Auto

When we were young Die Anti-Aging-Autos

Fühlen Sie sich auch manchmal alt, müde, verbraucht? Kennen Sie auch das Gefühl, dass Ihnen die Zeit wegläuft? Nein, nicht die Arbeitszeit, die Lebenszeit! Das war doch früher nicht so. Da haben wir uns jung gefühlt, uns einen Teufel um morgen geschert und darum, was das alles kostet. Hauptsache billig, wir hatten eh kein Geld.

Was also tun gegen Midlife-Crisis und gefühlten Vorruhestand? Golf spielen? Geht nicht – die junge Union will Ihnen ja die nötige Hüftoperation nicht mehr zahlen. Porsche fahren? Da kann man sich ja gleich ein Schild um den Hals hängen: „Ich habe keinen Sex mehr aber ich habe es dringend nötig!“ Mountain-Biking? Vergiss es, die anderen könnten jünger sein (oder trainiert haben). Bungee-Jumping? Apnoe-Tauchen? Power-Bügeln?

Leute. Leute, Leute – die Lösung liegt so nah und ist dabei so einfach. Back to the roots! Her mit der neuen Einfachheit und weg mit dem Zivilisationsmüll! Wetten, dass es klappt? Wir haben es ausprobiert. Und weil das hier die Motorrubrik ist und nicht die psychologische Ratgeber-Ecke haben wir es mit Autos versucht – und das mit durchschlagendem Erfolg. Verzicht macht glücklich – genau wie damals. Was haben wir denn gefahren in den 70ern und frühen 80ern? Minimalistische Kisten ohne jeden Komfort. Mit Motoren, von denen heute niemand annehmen würde, dass sie die Kasseler Berge schaffen, die uns aber bis Südfrankreich, Italien und Spanien brachten. Und zurück! Voll ausgestattet mit Kurbelfenstern, Fußpumpen für die Scheibenwaschanlage und Sitzen aus Rohrgestell. Egal, Hauptsache wir konnten zur Not drin pennen. Die Rede ist vom Renault R 4, dem Citroen 2 CV, dem Mini, dem Käfer und dem VW Bus. Uns haben sie durch die Welt gebracht und es gibt sie immer noch – zumindest ihre Nachfolger.

Dem R 4 folgte der Kangoo, der Ente der Pluriel, dem Mini der New Mini, dem Käfer der New Beetle und der VW Bus blieb immer der VW Bus, nur heißt der aktuelle T 5 Multivan. Wir haben sie getestet, d.h., wir sind damit durch die Gegend gefahren, haben gefeiert, haben sie bemalt, beklebt, haben Rotwein in ihnen getrunken, komische Sachen geraucht, über Hesse und Hegel diskutiert und wir haben darin geschlafen. Hier unser Ranking und dabei geht es nur um eine Wertung: den AAF – Anti-Aging-Faktor, ausgedrückt in Pril-Blümchen (0 Blümchen gibt es für eine Rentner-Karre und volle fünf für eine Mega-Flower-Power-Hip-Hop-Schüssel mit Nirvana-Duft und Woodstock-Karma)

BMW Mini. Für BMW ein durchschlagender Erfolg, aber als Anti-Aging-Therapeutikum taugt er nur bedingt. Entgegen landläufiger Meinung ist er in der von uns bevorzugten Ausstattungsvariante „Pur“ nicht mal so teuer (Mini One ab 14 600,. ), wirkt aber trotzdem noch zu edel. Hochwertige Materialien im Wertvoll-Look stören nur, wenn man die Boots aufs Armaturenbrett packt und sechs Airbags sind Unsinn – gegen alles Böse in der Welt hat man schließlich sein Mantra um den Hals baumeln. Das viel gerühmte Go-Kart-Feeling beim Fahren hat zwar auch der 90-PS-starke Mini One, aber es verführt zu unangebrachter Eile. Der Weg ist das Ziel, Mann! Das Schlimmste aber: Man kann nicht darin schlafen. Auch die talentiertesten Jünger von Jogi Mahavishnu werden es nicht schaffen, sich für eine Nacht hineinzufalten. Make Love not War ja – aber nicht im Mini! Wertung: Ein Blümchen für günstige Anschaffungskosten.

VW New Beetle. Hat mit dem Käfer leider nur noch Design-Elemente gemein. Ein Pril-Blümchen gibt es trotzdem, weil er wie eines aussieht. Kein Blümchen gibt es für den Preis – zu teuer (ab 15 675,. ). Insgesamt schleppt er wie der Mini zu viel Zivilisationsmüll mit sich herum: Sitze, bequem wie Salonsessel, Motoren, stark wie die Atommeiler von Brokdorf und Whyl (ab 75 PS) und überhaupt jede Menge Technik-Kram des militär-industriellen Komplexes (sehr gute Federung z.B. Die Federn sind bestimmt von Thyssen-Krupp genau wie der Leopard 2). Wir bleiben dabei: AKW – Nee! und vergeben nur ein Pril-Blümchen. So weit kann man den New Beetle gar nicht abrüsten, dass er zum Freak-Mobil taugt.

VW Bus. Mein Gott, Bully, was hast Du Dich verändert! Keiner hat soviel Speck angesetzt wie Du. Erinnere Dich doch mal Alter: Damals als T2 warst Du nichts als eine fast leere Blechkiste. Peace-Zeichen draufgepinselt, Surf-Brett aufs Dach geschnallt und ab ging es mit 50 PS runter nach Südspanien. Tarifa! Wir mit T-Shirt und Badehose, Du mit nichts als einem Kocher und ein paar Brettern als Matrazenauflage im Heck. Und jetzt? Okay, wir haben alle auch ein paar Kilo zugelegt, aber Du? Dann kann man ja gleich einen Neoplan-Superliner chartern. Allein der neue 5-Zylinder-Dieselmotor (175 PS). Damit hätten wir damals alle wendländischen Landkommunen mit Strom versorgt. Und noch Quellwasser für die Hanfplantagen gepumpt. Okay, okay, ein Pril-Blümchen gibt es, weil man immer noch hervorragend in Dir schläft und noch eines, weil man in Dir immer noch am Besten die freie Liebe genießen kann. „Love is all I need“

Und – klar, mein Alter – Deine große Stunde kommt, wenn erst einmal die Transporter-Versionen auf dem Markt sind. Die sind dann tatsächlich wieder leere Kisten und billiger sind sie auch (T 5 Kombi ab 20 400,. ).

Renault Kangoo. Wahrhaft ein rundum existentialistisches Auto. Das erste Blümchen gibt es schon mal als Hommage an Jean-Paul Sartre, denn wenn man konsequent alle Extras ignoriert bekommt man ein auf seine wahre Existenz als Transportmittel reduziertes Gefährt. Was niemand mehr für möglich gehalten hat: Es gibt auch in modernen Autos noch nacktes Blech zu sehen! Dafür das zweite Blümchen. Angesichts dieser nackten Tatsachen versteht man auch den günstigen Preis (ab 12 350.- ). Beim Fahren sammelt der R 4-Nachfolger jede Menge Joan-Baez-Punkte. Sanft schaukelt er einem durch die Landschaft, friedvolle Motörchen lassen erst gar keine Aggressionen aufkommen („Peace, Mann, Peace..!) und dank der erstaunlichen Bodenfreiheit schaffen wir es bis ganz vorne an den Strand (Blümchen Nr. drei). Und dann der Clou: Mit zwei, drei revolutionären Handgiffen werden die Hecksitze weggeklappt und der Army-Schlafsack ausgerollt. Das geht, und wie! Zur Not auch zu zweit. Volle vier Pril-Blümchen sind der Lohn für wahrhaft Hippie-freundliche Konstruktion.

Citroen Pluriel. Als Nachfolger der Ente muss sich der Pluriel mit den gleichen Vorurteilen herumschlagen wir sein Vorgänger: So praktisch wie der Kangoo ist er nicht. Stimmt – aber wen interessiert schon praktisch? Was hatten und haben wir den schon zu transportieren? Nichts außer uns, zwei T-Shirts, ein paar Flaschen Rotwein und den Schlafsäcken. Dafür langt der Raum allemal. Aber wir wollen Spaß haben, uns den Wind um die Ohren wehen lassen, nachts die Sterne sehen und vom unendlichen Weltall träumen. Zumindest in unserer Milchstraße gibt es kein besseres Auto dafür als den Pluriel. Mit wenigen Griffen ist dieses Auto unglaublich offen: Dach nach hinten, Holme ausbauen, Fenster runter, fertig. Zurück bleiben nur die beiden Elefantenstoßzähne von Dachholme, aber die nehmen wir einfach als Eingangsportal für unseren Vishnu-Tempel – easy, Mann. Danach surfen wir mit dem Pluriel völlig unbeschwert durch Raum und Zeit. Hinten ist Platz genug, zur Not noch diesen Typen namens Arthur Dent „per Anhalter durch die Galaxis“ mitzunehmen. Den setzen wir abends an der Jugendherberge wieder ab und zum Schlafen geht es in einen Pinien-Hain. Einfach den Heckdeckel runterklappen und schon stehen 1,90 m ebene Schlaffläche zur Verfügung. Jetzt noch gemütlich in den Schlafsack kuscheln, Grillen und Zikaden lauschen und Sternschnuppen zählen. Ganz klar: Fünf volle Pril-Blümchen für den Citroen Pluriel! (Preis: ab 15 990.- ).

Von Christof Johann

Die im Artikel genannten Autos werden in der Sendung n-tv Motor vorgestellt.

n-tv Motor sehen Sie dienstags um 23.30 Uhr, mittwochs um 14.30 Uhr sowie sonntags um 4.15 Uhr und 8.35 Uhr.

Quelle: ntv.de

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