Der Dicke für die Großen Die S-Klasse hatte sie alle
27.07.2011, 13:11 Uhr
Bei ihrer Premiere auf dem Genfer Autosalon stieß die S-Klasse nicht nur auf Applaus.
(Foto: Daimler)
Status, Schutz und eine Reihe Weltneuheiten bietet die Mercedes S-Klasse den gut Betuchten der Neunziger. Sie ist der Liebling der Politiker und bringt sogar jahrelang die Nobelkarossen von Bentley, Rolls-Royce und Co. ins Schwitzen.
"Der Dicke" trat 1991 an, den Thron des besten Automobils der Welt zu besteigen. Und in der Tat stampfte die Mercedes S-Klasse der Baureihe sämtliche Konkurrenten in den Boden. Luxuriöser, stärker, moderner, sicherer und prestigeträchtiger war keiner seiner Zeitgenossen.
Doch trotz einer Vielzahl an Weltneuheiten wie ESP, Bremsassistent, optionale Sprachsteuerung, Einparkhilfe, Navigationssystem, geräuschdämmendem Verbundsicherheitsglas und Recyclingfähigkeit fast aller Fahrzeugkomponenten war es vor allem das klobige, kolossale Kleid des 5,11 bis 5,21 Meter messenden Riesen, das im Gedächtnis blieb. Gezeichnet wurden die klotzigen, aber klassisch-klaren Linien der S-Klasse unter der Leitung von Bruno Sacco. Am besten kamen sie in der ausgewogen proportionierten Limousine mit langem Radstand zur Geltung, die anfangs auch als alleinige Karosserieversion geplant war.
Status und Schutz

Helmut Kohl neben seinem gepanzerten Dienstwagen.
(Foto: Daimler)
Mit seinen gigantischen Abmessungen brach sich die bisweilen auch als Panzer bezeichnete S-Klasse W 140 ab 1991 freie Bahn in der Luxusklasse. Sogar Bentley und Rolls-Royce gerieten auf einigen Märkten ins Visier des "Dicken". Besonders in den USA, Osteuropa und in Asien schätzte man den Sternenträger. Die geräumige und kraftvolle Karosse verlieh schlichtweg Status – erst recht, wenn sich ein V12-Motor in ihrem Inneren befand. Und Schutz bot die S-Klasse obendrein – nicht nur dank der passiven Sicherheitssysteme, sondern sogar als gepanzerte, bis zu 3,5 Tonnen wiegende Trutzburg, in der sich auch das politische Schwergewicht Helmut Kohl die letzten sieben Jahre seiner Amtszeit ins Kanzleramt chauffieren ließ.
Trotz mancher bissiger und böser Kommentare der Kritiker anlässlich der Weltpremiere auf dem Genfer Salon 1991 war auch die restliche Kundschaft von dem Riesen überzeugt. So wurden schon in den ersten neun Monaten nach Markteinführung über 48.000 S-Klasse-Limousinen ausgeliefert, während BMW im ganzen Jahr nur 35.000 Siebener verkaufen konnte.
Flaggschiff Pullman
Neben den staatstragenden Limousinen gab es aber auch elegante Coupés. Die Modelle 600 SEC, 500 SEC und ab 1994 das S 420 Coupé genossen im Segment der weltweit edelsten Zweitürer fast eine Alleinstellung. Positioniert zwischen den SL-Sportwagen und den Limousinen suchten sie ihre Rivalen eher in der englischen Auto-Elite als beim BMW 8er und Jaguar XJ-S. Überraschend stattlich sind die Verkaufszahlen der bis zu 222.000 Mark teuren Luxus-Mobile. Über 26.000 Exemplare der riesig wirkenden Coupés wurden bis Ende 1998 abgesetzt, davon weniger als zehn Prozent als "Einstiegsversion" S 420.

Der S600 war der König der S-Klasse W 140.
(Foto: Daimler)
Die wahre Königsklasse erklomm der große Mercedes aber erst als Pullman und Papamobil. Auf der IAA 1995 war es soweit: Als neue Staatslimousine mit Panzerung setzte der fast endlose 6,21 Meter messende Typ S 600 Pullman die große Mercedes-Tradition der Repräsentationsfahrzeuge für Könige, Kanzler und Präsidenten fort. Bei den Mächtigen der Welt waren die staatstragenden Mercedes so begehrt, dass die Produktion sogar noch zwei Jahre nach Einführung der W 220-S-Klasse fortgeführt wurde.

Im S600 Pullman wurde so mancher Staatschef chauffiert.
(Foto: Daimler)
Im September 1998 endete offiziell die Produktion der W-140-Reihe, die letzten zwei Exemplare fuhren in die Bestände von Mercedes-Benz-Classic. Während die zierlichere und eine halbe Nummer kleiner wirkende Nachfolgereihe W 220 bei ihrem Debüt auf dem Pariser Salon von den deutschen Medien mit Lobeshymen geradezu überschüttet wurde, trauerten die Kunden in vielen Ländern dem abgelösten sanften Riesen nach. Dieser war so robust, dass er bisweilen sogar nach einer halben Millionen Kilometer noch eine Karriere als Gebrauchtwagen vor sich hatte.
Quelle: ntv.de, Wolfram Nickel, sp-x