Hybrid-Autos haben Zukunft Die Kyoto-Mobile
02.12.2003, 18:56 UhrKennen Sie Kyoto? Die alte japanische Kaiserstadt mit dem wunderschönen Kloster? Falls Sie noch nicht da waren, ist Ihnen der Name aber vielleicht aus einem anderen Zusammenhang bekannt: Hier verpflichteten sich die Industrienationen 1997, die Emission klimarelevanter Gase kräftig zu reduzieren. Deutschland hatte das schon 1995 getan und angekündigt, den Kohlendioxid-Ausstoß bis zum Jahre 2005 um 25 % zu senken (verglichen mit 1990). Die europäische Autoindustrie schloss sich dieser Aussage an.
Anfangs sah es aus, als werde man dieses Ziel erreichen, doch jetzt wird es eng. Nur 20 % Reduzierung haben die Autobauer bisher geschafft und 2005 ist nicht mehr fern. Bundesumweltminister Trittin hat schon mit gesetzlichen Maßnahmen gedroht, falls das Ziel nicht erreicht wird.
Alles mal wieder grüne Öko-Spinnerei? Ein Blick auf die Fakten belehrt eines Besseren. Bekanntlich ist CO2 ursächlich verantwortlich für den Treibhauseffekt und damit den Anstieg der Temperatur in der Atmosphäre. Um 1800, also vor Beginn der Industrialisierung, betrug der Anteil von CO2 in der Atmosphäre 280 ppm (parts per million). Derzeit liegt er bei ungefähr 370 ppm und falls die Entwicklung ungebremst weitergeht dürften es im Jahre 2100 700-800 ppm (geschätzt) sein. Einen nicht unerheblichen Anteil an dieser Entwicklung haben Verbrennungsmotoren in Automobilen. Noch Zahlen gefällig? Im Jahr 2000 lag der Bestand an Pkw in der Welt bei 700 Millionen. 2020 werden es – wiederum geschätzt – rund 1,2 Milliarden sein.
Es besteht also akuter Handlungsbedarf – besonders, da das weitverbreitete Beruhigungsmittel der letzten Jahre akut an Wirksamkeit eingebüßt hat: Der Wasserstoff-Antrieb. Bis vor kurzem noch als Lösung aller Klima-Probleme gepriesen, hat sich die Industrie stillschweigend von allen kurzfristigen Visionen verabschiedet. Die Lösung der technischen Probleme erweist sich als schwieriger denn gedacht und vor allem ist nicht abzusehen, wer bereit sein könnte, die riesigen Investitionen in den Aufbau der Wasserstoff-Logistik zu leisten. Vor 2030 ist damit realistisch nicht zu rechnen.
Mit Hybrid-Autos hängen Toyota und Honda die europäische Konkurrenz ab
Was also tun? Mittelfristig gibt es angesichts der gezeichneten Perspektiven nur eine Lösung des CO2-Problems bei Fahrzeugen: die Senkung des Treibstoffverbrauchs. Die europäischen Autohersteller setzen neben anderen Maßnahmen derzeit vor allem auf den Dieselantrieb. Tatsächlich senken Selbstzünder den Verbrauch drastisch (minus 25-30 % bei gleicher Leistung), nicht jedoch den CO2-Ausstoß in gleichem Umfang. Dazu kommt das Problem hoher Stickoxid- und Partikel-Emissionen, die in einem aufwendigen Prozess wieder herausgefiltert werden müssen. Nicht zuletzt deshalb favorisieren vor allem die japanischen Autobauer derzeit eine andere Lösung: Den Hybrid-Antrieb. Hybrid bezeichnet die Nutzung zweier unabhängiger Antriebsquellen zum Antrieb eines Autos. Wir haben in den letzten Wochen zwei verschiedene Hybrid-Fahrzeuge aus Japan gefahren, die wir hier vorstellen wollen.
Honda Civic IMA
Das Kürzel IMA steht für Integrated Motor Assist und bezeichnet die Verbindung eines speziell auf den Hybrid-Antrieb ausgelegten Benzinmotors mit einem Elektromotor. Ziel war es, die Fahrleistungen eines größeren Motors mit Verbrauch und Emissionen eines wesentlich kleineren Motors zu erreichen. Dies scheint gelungen. Der IMA mit seinem 1,3-Liter-Motor verfügt über ungefähr die gleiche Leistung wie der Civic 1,6 – und das bei einem um 30 % niedrigeren Gesamtverbrauch. In Zahlen: Der Civic IMA hat eine Höchstleistung von 66 kW (90 PS), fünf der 66 kW kommen dabei vom Elektromotor. Deutlich höher ist sein Anteil am zur Verfügung stehenden Drehmoment: Zu den 119 Newtonmetern steuert er volle 50 % bei, die bereits vom Start weg zur Verfügung stehen.
Vom Vorhandensein der zusätzlichen Antriebsquelle merkt der Fahrer nichts. Je nach Last-Anforderung (Gaspedal-Stellung) und Ladezustand der Batterie wir der Elektromotor automatisch dazugeschaltet. Wird volle Beschleunigung verlangt, schiebt er mit an, geht es bergab, lädt er die hinter den Rücksitzen untergebrachte Batterie. Im Stand wird der Benzin-Motor automatisch abgestellt, beim Betätigen des Gaspedals wirft der sogenannte Starter-Generator auf der Kurbelwelle den Motor in Sekundebruchteilen wieder an und weiter geht es. Nur die Ladezustands-Anzeige im Armaturenbrett signalisiert dem Fahrer ob das Auto gerade Strom verbraucht, produziert und ob der Elektromotor mitarbeitet oder nicht. Ansonsten verlangt der Civic IMA keine besondere Eingewöhnung. Ein normales Fünfgang-Getriebe ist ebenso an Bord wie alle gewohnten Komfort-Beigaben, auf die heute auch der ökologisch bewussteste Fahrer nicht mehr verzichten will und muss: Klima-Automatik, elektrische Fensterheber, Servolenkung etc. Und da alle elektrischen Zusatz-Bauteile äußerst kompakt gerieten, gibt es mit 340 Litern Volumen auch einen ordentlichen Kofferraum.
Dass 66 kW und 119 Nm in einer viertürigen Limousine keine Bäume auszureißen vermögen ist klar. Entsprechend verhalten ist die Beschleunigung. Besonders im höheren Drehzahlbereich, wenn der Elektromotor keinen Beitrag mehr zu leisten vermag, quält sich das 1,3-Liter-Motörchen ein wenig. Die Höchstgeschwindigkeit von 177 km/h wiederum ist völlig ausreichend. Belohnt wird der Verzicht auf Sportlichkeit vor allem an der Tankstelle: 6,0 l im Stadtverkehr, 4,3 l außerstädtisch und 4,9 l im kombinierten Zyklus sind für die Fahrzeuggröße und Leistung sensationell. Entscheidend aber ist eine andere Zahl: 116 gm/CO2 pro km – das ist exakt der gleiche Kohlendioxid-Ausstoß, wie ihn VW für den 3-Liter-Lupo angibt, ein wesentlich kleineres und schwächeres Dieselfahrzeug. Der Preis für den Honda Civic IMA beträgt 21 900.-
Toyota Prius 2
Einen erheblichen Schritt weiter als Honda geht Toyota mit dem neuen Prius. Schon das Vorgänger-Modell Prius 1, dass seit 1997 weltweit rund 120 000 mal verkauft wurde (1200 davon in Deutschland), war im Gegensatz zum Honda als sogenannter „harter“ oder Voll-Hybride ausgelegt. Das bedeutet, dass beide Antriebsquellen unabhängig voneinander arbeiten können und sich laufend gegenseitig ergänzen (der Honda kann z.B. nicht ausschließlich mit Elektromotor fahren).
In der Praxis funktioniert das so: Bei geringen Geschwindigkeiten fährt der Prius ausschließlich mit Elektromotor. Bei Überlandfahrt wird der 1,5-Liter-Benzinmotor gestartet und seine Leistung verzweigt., d.h., ein Teil der Leistung wird dem Antrieb zugeführt, der Rest wird über den Generator zum Aufladen der Batterie genutzt. Beim Beschleunigen geben beide Motoren Antriebsleistung ab (der Elektromotor alleine stellt z.B. vom Start weg 400 Newtonmeter Drehmoment zur Verfügung. Das entspricht z.B. exakt dem Wert des 2,5-Liter-Turbodiesel im VW Touareg). Beim Bremsen und im Schiebebetrieb arbeitet der Elektromotor als Generator und lädt die Batterie. Der Verbrennungsmotor wird automatisch abgeschaltet.
Was zunächst relativ einfach klingt, hat den Toyota-Ingenieuren in den vergangenen Jahren eine enorme Innovationsleistung abverlangt. Zum Start des Programms 1992 gab es auf dem Gebiet des Hybrid-Antriebs kaum Vorleistungen. Fast alle Techniken mussten selbst entwickelt werden: Steuerungselektronik, Batterie, Getriebe etc. Hier nur einige Beispiele:
- Arbeitete der Prius 1 noch mit einer Spannung von 274 Volt, verfügt der neue über 500-Volt-System. Das bedeutet mehr Kraft bei weniger Leitungsverlusten
- Die Nickel-Metallhydrid-Batterie ist extrem kompakt und weist die weltweit höchste Leistungsdichte auf. Insgesamt besteht die Batterie aus 228 Zellen in 28 versiegelten Modulen. Im Reparaturfall kann jedes Modul einzeln getauscht werden. Ausgelegt ist die Batterie – wie das ganze System – auf die Lebensdauer des gesamten Fahrzeugs.
- Verzweigt wird die Kraft der beiden Motoren über ein Planetengetriebe, ähnlich einem Differential. Automatisch und variabel wird die Kraft immer dort entnommen, wo sie gerade am effektivsten zur Verfügung steht (Verbrennungs- oder Elektromotor) und dorthin geleitet, wo sie gerade benötigt wird (Räder oder Generator). Das bedeutet auch, dass kein konventionelles Getriebe vorhanden ist. Über einen „Joystick“ wird lediglich „Vorwärts“, „Rückwärts“ oder „Stopp“ angewählt.
- Um den Verbrennungsmotor stets im ökonomischsten Bereich laufen zu lassen, wird der sogenannte Atkinson-Zyklus angewandt, eine raffinierte Nockenwellen-Verstellung, die die Expansionsphase des Verbrennungszyklus länger nutzt. Zugleich kann damit die Verdichtung zum starten des Motors extrem abgesenkt werden, sodass der Motor ohne störendes Rucken anläuft.
Ein absolutes High-Tech-Paket also, doch die Mühe hat sich gelohnt. Herausgekommen ist schlicht das sauberste Fahrzeug mit Verbrennungsmotor weltweit. Und noch wichtiger: Mit Emissionen von nur 104 gr. CO2 pro km steht der Prius einsam an der Spitze der umweltfreundlichsten Fahrzeuge überhaupt. Gegenüber den besten Dieselmotoren seiner Klasse spart er auf 20 000 km eine Tonne CO2. Das ist ein Wort.
Das Ganze wird übrigens erreicht, ohne vom Fahrer großen Verzicht auf die üblichen Annehmlichkeiten zu verlangen. Die Dauerleistung von 113 PS reicht im Alltag aus, 170 km/h Höchstgeschwindigkeit ebenfalls und alle modernen Sicherheits- und Komfort-Features sind vorhanden. Trotz der vielen Technik ist das Auto von der Statur einer Mercedes-C-Klasse mit 1300 kg auch noch vorbildlich leicht. Ab 23 900.- ist der Prius zu haben und in dem Moment, in dem er vor die Haustüre rollt beginnt das große Sparen: Bei 4,1 Liter Durchschnittsverbrauch im Euro-Drittelmix wird der Tankwart in Zukunft vom Handel mit Emissions-Zertifikaten leben müssen.
Von Christof Johann .
Quelle: ntv.de