Klein, gemein und bissig Mini Cooper S – Dampfkessel auf Rallye-Tour
06.05.2013, 14:51 Uhr
Wie ein Dampfbügeleisen zieht der Mini Cooper S seine Bahn auf den Alpenstraßen.
(Foto: Uwe Fischer (BMW))
Wer Oldtimer fährt, muss sich über eines klar sein: Es ist ein urbanes Autofahren. Annehmlichkeiten, wie man sie aus Fahrzeugen jüngerer Generationen kennt, gibt es nicht. Setzt man sich dann noch in ein legendäres Rallye-Auto, wie den Austin Mini Cooper S, wird es brachial laut und richtig heiß.
Die Sitze gleichen einer Babyschale, die sich weder in Längsrichtung noch im Neigungswinkel verstellen lassen und wer die Höllenmaschine des Austin Mini Cooper S (1963), den die Jungs von BMW Classic als originalgetreue Replica zur Verfügung gestellt haben, starten will, der sollte einige Dinge beachten. Zum einen muss er den Elektroschalter, der rechts neben dem Ganghebel thront, anstellen. Erst dann lässt sich die Zündung einschalten. Jetzt wird der Startknopf, der aussieht wie eine Designkorken für eine Weinflasche nach vorn gedrückt und ein erstes Ächzen ist zu hören. Dann kurbelt und heult der kleine 4-Zylinder-Reihenmotor unter infernalischen Klängen auf. Für die Insassen des Engländers fast unerträglich, für die johlenden Außenstehenden ein Gaudi vor dem Herrn. Denn im Drehzahlbereich ab 4000 Umdrehungen wird das Kreischen der Maschine zum Stakkato, das durch das steil am Heck aufragende Endrohr entlassen wird. Während der Benzingeruch im Innern des britischen Rallye-Königs einem die Sinne benebelt, muss man die Kupplung treten, als hätte einem die nette Trainerin im Fitnessstudio die Beinpresse auf Maximal Gewicht gestellt.
Der erste Gang wird unter knirschenden Geräuschen mit der linken Hand über das teilsynchronisierte Viergang-Schaltgetriebe gewuchtet. Dem Autofahrer von heute stockt für einen Moment der Atem, denn er erinnert sich an den Spruch des Fahrlehrers: "Ja, ja. Schalten ist ein spanabhebender Vorgang im Getriebe." Langsam werden die Hände feucht, wer jetzt zu viel Gas gibt, ersäuft den Motor. Während also Kupplungs- und Bremspedal mit äußerster Gewalt betätigt werden müssen, reagiert der Gashebel äußerst sensibel. Im Millimeterbereich bewegt sich seine Ansprache, und wenn die zu ruppig ist, reagiert das 1085 Kubikzentimeter große Motörchen extrem launisch.
Wer alles richtig macht, wird belohnt
Hat man aber all die kleinen Details beachtet, bäumt sich der alte Knabe ordentlich auf und schießt aus den Startlöchern ins Rennen zur 2. Bodensee Klassik wie einst bei seinen legendären Läufen auf der Rallye Monte Carlo, die er gleich dreimal gewann. Eigentlich sogar viermal, wenn man 1966 hinzuzählt, wo er mit allen anderen britischen Teilnehmern aufgrund angeblicher Verstöße gegen das Beleuchtungsreglement disqualifiziert wurde. Geschwindigkeiten bis zu 160 km/h sind in der Rennsemmel möglich.

Mit seinen 635 Kilogramm Gesicht zählt der Mini nach heutigen Maßstäben zu den Leichtgewichten.
(Foto: Uwe Fischer (BMW))
Natürlich ist die Bodensee Klassik 2013 nicht mit den Rennen zu vergleichen, die der Oldtimer in seinen besten Tagen bestritten hat, aber auf den Alpenpässen kann der 90 PS starke Mini schon die in seinen Genen verankerten Stärken ausspielen. Dank seines geringen Gewichts von lediglich 635 Kilogramm und einem Radstand von lediglich 2,30 Meter geht es fast im rechten Winkel durch die Kehre. Hinzu kommt die selbsttragende Karosserie, die durch zwei Hilfsrahmen verstärkt wird und Verwindungen in der Kehre nicht im Ansatz zulässt. Allerdings muss bei der Kurvenhatz bedacht werden, dass es sich hier um ein Auto handelt, dass Pur ist: keine Servolenkung, kein elektronisches Stabilitätsprogramm oder Bremskraftverstärker. Nicht einmal eine Heizung ist an Bord. Wäre auch überflüssig, denn die Motorwärme wird spürbar ins Innere transportiert. Und diese Hitzewellen lassen sich nur über die kleinen Schiebefenster in den Seitentüren wieder nach außen transportieren. Eine Rennmaschine im Ur-Modus, die sich neben den anderen Oldtimern am Bodensee aber durchaus behaupten kann.
Missverständnis einer Oldtimer-Rallye

Eine anderes Highlight der Rallye: Chevrolet Corvette Sting Ray 427 (1968)
(Foto: Uwe Fischer (BMW))
Na gut, ein Audi Urquattro mit 200 PS aus dem Jahr 1988 ist hier kein Gegner. Aber dessen Fahrer, Tobias Moretti, das Herrchen von Kommissar Rex, hat den Begriff Rallye allzu ernst genommen. Vielleicht hätte ihm einer aus dem Team Audi Classic sagen sollen, dass es nicht darum geht, alle anderen Fahrzeuge von den Alpenpässen zu jagen, sondern dass die Punkte bei den Wertungsprüfungen eingefahren werden. Gleichmäßigkeitsfahrten, bei denen es vorrangig auf die präzise Zeit ankommt, in der eine Strecke zurückgelegt wird. Am Ende brachte die Raserei dem österreichischen Mimen mit 2000 Strafpunkten die Höchstpunkzahl im Negativbereich ein. Die Begründung: mehrfach grobe Verkehrsgefährdung.
Doch auf einer OIdtimer-Rallye ist wohl eher der Weg das Ziel. Neben der berauschenden Landschaft im Vierländerdreieck ist es auch eine Zeitreise, die man gemeinsam antritt. Ob die in einem Bentley Mk VI Spezial (1950) oder in einer Chevrolet Corvette Sting Ray 427 (1968) angetreten wird, ist hierbei völlig egal. Interessanter sind die Geschichten, die sich hinter den Fahrzeugen verbergen.
Die Geschichte hinter dem Mini
So auch die hinter dem Austin Mini Cooper S. Das Motorsportpotenzial des Mini wurde von John Cooper bereits vor dessen Einführung erkannt: Er erhielt seine Formel-Junior-Motoren von der British Motor Corporation (BMC). Der Schöpfer des Mini, Alec Issigonis, fand die Idee von Cooper, einen deutlich sportlicheren Mini als Basis für den Motorsport zu bauen, so blöd, dass er sie rundweg ablehnte. Erst als Sir George Harriman, der Generaldirektor von BMC, intervenierte, wurden in Kooperation mit Cooper 1000 Wagen in Kleinserie gebaut.
Wirklich erfolgreich wurde aber erst der Cooper S. Der Sieg der Alpenrallye 1963 wurde der Auftakt für die goldenen Zeiten in der Rallyewelt. 25 Siege in seiner Laufbahn von 1963 bis 1967 sowie zahlreiche Klassen- und Hersteller-Mannschaftspreise bestätigten die beeindruckende Leistung des Winzlings. Allerdings war die große Zeit des Wagens 1968 beendet. Schnellere und ausgefeiltere Autos gaben jetzt den Ton in Monte Carlo an.
Doch im Zuge einer Oldtimer-Rallye lassen sich auch heute noch Platzierungen mit dem Briten einfahren. In einem Teilnehmerfeld von 161 Fahrzeugen fand sich der Austin Mini Cooper S am Ende auf Platz 56 wieder. Immerhin 48 Plätze vor Moretti, den seine Eskapaden auf Platz 104 katapultiert hatten. Letztlich ist es aber egal wo man sich auf einer solchen Fahrt platziert. Das was die Piloten bei der Bodensee Klassik eint, ist die Liebe zum Design und der Technik von damals. Denn im normalen Leben wären ein Ford Eifel Cabriolet (1937), ein Wartburg 1.3 Tourist (1988) oder ein Triumph TR6 (1971) nie Seite an Seite gefahren.
Quelle: ntv.de