Microsofts "Überwachungsgerät" Xbox One sät Unterhaltung, will aber Daten
27.05.2013, 12:24 Uhr
Mit Augen und Ohren: die Xbox One.
(Foto: REUTERS)
Die Warnung kommt von hoher Stelle: Ein "Überwachungsgerät" sei die Xbox One, getarnt als Spielgerät. Per Kamera und Mikrofon spioniert und lauscht Microsoft bei seinen Nutzern. Jeder Haushalt speist ein detailliertes Profil in die Datenbanken des US-Konzerns. Das Vermarktungspotenzial ist immens.
Die Xbox One ist die neue Hoffnung von Microsoft. Windows 8 verkauft sich solide, aber durch die Decke geht es nicht. Das große Update 8.1 alias Blue soll in ein paar Monaten nochmal die Werbetrommel für das Betriebssystem rühren. Das "Surface" Tablet ist derweil preislich hoch angesetzt und hat zudem große Konkurrenz. Trotzdem zeigt es: Microsoft will weg vom Biedermann-Image, zur Bindung an die Plattform PC. In die Zukunft führen soll die neue Xbox One. Die Konsole, die ab Ende des Jahres zum Unterhaltungszentrum im Wohnzimmer werden soll.
Lange standen die US-Amerikaner als großer, böser Marktdominator da, der den Nutzern angesichts seiner Marktmacht seine Produkte aufzwingt. Während sich der Konzern vor Gericht wegen vorinstallierter Versionen seines Internet Explorer und Media Players verantworten musste, bevormundete Apple seine Nutzern wesentlich stärker. Es störte sich nur kaum jemand daran. Und Google? Baute zu dieser Zeit das Geschäftskonzept aus, was das Unternehmen inzwischen so mächtig macht: Nutzerdaten. Eben diesen Pfad will Microsoft nun beschreiten, gar verbreitern. Die Werkzeuge dafür sind die Kamera und das Mikrofon, die bei der Xbox One mitgeliefert werden.
Doch was holt sich der Nutzer da ins Haus?
Die Hardware, platziert über dem Fernsehschirm und mit der Couch im Blick, soll mehrere Funktionen gleichzeitig erfüllen. Zunächst sind Spiele mit Bewegungssteuerung von vornherein möglich, wie bei der Xbox 360 mit zusätzlicher Kinect Hard- und Software. Zudem erkennt die Kamera Gesten, um auf der Nutzeroberfläche der Xbox One zu navigieren. Wie bei einem Smartphone können Elemente mit den Händen bewegt, größer oder kleiner gezogen werden. Das mechanische Auge erfasst und erkennt Gesichtsmerkmale, so wie das Mikrofon an der Stimme, welche Personen sich im Raum aufhalten. Je nach Empfindlichkeit vielleicht auch, was in weiteren Wohnräumen geschieht.
Kurz: die Xbox One "versteht" seine Benutzer und nimmt auf, was sie tun. Potenziell alles, je nach Fähigkeiten der verarbeitenden Software. Peter Schaar, der Bundesdatenschutzbeauftragte, nennt die Konsole im "Spiegel" ein "Überwachungsgerät", das unter der Überschrift "Spielgerät" verkauft werde. Der virtuelle Spion im eigenen Wohnzimmer sei jedoch eine "verdrehte Horrorvision", so Schaar. Möglich ist es jedoch, denn die US-Geheimdienste könnten sich theoretisch Zugang verschaffen; entweder zu den Daten, oder direkt zum Wohnzimmer.
Sammelmaschine mit Kopierschutz
Die Xbox 360 hat Microsoft in der Spielewelt viel Respekt verschafft. Die Mehrzahl der Konsolennutzer im Heimatmarkt USA hat das Microsoft-Gerät zu Hause, keine Playstation 3. Mit den neuen Möglichkeiten soll die Xbox nun auch global zum Marktführer werden. Dass die Konsole sich in bestimmten Zeitabständen übers Internet mit den Servern in Redmond verbindet, die Rede ist von mindestens einmal am Tag, lässt aufhorchen. Die naheliegende Begründung ist die Absicherung gegen Raubkopien, die so wesentlich einfacher wird. Die andere Wahrheit ist: Die Konsole kann im wahrsten Sinne als Datensammelmaschine eingesetzt werden.
Wird sie wie vorgesehen als Unterhaltungszentrale genutzt, für Fernsehen, Filme, Spiele und Musik, komplett im Haushalt vernetzt, sind die plötzlich verfügbaren Kundeninformationen für Marktforscher und Werbespezialisten wie Goldstaub. "Die Xbox registriert ständig alle möglichen persönlichen Informationen über mich. Reaktionsgeschwindigkeiten, meine Lernfähigkeit oder emotionale Zustände", merkt Schaar an. Bis auf die Emotionen ist das auch bislang nicht ungewöhnlich - jede Highscore-Tabelle, jedes Spiel kann solche Daten speichern und zur Auswertung bereitstellen. Und dies sieht Schaar als Problem: "Die [Informationen] werden auf einem externen Server verarbeitet und möglicherweise sogar an Dritte weitergegeben. Ob sie jemals gelöscht werden, kann der Betroffene nicht beeinflussen", so der Datenschützer.
Immenses Potenzial
Da das Kombi-Modul aus Kamera und Mikrofon die Anzahl der Anwesenden erkennt, könnte Microsoft den Preis für einen Film oder ein Spiel je nach Nutzer berechnen, nicht nur nach Inhalt. Vorstellbar wäre: Je Person, die sich mehr als 50 Prozent der Spielzeit vor dem Fernsehschirm befindet, stellt Microsoft eine Gebühr in Rechnung. Und je nachdem, wie die Nutzer auf den Film reagieren - Stimm- und Gestenerkennung könnte reichen - weiß Microsoft dann, ob er den Zuschauern gefallen hat oder nicht.
Entscheidend als unternehmerisches Argument für diese technischen Neuerungen sind die Vermarktungsmöglichkeiten einer solchen individuellen, auf Haushalte bezogenen Datensammlung. Das Potenzial ist immens, wie Google oder auch Facebook zeigen. Und so hofft Microsoft auf die Attraktivität seiner Xbox One. Als Dank der Kunden bekommt der Konzern nicht nur die direkten Einnahmen über Verkaufspreis und Lizenzen, sondern auch detaillierte Profile seiner Nutzer.
Quelle: ntv.de