Apple setzt Galaxy-Tab-Verbot durch Ein fragwürdiges Urteil
09.09.2011, 13:46 UhrNatürlich gibt es eine große Ähnlichkeit des Galaxy Tab 10.1 mit dem iPad 2 und selbstverständlich hat Samsung Apples Tablet als Vorbild genommen. Aber das Urteil im Düsseldorfer Geschmacksmuster-Prozess ist doch recht kurios und man muss sich fragen, ob die Richterin nicht etwas zu blauäugig Apples Argumenten gefolgt ist.
Gut, ich bin kein Jurist und kann das Urteil im Geschmacksmusterstreit zwischen Apple und Samsung nur mit den Augen eines Laien betrachten. Aber wenn ich mir Apples Geschmacksmuster aus dem Jahr 2004 ansehe und die Klageschift durchlese, kann ich die Entscheidung der Düsseldorfer Richterin nicht wirklich nachvollziehen. Samsung habe mit dem Galaxy Tab 10.1 nicht den nötigen Abstand zum Apple-Muster gehalten, begründet sie ihre Entscheidung, die Einstweilige Verfügung gegen das koreanische Tablet aufrechtzuerhalten. Wichtig: Um einen direkten Vergleich mit dem iPad 2 ging es nicht, nur um das Geschmacksmuster.

Per Bildbearbeitung hat Apple das Seitenverhältnis des Galaxy Tab so angepassst, dass es dem iPad ähnlicher ist.
Tablet-Rechner sind Computer, die nur aus einem Bildschirm bestehen und die über die berührungsempfindliche Oberfläche des Displays gesteuert werden. Natürlich hat Apple mit dem iPad als erstes Unternehmen einen Tablet-Rechner herausgebracht, der wirklich etwas taugte. Selbstverständlich gab es vor dem Apple-Gerät nicht wirklich Computer dieser Art, die sich so intuitiv mit den Fingern bedienen ließen, und zweifellos ist das Design des iPad großartig.
Früher war das Muster uninteressant
Dass die Konkurrenz Apple den Erfolg neidet und versucht, mit eigenen Produkten ein Stück des großen Tablet-Kuchens abzubekommen, ist mehr als verständlich. Erste Versuche gab es schon recht früh, aber sie scheiterten alle mehr oder weniger kläglich. Dies lag vor allem an mieser Hardware und Betriebssystemen, die nicht für Tablet-Computer taugten. Optisch entsprachen diese Geräte aber bereits Apples europäischem Geschmacksmuster, dessen Strichzeichnungen nicht viel mehr als einen flachen Bildschirm zeigen.
In der Klageschrift beschreibt Apple die "unterscheidungskräftigen Elemente des iPad 2" so:
- ein rechteckiges Produkt mit vier gleichmäßig gerundeten Ecken;
- eine flache, klare Oberfläche, welche die Vorderseite des Produkts abdeckt;
- die Ansicht einer metallischen Einfassung um die flache, klare Oberfläche;
- ein Display, welches unter der klaren Oberfläche zentriert ist;
- unter der klaren Oberfläche befinden sich deutliche, neutrale Begrenzungen auf allen Seiten des Displays und
- wenn das Produkt eingeschaltet ist, farbige Icons innerhalb des Displays.
Jetzt mag die Richterin bei Toshiba und Asus Geräte ausgemacht haben, die jenem Muster nicht zu nahe sind. Wer auf der diesjährigen IFA unterwegs war, konnte aber reihenweise Tablets entdecken, die dem Muster sehr nahe sind. Und in Berlin stellte Toshiba auch sein neues AT200 vor: ein Tablet, das zu 100 Prozent die "unterscheidungskräftigen Elemente des iPad2" zeigt.
Es ist offensichtlich, dass Apple vor dem neuen Samsung-Tablet keinen Konkurrenten ernstnahm. Auch das erste Galaxy Tab und das erste Modell des Galaxy Tab 10.1 blieben in Sachen Geschmacksmuster von Apples Anwälten verschont. Erst nachdem Samsung sein Tablet-Flaggschiff einer Schlankheitskur unterzogen hatte und es absehbar war, dass es wie das Smartphone Galaxy S2 ein großer Verkaufserfolg würde, schlugen Apples Juristen zu.
Hat Apple tatsächlich gewonnen?
Formaljuristisch mag ja alles seine Richtigkeit haben, aber es bleibt ein Geschmäckle. Vor allem, was die sogenannte Dringlichkeit betrifft. Konnte Apple tatsächlich erst nach einem "Chip"-Artikel vom 18. Juli wissen, wie das Galaxy Tab 10.1 aussieht? Samsung hat es bereits im März vorgestellt und seitdem war es in zahlreichen Publikationen zu sehen. Hätte das Gericht nicht den recht willkürlich erscheinenden "Chip"-Termin akzeptiert, wäre Apples Antrag auf eine Einstweilige Verfügung zu spät gekommen und hätte abgelehnt werden müssen.
Aber hat Apple tatsächlich gewonnen? Selbst eingefleischte Fans finden, dass das Unternehmen mit seiner Klagewut übers Ziel hinausschießt. Apples Image ist schwer angekratzt. Vor allem, nachdem herauskam, dass es in der Klageschrift manipulierte Vergleichsbilder zeigte. Okay, die aktuellen Galaxy Tabs werden vermutlich nicht mehr nach Deutschland geliefert, selbst wenn Samsung in Berufung geht. Wahrscheinlich ändern die Koreaner einfach wieder schnell das Gehäuse, machen vielleicht Ecken eckig und die Rückseite keilförmig. Und wenn es dann in den deutschen Handel kommt, wird der mediale Rummel vermutlich genauso groß wie beim iPad sein. Möglich, dass Samsung so weit mehr Tablets in Deutschland verkauft als ohne Geschmacksmuster-Prozess.
Apple hätte besser eine PR-Kampagne im Sinne von "Wer hat's erfunden" fahren sollen. Das wäre eine sympathische Antwort auf Samsungs Herausforderung gewesen. So aber wirkt Apple jetzt wie der fiese Marktführer, der seine Wettbewerber mit allen fairen und unfairen Mitteln bekämpft. Und so sahen früher eigentlich eher Apples Konkurrenten aus.
Quelle: ntv.de