologin für Weiße Haie an der südafrikanischen Marine Dynamics Academy und ebenfalls Mitautorin von "Ecology and Evolution". Für die Küste ihres Landes könne ein Fehlen der Weißen Haie beispielsweise bedeuten, dass die dort heimischen Kap-Pelzrobben nicht mehr reguliert werden, so die Wissenschaftlerin. Diese könnten dann die vom Aussterben bedrohten afrikanischen Pinguine jagen oder ihnen die kleinen Hochseefische wegessen, von denen sich die Vögel ernähren.
Lauren Mayer, eine weitere Autorin der Studie der Flinders University weist noch auf einen anderen Faktor hin: Ihre Forschung liefere auch Beweise dafür, dass Aasfresser von den Orca-Angriffen auf Weiße Haie profitierten. Die Schwertwale verzehrten lediglich die Leber und andere innere Organe, ein Großteil des Kadavers bleibe als Nahrungsquelle im Ökosystem.
Man kenne bisher nicht den Grund für das Verhalten der Orcas, sagte Alison Towner der BBC. Doch es werde immer offensichtlicher, dass "menschliche Aktivitäten wie der Klimawandel und die industrielle Fischerei einen erheblichen Druck auf unsere Ozeane ausüben". Und auch wenn es auf den ersten Blick nicht so aussieht, könnten die nahrhaften Leber-Happen auch zum Problem für die Orcas werden, etwa durch die Aufnahme von darin angereicherten Giftstoffen und Metallen, so Towner.
Quelle: ntv.de