Probefahrt im neuen Kia Rio Der Klon hat ausgedient
27.08.2011, 11:54 Uhr
In der Kleinwagenklasse hat es der Rio mit gut zwei Dutzend Wettbewerbern zu tun.
(Foto: KIA)
Bisher waren die Verkäufe des Kia Rio hierzulande nahe der Wahrnehmbarkeitsgrenze. Doch nun trumpft die Schwestermarke von Hyundai auf. Der i20-Klon hat ausgedient. Mit frischem, eigenständigem Design und neuem Dieselmotor soll der Durchbruch gelingen.
Selbstzünder sind bei den Kleinwagen in Deutschland eher mäßig gefragt, selten kommen sie über einen Anteil von fünf Prozent des gesamten Modell-Verkaufsvolumens hinaus. Etwas mehr schaffen sie in anderen europäischen Märkten, aber überwiegend wird die Kleinwagenszene von Benzin-Motoren bestimmt. Umso erstaunlicher also, dass Kia für den neuen Rio sowohl einen erprobten 1,4-Liter-Diesel mit 90 PS als auch ein neues Dreizylinder-Aggregat mit 75 PS ins Rennen um die Kundengunst schickt. Die Benzinfraktion wird mit zwei Vierzylindern bedient, die 1,2 Liter beziehungsweise 1,4 Liter Hubraum haben. Ihre Leistung beträgt 85 PS und 109 PS. Das Einstiegsangebot von knapp 10.000 Euro darf man getrost als Schaufenster-Aktion ansehen. Wer einen Wagen sucht, der dauerhaft Freude macht, sollte 15.000 einplanen.

Das eigenständige Design dürfte helfen, sich vom Hyundai-Schwestermodell zu emanzipieren.
(Foto: KIA)
Das Modell Rio hat der deutschen Kia-Vertretung bisher nicht viel Freude gemacht. Das weitgehend baugleiche Modell i20 der Schwestermarke Hyundai kam hierzulande weitaus besser an und verkaufte im ersten Halbjahr 2011 mehr als fünfmal so viele Einheiten wie der Rio. Den Auftrag, einen deutlichen Akzent für das B-Segment zu setzen und das Mauerblümchen-Dasein des Rio zu beenden, erfüllte Chefdesigner Peter Schreyer mit Bravour: Ein angriffslustig und robust gestalteter Drei- und Fünftürer kam heraus, der klare Kanten zeigt, modern und stilsicher gezeichnet ist und innen die nötige Portion Schick mitbringt, um Kunden von anderen Marken abzuwerben.
Weitgehend ohne Billig-Plastik
Ohne die reichliche Verwendung von Plastik geht es in diesem preissensiblen Segment nicht, aber man kann diesem Zwang auf verschiedene Weisen nachgeben. Die Oberflächen im Rio sind überwiegend weich und handschmeichelnd gestaltet, wirken wertig, die Türen haben ein sattes und volltönendes Zufallsgeräusch, die Sitze sind stabil und bequem. Kleiner Wermutstropfen: Durch die gewünscht dynamische Linienführung wurde die Frontscheibe so schräg gestellt, dass viel Platz zwischen Lenkrad und Scheibenrand liegt. Die dadurch sehr tiefe Instrumentenabdeckung vermittelt zwar ein opulentes Raumgefühl, doch die Sicht auf die stark abfallende Fronthaube und die Karosserieenden ist schlecht. Das gibt Punktabzug bei der Übersichtlichkeit, denn ein Citymobil sollte vor allem beim Rangieren leicht zu handhaben sein.

Zunächst kommt er als Fünftürer auf den Markt, im Januar 2012 auch als Dreitürer.
(Foto: KIA)
Am anderen Ende des Wagens ist es um die Aussicht nicht viel besser bestellt. Die Heckscheibe ist flach und zum Rand hin abgerundet, über den Innenspiegel und beim Blick über die Schulter ist da nicht viel zu erkennen. Wie gut, dass Kia eine Rückfahrkamera mit anbietet. Sie ist Teil eines Ausstattungspaketes mit Audio- und Navigationssystem, das mit 990 Euro in Rechnung gestellt wird. Hinten zu sitzen ist visuell weniger anstrengend. Es gibt genügend Platz über dem Kopf. Wenn die Vorderleute ihre Sitzschienen nicht bis zum Anschlag ausreizen, haben es auch die Beine bequem.
Überraschender neuer Diesel
Bei den Motoren lassen sich für den neuen Diesel gute Chancen ausrechnen. Die Zweifel auf den ersten Metern des Fahrtests, ob der Dreizylinder Anforderungen in Sachen Laufruhe und Temperament würde gerecht werden können, zerstreuten sich im Nu. Obwohl das Fahrzeug mit 1155 Kilo Leergewicht im Mittelfeld des Segments anzusiedeln ist, schafften es die 170 Newtonmeter Drehmoment stets, einen als ausreichend empfundenen Schub zu entwickeln.
Das Turbotriebwerk ist so konstruiert, dass schon knapp über Leerlaufdrehzahl die volle Durchzugskraft genutzt werden kann. Selbst bei 4000 Umdrehungen, die selten erreicht werden, klingt es noch nicht überfordert oder lärmend. Statt 4,2 Liter, wie im EU-Normtest angegeben, schlagen am Ende knapp fünf Liter zu Buche. Der nominelle Unterschied von 15 PS gegenüber dem 1,4-Liter-Diesel macht sich in der Praxis nur minimal bemerkbar. Schließlich kann der kleinere Motor einen Gewichtsvorteil für sich in Anspruch nehmen, der sich subjektiv auch in der Handhabung der Servolenkung niederschlägt. In direktem Wettbewerb stehen die beiden Diesel nur in der Ausstattungslinie Spirit, wo man guten Gewissens dazu raten kann, den Tausender Preisunterschied für andere Dinge als Hubraum zu nutzen.
Einen Turbolader wünschte man sich ebenso beim kleinen Benziner, der es aber an Laufkultur und Drehfreude nicht fehlen ließ. 2014 soll es soweit sein, dass die Ottomotoren mittels Ladedruck etwas durchzugskräftiger werden. Nur zäh geht es voran, wenn man sich an die Schaltempfehlung hält und frühzeitig die Gänge wechselt. Erfreulich ist jedoch, dass sein Klangbild auch in hohen Drehzahlbereichen souverän bleibt. Anders als bei anderen Kleinwagen wird der sechste Gang hier nicht sehnlichst vermisst.
Quelle: ntv.de