100 Jahre "Emily" von Rolls Royce Geburt einer Legende
06.02.2011, 13:16 Uhr
Seit nunmehr 100 Jahren ziert die Kühlerfigur "Emily" die Motorhauben von Fahrzeugen der Marke Rolls Royce.
(Foto: picture-alliance / dpa/dpaweb)
Mit einem Oldtimer-Korso zelebriert Rolls Royce den Geburtstag seines Markensymbols, der "Emily". Der Name dieser Marke steht seit mehr als 100 Jahren für die Abgrenzung der Wohlhabenden von den wirklich Reichen.
Die Parade der historischen Rolls Royce in der britischen Hauptstadt gilt dem Abbild einer Frau, der Legende nach einer Sekretärin. Die nach ihrer Statur entworfene Kühlerfigur ziert genau seit dem 6. Februar 1911 alle Fahrzeuge der Marke, wobei der offizielle Name viel weniger gebräuchlich ist, als "Flying Lady" oder einfach "Emily". Der Künstler Charles Sykes bekam seinerzeit den Auftrag zum Design einer Kühlerfigur, die die Werte der Marke ausdrücken und gleichzeitig die Gesamtwirkung der Automobile unterstreichen sollte. Die Figur einer Frau, die mit ausgebreiteten Armen den Stoff ihres Abendkleides im Wind wehen lässt, schien ihm dazu am besten geeignet.
Eigentlich war die Schöpfung des Bildhauers nur Folge von Marotten verspielter Automobilisten . Viele stolze Besitzer und Fahrer der pferdelosen Kutschen begannen, den Schraubverschluss des an der Frontseite montierten Kühlers bizarr zur verkitschen und mit teils grotesken Figuren zu verzieren – eine Art frühes Customizing. Bald entdeckten Autohersteller die ikonografische Wirkung dieser Zeichen und prägten damit die Mode für Jahrzehnte. Adler schraubte einen stilisierten Vogel im Art-déco-Stil auf den Kühler, Mercedes den Drei-Strahlen-Stern, den amerikanischen Lincoln zierte ein Hase, den Packard ein Pelikan.
Unvergleichliche Automobile
Die Dame mit dem wehenden Gewand blieb einzigartig, und das aus guten Grund: Die Autos der Marke Rolls-Royce blieben rar, teurer und begehrt. "Emily" wurde zum Statussymbol, die Marke zum Mythos. Dabei war das Zusammentreffen des Aristokratensohnes Charles Stewart Rolls und des Selfmademans Frederick Henry Royce der pure Zufall. Die Windsor-Monarchie war damals noch von keines Zweifels Blässe angekränkelt, Britannien ein Weltreich, und beim Essen der beiden ungleichen Partner im "Midland Hotel" in Manchester wurde der Grundstein für eine neue britische Eroberung gelegt. Rolls-Royce Motor Cars, so die Pläne der beiden, sollte Automobile bauen, die alles bisher da Gewesene in den Schatten stellten, das Kürzel "RR" wurde zum Inbegriff von Luxus, aber auch von eitel zur Schau gestelltem Selbstbewusstsein werden.
Charles Stewart Rolls kam 1877 als dritter Sohn von Lord und Lady Llangattock zur Welt. Nach behüteter und wohl situierter Kindheit und Jugend studierte er in Cambridge Maschinenbau. Alles, was sich mit Tempo bewegte, hatte es ihm angetan, vor allem die Erfindung des Deutschen Carl Benz. Gerade 25-jährig eröffnete er in London seine Firma C.S. Rolls & Co. - einen Autohandel. Nebenher nahm Rolls an Rennen teil, kurzzeitig war er mit dem sagenhaften Tempo von 150 km/h sogar Inhaber des Geschwindigkeits-Weltrekords.
Rolls verkaufte, Royce baute
Frederick Henry Royce wuchs als fünftes Kind von James Royce und Mary King in bescheidenen Verhältnissen auf. Als Zeitungsjunge und Telegrammbote trug er zum Familieneinkommen bei, später bekam er eine Lehrstelle bei einer Eisenbahngesellschaft. Royce entdeckte sein Talent für alles Technische, und mit 21 Jahren, 1884, gründete er in Manchester eine Firma für Elektromotoren namens F.H. Royce & Co. Zum Wohlstand des Emporkömmlings und Technikfreaks gehörte selbstverständlich ein Auto, nur war der Tüftler mit seiner Erwerbung - eines französischen - alles andere als zufrieden. Die Schwächen seines Gefährts zu beheben genügte ihm nicht, er wollte sein eigenes Auto, und es sollte ein Muster an Zuverlässigkeit sein. "10 H.P." nannte Royce seine Schöpfung, von der drei Exemplare entstanden und eines davon für seinen Freund Henry Edmunds bestimmt war.
In seinem Bekanntenkreis berichtete Edmunds voller Begeisterung von den Qualitäten des Autos - einer der Zuhörer war Claude Johnson, der Mitinhaber der Firma "C.S. Rolls & Co." Begeisterung ist es auch, die Charles Stewart Rolls beim Treffen mit Royce in Manchester erfasst: "Ich habe soeben den besten Ingenieur der Welt kennen gelernt", soll er nach der Probefahrt mit dessen Entwicklung gesagt haben. Der 27 Jahre alte Adlige und der 41-jährige Aufsteiger verstehen sich auf Anhieb. Rolls würde die Autos verkaufen, die Royce bauen sollte. Bereits im selben Jahr werden die ersten Zwei-, Drei- und Vierzylinder-Modelle der neuen Marke auf dem Pariser Autosalon präsentiert. Zur Grundlage für den Mythos wird ein Fahrzeug, das zwei Jahre später nie gekannten Glanz in die Show-Rooms bringt.
Für Könige und Maharadschas
Das Modell mit der Bezeichnung 40/50 HP hat nicht nur einen Sechszylinder-Motor, sondern rollt komplett in Silber vor das Publikum. Dieser "Silver Ghost" gibt schließlich der Baureihe seinen Namen.

Wer einen hat, der umsorgt ihn: Ein Rolls Royce auf der Automesse Techno Classica in Essen.
(Foto: picture-alliance / dpa)
Fast 20 Jahre lang wird der Silver Ghost gebaut, insgesamt 6173 Stück werden verkauft. Darunter sind auch Exemplare für Könige und Maharadschas, denen Silber nicht genug ist. Gold an den Metallteilen, Juwelen am Armaturenbrett - kein Kundenwunsch ist zu absonderlich. Die Legendenbildung ist nicht mehr aufzuhalten. Fertigung in Handarbeit, feinstes Kalbsleder oder edelstes Vogelaugenahorn - das ist der Standard. Weder durch technische Innovationen noch durch motorsportliche Glanzleistungen wurde Rolls-Royce zu dem, was die Marke ist. Solidität, feinstes Interieur, knappe Stückzahlen und ein exorbitanter Preis, letztlich auch das Interesse exklusiver Kundschaft schufen die Grundlage zur Legendenbildung. Kundenliste wird im Laufe der folgenden Jahrzehnte zu einem "Who's who" aus Hochadel, Politik und Show-Business. Von Lenin bis Brigitte Bardot verbindet sie eine gemeinsame Vorliebe.
Seit 1998 im Besitz von BMW
Die Produktion des ersten Rolls-Royce mit einem Zwölfzylindermotor - es ist das Modell Phantom III - erleben die beiden Firmengründer schon nicht mehr. Bereits 1910 war der umtriebige Charles Stewart Royce ein Opfer seiner Abenteuerlust geworden und bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen. Schwach und kränklich geworden stirbt Rolls 1933.
Der Mythos um die hundertjährige "Emily" wird seit 1998 nicht mehr im englischen Crewe, sondern in München verwaltet. Als BMW die Marke erwarb, sorgten britische Traditionalisten sich um die Identität ihres Luxusgefährts. Doch seit der neue Phantom und mittlerweile der Ghost rollen, bescheinigen Fachleute: Der Rolls von heute ist so britisch wie der Fünf-Uhr-Tee.
Quelle: ntv.de, von Axel F. Busse