Daten zur Bundestagswahl So hat sich die Wahlkreisprognose Mitte Februar verändert
14.02.2025, 17:26 Uhr Artikel anhören
Deutschland kurz vor der Bundestagswahl: Wo liegt welche Partei bei den Erststimmen vorn? Der Blick auf die aktualisierte Prognose zeigt: Die Wahl ist noch lange nicht gelaufen. Selbst in vermeintlich sicheren Wahlkreisen können sich die Mehrheiten noch verschieben.
Der Wahltermin rückt näher, die heiße Phase des Wahlkampfs hält Deutschland in Atem: Neun Tage vor dem großen Urnengang steuert die komplett aktualisierte Wahlkreisprognose von Election.de eine überarbeitete Übersicht zu den Erfolgschancen der Parteien in den 299 Wahlkreisen bei.
Wichtigstes Ergebnis vorab: Die Zahl der unentschiedenen oder wackeligen Wahlkreise steigt. Für die Linkspartei wird erstmals die Führung in drei Wahlkreisen prognostiziert. Im Osten Deutschlands verändert sich das Bild in der Fläche: Mitten in Thüringen schiebt sich mit Bodo Ramelow ein Spitzenkandidat der Linken knapp vor den Bewerber der AfD. Leicht verbessert haben sich demnach auch die Grünen.
Bundesweit steigt zugleich jedoch auch die Zahl der Direktmandate, die nach der neuen Zweitstimmenregelung voraussichtlich keine Berücksichtigung finden. In der Vorwoche waren nach den Berechnungen von Wahlforscher Matthias Moehl noch 19 Wahlkreise von den Auswirkungen der Zweitstimmendeckung betroffen. Diese Woche sind es bereits 21.
Bei der prognostizierten Verteilung der Erststimmen liegt die Union in der Mehrheit der Wahlkreise weiterhin deutlich vorn. Die neue Prognose beziffert die Gesamtzahl der Regionen, in denen ein Wahlsieg der Unionskandidaten abgestuft als sicher "sicher" oder "wahrscheinlich" erscheint, mit 168 (Vorwoche: 170). Zusammen mit den Wahlkreisen, in denen das Prognosemodell einen Vorsprung der aufgestellten Direktkandidaten sieht, steigt die Gesamtzahl für die Union auf 203. Die Zahl der Wahlkreise, in denen den Unions-Bewerbern eine Sieg-Wahrscheinlichkeit von 100 Prozent prognostiziert wird, ist allerdings von 95 auf 91 gesunken.
Die SPD, die bei der zurückliegenden Bundestagswahl noch den Wahlsieg beanspruchen und 121 Direktmandate holen konnte, kann laut Prognose aktuell nur mit elf sicheren oder wahrscheinlichen Wahlkreis-Erfolgen rechnen. In 24 weiteren Wahlkreisen liegen SPD-Kandidaten mehr oder weniger deutlich vorn. SSW, FDP und auch das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) gehen dieser Prognose zufolge bei den Direktmandaten leer aus. Der Bundestag könnte künftig fünf Fraktionen umfassen.
Die Grünen kommen in dieser Aufstellung unverändert zur Vorwoche nur auf einen sicheren und einen wahrscheinlich grünen Wahlkreis. In zehn weiteren Regionen gibt es allerdings einen Vorsprung. Damit neigt im Vergleich zur Vorwoche insgesamt ein Wahlkreis mehr zu den Grünen.
Bei der AfD sind es prognostiziert 33 sichere oder wahrscheinliche Wahlkreisgewinner. Insgesamt nennt die Prognose 46 Wahlkreise, in denen Kandidaten der "Alternative für Deutschland" regional vorne liegen. Damit ist die Gesamtzahl der möglich scheinenden AfD-Erfolge um einen Wahlkreis gesunken.
Der optische Eindruck einer Zweiteilung des Landes bleibt bestehen. Wie in den Vorwochen befindet sich ausnahmslos jeder Wahlkreis, in dem die Wähler voraussichtlich mehrheitlich rechts wählen, in einem der fünf Flächenländer im Osten Deutschlands. Erstmals sichtbar wurde das in den hier veröffentlichten Daten in der Wahlkreisprognose von Ende Januar.
Übersicht: Wo ist der Vorsprung besonders eng?
Wie groß die Bewegungen im Wahltrend noch sind, zeigt ein Blick auf die Details am Beispiel prominenter Wahlbewerber. Im Wahlkreis mit der Nummer 61 "Potsdam - Mittelmark II" wies die Prognose vom 10. Januar 2025 noch eine 75-prozentige Wahrscheinlichkeit für einen lokalen Wahlsieg des SPD-Bewerbers aus. Aufgestellt haben die Sozialdemokraten in Potsdam ihren Spitzenkandidaten, den amtierenden Bundeskanzler Olaf Scholz.
Wenige Wochen später ist die Vorhersage für Scholz dort auf 54 Prozent gefallen. Im gleichen Zeitraum sind die Siegchancen der übrigen Bewerber dort gestiegen. Neben Scholz tritt in diesem Wahlkreis unter anderem auch die amtierende Außenministerin Annalena Baerbock von den Grünen an. Baerbock liegt in Potsdam gleichauf mit den Mitbewerbern von CDU oder AfD, die alle auf rund 15 Prozent kommen.
Im Aufwind befindet sich laut aktuellster Prognose auch die Linkspartei. Neben den deutlich führenden Kandidaten Gregor Gysi (Treptow-Köpenick/Berlin) und Sören Pellmann (Leipzig II) sowie dem knapp führenden Bodo Ramelow (Erfurt - Weimar - Weimarer Land II) werden inzwischen drei weiteren Kandidatinnen beziehungsweise Kandidaten zweistellige Siegchancen prognostiziert.
Die für die Linken besonders spannenden Wahlkreise liegen allesamt im Osten: Mögliche Erfolge erkennt die jüngste Wahlkreisprognose für die Co-Parteivorsitzenden Ines Schwerdtner in Berlin-Lichtenberg, wo die Linken-Politikerin mit 47 Prozent nur noch knapp hinter Beatrix von Storch (AfD/50 Prozent) liegt. Gewisse Chancen hat demnach auch Dietmar Bartsch (11 Prozent) in "Rostock - Landkreis Rostock II", wo allerdings die AfD-Kandidatin Steffi Burmeister (60 Prozent) noch deutlich führt. Und als dritten aussichtsreichen Kandidaten der Linken erwähnt die Prognose mittlerweile auch Maximilian Schirmer (31 Prozent) im Wahlkreis Berlin-Pankow.
Der Wahlkreis Pankow im Berliner Norden ist aktuell der am stärksten umkämpfte Wahlkreis in Deutschland, und der einzige unter den 299, in dem fünf Kandidatinnen und Kandidaten Chancen eingeräumt werden. Die aktuell führende Julia Schneider (Grüne/34 Prozent) liegt nur noch knapp vor Schirmer und etwas deutlicher vor AfD-Kandidat Ronald Gläser (20 Prozent).
Die Daten belegen, dass das Rennen um die meisten Erststimmen in vielen Regionen tatsächlich noch offen sein dürfte. Insgesamt stellt die Wahlkreisprognose einen Versuch dar, das jeweils wahrscheinliche Wahlergebnis in den Regionen anhand eines ganzen Katalogs an Kriterien vorherzusagen. Berücksichtigt werden wahlentscheidende Faktoren wie demoskopische Trends, regionale Gegebenheiten, frühere Ergebnisse im Wahlkreis sowie die Aussichten der jeweils nominierten Kandidatinnen und Kandidaten.
Aus den errechneten Wahrscheinlichkeiten zur Erststimmenverteilung lässt sich zusammen mit den bundesweiten Umfragewerten und den Zweistimmenanteilen eine wahrscheinliche Sitzverteilung ermitteln. Der Sprung der Linken ins Parlament führt zu entsprechenden Veränderungen bei der Anzahl der prognostiziert sicheren Sitze der übrigen Parteien.
Der Bundestag würde demnach künftig fünf Fraktionen umfassen und aus Abgeordneten der Union, der AfD, der SPD, den Grünen und der Linken bestehen. Das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) dürfte dieser Prognose zufolge an der Fünf-Prozent-Hürde scheitern. Auch die Liberalen um den früheren Bundesfinanzminister Christian Lindner könnten demnach leer ausgehen und nicht mehr im Parlament vertreten sein.
Prognosemodell berechnet Wahrscheinlichkeiten
Die in der Wahlkreisprognose angegebenen Prozentwerte beziehen sich dabei ausdrücklich nicht auf die wahrscheinlichen Erststimmenanteile, sondern auf die Wahrscheinlichkeit, mit der ein Wahlkreis an die eine oder die andere Partei geht. "Die Angabe SPD 65 Prozent - CDU 35 Prozent bedeutet, dass nach dem statistischen Modell die SPD mit 65 Prozent Wahrscheinlichkeit den Wahlkreis gewinnt und mit 35 Prozent Wahrscheinlichkeit die CDU", erläutert Wahlforscher Moehl das Ergebnis der Berechnungen.
Zur Bestimmung der Gewinnwahrscheinlichkeiten werden demnach insgesamt mehr als 30 Millionen mögliche Wahlergebnisse statistisch simuliert. "Dadurch ist die Prognose in der Regel präziser als einzelne Umfragen, die lediglich Momentaufnahmen mit zufälligen Schwankungen darstellen", sagt Moehl.
Die Wahlkreisprognose liefert ein Stimmungsbild, das die von Meinungsforschungsinstituten in repräsentativ erhobenen Umfragen zur politischen Meinung ergänzt und der breiten Öffentlichkeit Einblicke in regionale Strömungen ermöglicht - bezogen auf die wahrscheinlichen Gewinner nach Erststimmen je Wahlkreis.
Als Prognose liefert sie selbstverständlich nur Hinweise zu den möglichen Ergebnissen in der Fläche. Entscheidend für den Wahlausgang bleibt der Wählerwille, so wie er sich am Wahlabend bei der Auszählung abgegebener Stimmen darstellt. Mithilfe der Wahlkreisprognose entsteht ein detailliertes Abbild, wie sich die politische Landkarte in Deutschland durch die Bundestagswahl am 23. Februar verändern könnte - inklusive Antworten auf die Frage, welche Partei mit wie vielen Direktmandaten rechnen kann.
Massive Auswirkungen des neuen Wahlrechts
Die anstehende Bundestagswahl ist die erste Wahl auf Bundesebene, bei der das neue Wahlrecht zur Anwendung kommt. Der Bundestag ist künftig auf 630 Sitze begrenzt, für die Verteilung der Sitze entscheidend ist zunächst vor allem das Zweitstimmenergebnis. Die Anteile bei den Zweitstimmen entscheiden auch darüber, wie viele der gewonnenen Direktmandate in Parlamentssitze umgewandelt werden können.
Die Aussicht auf ein Direktmandat kann für die Parteien am Wahlabend unter Umständen größte Bedeutung erlangen: Durch die weiterhin geltende Grundmandatsklausel können etwaige Erfolge bei den Erststimmen Parteien in den Bundestag verhelfen, auch wenn sie bei den Zweitstimmen bundesweit unter der Fünf-Prozent-Schwelle bleiben sollten. Um trotzdem noch ins Parlament einziehen zu können, müssen diese Kleinparteien oder Bündnisse allerdings in mindestens drei Wahlkreisen jeweils ein Direktmandat gewinnen.
Für die größeren Parteien bedeutet dagegen nicht jeder Wahlkreissieg einen zusätzlichen Platz im Parlament. Weil die Vergabe von Ausgleichs- und Überhangmandaten mit dem neuen Wahlrecht künftig entfällt, sorgt die neue Regelung der Zweitstimmendeckung dafür, dass die Gesamtzahl der zu verteilenden Sitze im Bundestag auf insgesamt 630 Mandate gedeckelt wird.
Regionale Wahlerfolge ohne Wirkung?
"Ab der Bundestagswahl 2025 gewinnt eine Bewerberin oder ein Bewerber einer Partei einen Wahlkreissitz, wenn sie oder er in dem Wahlkreis die meisten Erststimmen erhalten hat und dieser Sitz außerdem durch Zweitstimmen gedeckt ist (sogenannte Zweitstimmendeckung)", heißt es dazu in den Erläuterungen der Bundeswahlleiterin Ruth Brand.
Die neue Regelung kann dazu führen, dass lokale Erststimmenerfolge verfallen und bei der Zusammensetzung des Parlaments unberücksichtigt bleiben - je nachdem, wie erfolgreich die jeweilige Partei in dem jeweiligen Bundesland abschneidet.
Die Auswirkungen der neuen Wahlmodalitäten dürften bei den betroffenen Wählern vor Ort, bei den Parteien und auch überregional hohe Wellen schlagen. Die Bundeswahlleiterin erklärt das Vorgehen bei der Sitzverteilung so: "Zur Ermittlung der Zweitstimmendeckung werden in jedem (Bundes-)Land die Bewerberinnen und Bewerber einer Partei mit Erststimmenmehrheit nach fallendem Erststimmenanteil gereiht und die nach Zweitstimmen ermittelten Sitze eines Landes in der so gebildeten Reihenfolge an die Wahlkreisbewerberinnen und -bewerber einer Partei vergeben."
Gewinnt eine Partei in einem Bundesland mehr Wahlkreise, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis Sitze im Bundestag zustehen, ziehen nur so viele Direktkandidaten und Direktkandidatinnen ins Parlament ein, wie es ihrem Zweitstimmenanteil entspricht. Die überschüssigen Erststimmensieger ziehen nicht in den Bundestag ein. Außen vor bleiben demnach vor allem jene Kandidaten, die in ihrem Wahlkreis mit vergleichsweise niedrigen Stimmenanteilen gewinnen, also in der Regel in den besonders eng umkämpften Wahlkreisen.
Noch dreht sich alles nur um Umfragen und Prognosen: Bis zum Wahltag bleibt den Wählerinnen und Wählern noch etwas mehr als eine Woche Bedenkzeit. Bis dahin kann sich im Wahlkampf noch einiges bewegen. Entscheidend wird aller Voraussicht auch wieder sein, wie viele Wahlberechtigte in Deutschland sich dazu entschließen, von ihrem Wahlrecht Gebrauch zu machen. Bei der zurückliegenden Bundestagswahl 2021 lag diese Quote bei vergleichsweise niedrigen 76,6 Prozent.
Die Wahlkreisprognose wird jeweils wöchentlich aktualisiert. Das nächste Update steht turnusgemäß am 21. Februar an.
Quelle: ntv.de