"Isle of Man TT - Hart am Limit" Das gefährlichste Rennen der Welt
29.04.2012, 06:14 Uhr
Für Normalsterbliche sind die Piloten auf der "Tourist Trophy" Wahnsinnige. Die Fans feiern sie als Helden der Straße.
In der Regel sind Straßenrennen verboten. Gerade deshalb gelten sie bei Fans und Fahrern als die Königsklasse des Rennsports. Gekrönt wird nur, wer einmal die "Tourist Trophy" gewonnen hat. Der Weg zur Inthronisation ist gepflastert mit Knochenbrüchen und hat häufig ein tödliches Ende. Ein Weg, der in der Dokumentation "Isle of Man" eindrücklich nachgezeichnet wird.
Die Island of Man liegt als beschauliches Archipel in der irischen See. Wirklich viel los ist dort normalerweise nicht. Doch einmal im Jahr wird die Insel seit 1907 für zwei Wochen zum Hexenkessel. Sie ist Austragungsort für das gefährlichste Motorrad-Straßenrennen der Welt. Wahnsinnige Biker schwängern mit ihren röhrenden Motorrädern bei der "Tourist Trophy" die Luft mit Benzin und verbreiten den Hauch des Todes, wenn sie sich mit bis zu 209 km/h in die Kurven legen. Tausende Schaulustige reisen an, um zusehen, wie die Fahrer sich und ihre Maschinen auf dem 61 Kilometer langen Rundkurs bis ans Limit treiben.
Zum Vergleich: Bei einem Motorrad-Grand-Prix auf einer ausgebauten Strecke werden im Schnitt Geschwindigkeiten von 160 km/h gefahren. "Wenn man auf dieser Strecke die Ideallinie nur um zehn Zentimeter verfehlt, kann das der Weg ins Jenseits sein", sagte Rennfahrlegende Siegfried Schauzu einst über den Kurs. Bis zum Jahr 2009 kamen insgesamt 231 Teilnehmer ums Leben. Doch was bewegt Rennfahrer und Fans an diesem mörderischen Spektakel teilzunehmen. Diese Frage versucht die Dokumentation "Isle of Man – TT- Hart am Limit" zu beantworten.
Nur wer die TT gewinnt ist eine echter Rennfahrer
Dazu tauchen die Filmer tief in den Alltag und in die Psyche der Rennfahrer ein. So wird der damals 28-jährige Guy Martin zum Dreh- und Angelpunkt des Films. Der Mechaniker ist leidenschaftlicher Motorradfahrer, der bereits im zarten Alter von vier Jahren durch seinen Vater und die Ikone des Motorsports, Evel Knievel, mit dem Zweiradvirus infiziert wurde. "Während ich 14 Spielzeug-LKW übersprang, sprang Evel Knievel über 14 echte", meint Martin. Doch einige Jahre später liegt die Herausforderung nicht mehr in sensationellen Sprüngen, sondern in der Geschwindigkeit. "Du bist kein echter Rennfahrer, wenn Du nicht mindestens einmal die 'Tourist Trophy' gewonnen hast."
Die Kamera begleitet Guy Martin von den Vorbereitungen auf das Rennen bis zum Ende. Sie zeichnet das Bild eines Exzentrikers, der nichts dem Zufall überlassen möchte, der sein Leben nur einem Ziel widmet: dem Sieg der TT.
Fünf Tote pro Meile
Wenn die Rennbilder gezeigt werden bekommt der Zuschauer einen Eindruck vom Tempo und vom Wahnsinn der TT. Jetzt begreift man aber auch die Leidenschaft und den Kick, den die Fahrer gerade auf diesem Kurs erleben. Einen Kurs, auf dem es rein rechnerisch fünf Tote pro Meile gibt. "Als Rennfahrer bist du ein Meister des Verdrängens", so Martin.
Aber nicht nur die Fahrer verdrängen. Auch deren Familien sind Meister darin. Im Jahr 2010 stirbt Rennfahrer Paul Dobbs auf dem Kurs und hinterlässt eine Frau und zwei Kinder. Doch die Dobbs fahren weiter zu den Rennen. Sie halten die Erinnerung wach.
Es scheint, als würde nirgendwo so mit dem Tod gepokert wie bei der TT. Das gilt für die Rennfahrer ebenso wie für die Verwandten und Zuschauer. Der Tod wird hier als etwas Unausweichliches und in seiner Konsequenz als etwas Bewundernswertes und Glückbringendes angesehen. Wenn am Ende der Dokumentation das Unvermeidbare passiert ist – und das ist nicht gestellt, inszeniert und erfunden – und sich alle Protagonisten auf der Rennstrecke zerlegen, wird die Macht, die dieses Rennen ausübt, deutlich. Nachdem das Motorrad von Guy Martin bei über 200 km/h explodiert und lange nicht klar ist, ob er überlebt, sagt ein Rennkollege: "Sollte das Schlimmste passiert sein, stirbt Guy als glücklicher Mann."
"Ich bin für das Rennen bestimmt"
Und genau das ist die Maxime. Ian Hutchinson gewinnt alle fünf Rennklassen der TT. Bei einem anderen Rennen stürzt er und wird überfahren. Sein Bein bricht vier Mal und die Ärzte überlegen es zu amputieren. Hutchinson will alles daran setzen, das Bein zu behalten und wieder Rennen zu fahren. Auch Guy Martin überlebt den Sturz bei der TT. Das Ergebnis: Vier gebrochene Rippen und zwei angebrochene Rückenwirbel. Sein Kommentar im Krankenbett: "Ich würde es wieder so machen. Ich bin für das Rennen bestimmt."
Den 1986 geborenen Conor Cummins erwischt es noch härter. Nach dem Sturz bei der TT ist sein Rücken an vier Stellen gebrochen, der Arm ist viermal gebrochen, das Knie ausgeschlagen, Schambein und Schulterblatt zertrümmert. Doch selbst angesichts dieser Blessuren will Cummins weiter machen. "Ich bin 24 Jahre alt und weiß, dass ich verdammtes Glück hatte. Aber meine Leidenschaft fürs Motorradfahren ist ungebrochen. Ich habe Ziele, die ich erreichen will und deshalb fahre ich bei der nächsten Gelegenheit weiter."
Leider krankt die Dokumentation daran, dass die Monologe zur Einführung des Protagonisten gestellt wirken. Das macht es über eine lange Zeit schwer, sich den Figuren zu nähern. Sie bleiben abstrakt, unnahbar und wirken ein bisschen bekloppt. Das ist schade, denn der Film lebt von den Emotionen, die die Identifikation mit dem Hauptdarsteller und den ihn umgebenden Figuren beim Zuschauer auslösen.
Letztlich kann der Film einem Normalsterblichen nicht erklären, warum Menschen bereit sind sich dieser Gefahr auszusetzen. Dennoch bietet er einen faszinierenden Einblick in eine Welt außerhalb reglementierter Rennen. In eine Welt von Motorrad-Desperados, denen es am absoluten Limit darum geht, sich und die Strecke zu bezwingen. Wenn dann noch der Weg aufs Treppchen folgt, ist ihre Welt in Ordnung. Zumindest bis zum nächsten Rennen.
Quelle: ntv.de