US-Riese auf Schlankheitskur Die Leichtigkeit des Ford-Seins
18.01.2011, 10:53 Uhr
Der Star: Ford zeigt mit dem Vetrek ein mäßig großes SUV mit europäischen Genen.
(Foto: picture alliance / dpa-tmn)
Als die "Großen Drei" immer kleiner wurden, warf man ihnen zu Recht eine gewisse Schwerfälligkeit vor. Als einer der betroffenen amerikanischen Autoproduzenten hat zumindest Ford jetzt die Leichtigkeit für sich entdeckt. Schmetterlinge symbolisieren den neuen, nun auch umweltverträglicheren Stil des Traditionsunternehmens.
Mit einem Hauch von Hollywood hat sich die knapp an der Pleite vorbei geschrammte Firma auf der gerade laufenden Detroiter Auto Show zurück gemeldet. Die mit Theaternebel und von der Hallendecke regnenden Papier-Schmetterlingen inszenierte Show konnte jedoch eines nicht verbergen: Bei der Modellpolitik sind die als typisch amerikanisch erkennbaren Produkte ins Hintertreffen geraten.
Ford wird heute klar von aus Europa dominiert, was Modelle wie C-Max, Mondeo und der angekündigte Focus Electric belegen. Auch der Fiesta wird in den USA Einzug halten, dort sogar als Stufenheck-Variante. Die so genannte C-Plattform bildet dabei die Grund-Architektur für das in künftig 120 Ländern der Erde umzusetzende Fahrzeugkonzept. Zugleich liefert sie die Grundlage für die hybridisierten Modellversionen sowie eine aus Sicht von Ford "bemerkenswert hohe Kraftstoff-Effizienz und den Einsatz intelligenter Funktionen".
Europa dominiert Modellprogramm
Weder die Sportwagen-Ikone Mustang noch das Jahrzehnte lang meistverkaufte Auto in Amerika, der Ford F 150, waren auf der Bühne der Joe Louis Arena in Detroit zu sehen. Stattdessen ließ die ausgefeilte Dramaturgie der Show das Konzeptcar Vertrek aus den Nebelschwaden des Ungewissen erscheinen. Der Name klingt wie ein Kunstwort, ist aber ebenfalls europäischen Ursprung. In der niederländischen Sprache bedeutet der Begriff Abreise oder Abfahrt.

Elektrisch unterwegs: Ab 2013 soll es bei Ford einige Modelle mit Elektroantrieb geben.
(Foto: REUTERS)
Dass Kunden auf den Vertrek abfahren werden, ist anzunehmen, denn das elegant gestylte, vor allem innen futuristisch wie ein Star-Treck-Kommandostand gestaltete Fahrzeug dürfte als Serienauto zwei Aufgaben haben: Das betagte SUV Escape zu ersetzen und auf dem europäischen Markt den Nachfolger für das Modell Kuga darzustellen. In der Seitenansicht ist das Fahrzeug Audis Q7 nicht unähnlich. Das nach US-Maßstäben eher bescheiden dimensionierte SUV ist laut Entwicklungschef Derrick Kuzak als Signal zu verstehen: "Wir demonstrieren, welche Möglichkeiten uns dieser global ausgerichtete Ansatz eröffnet, in dem das Herzstück unserer Modellpalette rund um die Welt umgesetzt wird."
Unweit der Messehalle am Detroit River kann man derweil beobachten, mit welcher Energie Ford die kombinierte Schlankheits- und Verjüngungskur durchzieht. Allenthalben wurden Unsinnigkeiten identifiziert und ausgemerzt, wie etwa die Nutzung von rund 70 verschiedenen Tankdeckeln für die Modellpalette. Sie alle mussten in der Vergangenheit jeder für sich konstruiert, technisch geprüft, eventuell vom Zulieferer nachgebessert, abgenommen, eingebaut und auf Lager gehalten werden – eine teure Vielfalt, die keinen Kundenvorteil bringt.
Flexibilität bis zum Äußersten
Im Michigan Assembly Plant (MAP), dem Focus-Werk für den amerikanischen Markt, wird gerade Autobauen 2.0 geübt. Nirgends ist Fords Wandel deutlicher zu sehen als an diesem Standort. Wo zuletzt bis zu 320.000 SUV jährlich montiert wurden, laufen jetzt Kompaktwagen vom Band. Die Produktion nach neuesten Qualitätsstandards ist so flexibel, dass auf ein und demselben Fertigungsstraße die unterschiedlichsten Karosserie- und Modellformen direkt hintereinander produziert werden können. Frei programmierbare Schweißroboter zum Beispiel, in vielen Werken seit Jahrzehnten Standard, werden dort von einem neuartigen Halteapparat unterstützt, dessen Greif- und Fixpunkte sich ebenfalls an wechselnde Formen der Blechrohteile anpassen können. Parallel dazu läuft ein umfangreiches Schulungsprogramm für Mitarbeiter ab. 7000 neue Jobs, hat Ford auf der Messe angekündigt, sollen demnächst geschaffen werden.
Die MAP- Autos sind konventionell angetrieben, doch Ford macht auf dem Gebiet der Elektromobilität Tempo. Rund um den zur Messe angekündigten Focus Electric gibt es bereits eine Reihe von Hybrid- und Plug-In-Hybrid-Projekten, deren Marktreife das Unternehmen für 2013 verspricht. In den Cockpits dieser Autos wird man dann wieder auf Schmetterlinge treffen, denn in den LCD-Displays flattern sie symbolisch für umweltschonende Fortbewegung. Zu den Neuheiten gehört auch der Lieferwagen Transit Connect Electric, der dieses Jahr in Deutschland auf den Markt kommen soll.
Batteriezellen aus Korea
Viel ist von dem Auto noch nicht bekannt, doch die Reichweite des kleinen Stromers gibt Ford mit stattlichen 130 Kilometern an, die Höchstgeschwindigkeit mit 120 km/h. Mit dem integrierten Ladegerät beträgt die Ladezeit an der Steckdose sechs bis acht Stunden. Über den Preis muss noch spekuliert werden, wahrscheinlich wird er sich an dem des Renault Kangoo Rapid Z.E orientieren, der mit 23.800 Euro angegeben ist. Mini-Lastern wie dem Connect Electric könnte in der Zukunft eine bedeutsame Rolle zuwachsen. Wenn immer mehr Innenstädte Zufahrtsbeschränkungen für Verbrennungsmotoren erlassen oder sie ganz verbannen, können nur E-Transporter die Aufgaben von Kundendienst- und Lieferverkehr übernehmen.
Wenn es um die abgasfreie Fortbewegung geht, hat bei Ford der europäische Einfluss allerdings seine Grenzen. Bekanntlich richten sich die Forschungsanstrengungen in der Batterietechnologie auf die Entwicklung leichterer, billigerer und leistungsstärkerer Zellen. Da vertraut die Ford ganz auf die Kompetenz von LG Chemical – genau wie General Motors.
Quelle: ntv.de