Autosalon in Genf Feiern war gestern
03.03.2009, 07:56 UhrWenn in Genf der Autosalon in dieser Woche seine Pforten öffnet, fahren die meisten Vertreter der großen Autokonzerne mit einem mulmigen Gefühl in die schöne Schweiz. Die Wirtschaftskrise hat die Branche fest im Griff. Nicht dass diese der Grund für die Probleme wäre, aber durch die allgemeinen Verwerfungen treten die Probleme der Hersteller offen zu Tage.
Lange Zeit kaschierten die enormen Absatzsteigerungen im Ausland die seit Jahren anhaltende Auto-Baisse im Inland. Damit hat die Rezession jetzt aufgeräumt. Auto-Märkte mit explodierenden Absatzzahlen wie Russland, China oder Indien sind in sich zusammengefallen. Umso härter treffen die Hersteller die seit Jahren schwächelnden europäischen Märkte. Schon seit geraumer Zeit mahnen Experten deutliche Überkapazitäten an. Alleine bei Saab und Opel/Vauxhall werden zwei Millionen Einheiten pro Jahr gebaut. Verkauft sind aber nur 1,5 Mio. Autos. Bei den übrigen Herstellern sieht es ähnlich aus.
Unwahre Verkaufszahlen
Lange hat man in der Autobranche auf großflächiges Wachstum gesetzt. Die Bilanz-Pressekonferenzen wurden Jahr für Jahr eine Zelebrierung des Erfolgs. Ein Absatzrekord jagte den nächsten. Dass im Inland und den meisten europäischen Märkten die Zahlen mit Tageszulassungen massiv geschönt wurden, hat man dabei verheimlicht - ein offenes Geheimnis, das bei solchen Erfolgsgeschichten nur allzu gerne unter den Teppich fallen gelassen wurde.
Dass im Vorfeld des traditionsreichen Genfer Autosalons dennoch ein gewisser Optimismus festzustellen ist, hat weniger mit der tristen Gegenwart zu tun, als mit dem Blick in die Zukunft. Seit im letzten Jahr rasant steigende Benzinpreise und die Klimadiskussion die Fehlentwicklungen ganz offensichtlich werden ließen, ist hektische Betriebsamkeit in den Forschungsabteilungen ausgebrochen. Ein Umdenken in den Vorstandsetagen hat eingesetzt. Eiligst wurde ein Hybrid- oder Elektrofahrzeug nach dem anderen vorgestellt. Serienreif sind davon die wenigsten. Meist wird vor allem die jahrelange Ignoranz dem Thema gegenüber kaschiert.
Elektrotechnik als Muss
Ein Jahr nach den Rekordpreisen an der Zapfsäule sehen sich viele Hersteller auf dem Weg. Erprobungsphasen laufen bei Daimler mit dem Smart oder bei BMW mit dem Elektro-Mini. Im Bereich der Batterietechnik sind wahre Innovationsschübe zu verzeichnen. Lange Lebensdauer, mehr Stromaufnahme und kürzere Ladezyklen überzeugen auch gestandene Auto-Manager von der Zukunftsfähigkeit der Technik. Was vor wenigen Monaten noch als Spielerei belächelt wurde, ist heute en vogue und gehört zum Standardrepertoire. Der Hersteller, der in Genf nicht mindestens eine Studie zum Thema Elektrofahrzeug auf seinem Stand zeigen kann, gilt als dem Tode geweiht.
Allein beim Kunden sind solche Neuerungen noch nicht angekommen. Das einzige Modell mit einer annähernd nennenswerten Absatzzahl ist der Toyota Prius mit Hybridtechnik. Immerhin 3407 Einheiten wurden davon im vergangenen Jahr zugelassen. Das sind gerade mal 3,5 Prozent der in Deutschland verkauften Toyotas insgesamt. Die meisten anderen umweltfreundlichen Fahrzeuge sind bisher nicht mal zu haben. Ende dieses, Anfang des nächsten Jahres dürften frühestens die ersten reinen Elektrofahrzeuge auf dem Markt auftauchen. Nennenswerte Stückzahlen sind aber auch da erst mal nicht zu erwarten, da die Technik teuer ist. In Sachen Verkaufspreis hüllen sich die Hersteller bisher in dezentes Schweigen.
Niedriger Benzinpreis und Abwrackprämie hilft
Glück hat die Autoindustrie, dass mit dem Abschwung auch die Benzinpreise einen Sinkflug angetreten haben. An der Tankstelle kostet der Liter Diesel wieder weniger als einen Euro. Das lindert die Schmerzen gerade der Haushalte mit kleinem oder mittleren Einkommen. Auf dem deutschen Markt kommt der Boom durch die Abwrackprämie hinzu. Fast 150.000 Anträge sind bereits gestellt worden. Dass die Fördermaßnahme ausgeschöpft werden wird, gilt mittlerweile als wahrscheinlich. Das könnte die Verkaufszahlen im hiesigen Automarkt auch im Krisenjahr 2009 über die magische Drei-Millionen-Marke heben. Schon vergangene Woche jubelte der Branchenverband VDA über den Erfolg der Maßnahme.
Aus diesen Gründen könnte der Genfer Autosalon eine versöhnliche Stimmung verbreiten. Die Angst fährt zwar mit im Gepäck, aber die große Verunsicherung hat einem vorsichtigen Optimismus Platz gemacht. Dennoch werden die ersten Messetage zeigen, wie es wirklich um die Branche bestellt ist. Echte Sicherheit gibt es erst im Laufe des Jahres. Dann werden die Absatzzahlen zeigen, wo die Branche tatsächlich steht. Vor allem der US-Markt und die Entwicklung in den aufstrebenden Ländern wie China oder Indien werden dann die Richtung der kommenden Monate vorgeben. Weiterer Kahlschlag oder Konsolidierung? Die ersten Rauchzeichen werden über dem Lac Lman zu sehen sein.
Quelle: ntv.de