Der neue Sharan von VW Glorreiche Sieben?
07.07.2010, 11:10 Uhr
Endlich neu aufgelegt: Mit dem Sharan hat sich VW reichlich Zeit gelassen. Dafür ist er auch in nahezu allen Details durchdacht.
(Foto: Markus Mechnich)
VW hat sich Zeit gelassen mit einer Neuauflage des Sharan. Ganze 15 Jahre ist er auf dem Markt und in dieser Zeit begnügte sich VW stets mit Überarbeitungen. Jetzt bringen die Wolfsburger ein komplett neues Familienmobil auf den Markt. Ein Erstkontakt.
Lange war der Sharan eine der wenigen echten Alternativen für Familien mit mehr als fünf Personen. Als Kind eines Gemeinschaftsprojektes mit Ford im Jahr 1995, die in der ersten Generation im selben Werk im portugiesischen Palmela den Galaxy vom Band laufen ließen, war er zunächst nur der Versuch, einen Großraum-Van auf dem europäischen Markt zu etablieren. Beide Konzerne scheuten die hohen Entwicklungskosten für das Experiment und teilten das Risiko. Das Segment der großen Vans wurde immer stärker und nach fünf Jahren trennten sich die Wege der beiden Konkurrenten. Auf dem deutschen Markt war der VW Sharan stets Marktführer, selbst in Zeiten, in denen er mit dem baugleichen Galaxy und dem später erschienen Seat Alhambra fast identisch, aber etwas teurer war. Die Marke Volkswagen besitzt in Deutschland eben eine sehr hohe Kraft.

Die Optik des Traums aller Großfamilien ist sehr viel ansprechender geworden als beim Vorgänger.
(Foto: Markus Mechnich)
Diese kooperativen Zeiten sind jedoch schon lange vorbei. Spätestens mit dem im Frühjahr auf dem Genfer Autosalon vorgestellten Sharan II hat VW klar gemacht, wie wichtig dieses Segment inzwischen für die Wolfsburger geworden ist. Im vergangenen Jahr noch wurden mehr als 8000 Autos dieses Modells angemeldet. Deutlich mehr als der Touareg mit 4850, aber auch deutlich weniger als beispielsweise beim kleineren Van Touran mit rund 55.000 Einheiten. Die Zahlen machen also deutlich, dass der Familientransporter doch in die Jahre gekommen ist.
Höchste Zeit für eine Neuauflage also. Und mit dieser hat sich VW reichlich Mühe gegeben. Schon auf den ersten Blick zeigt sich der Sharan in seinem Design weitaus näher am Geschmack der Zeit als sein Ahne. Gut, die Front fällt, nach der Linie von VW-Chefdesigner Walter da Silva, erwartungsgemäß aus. Das Familiengesicht ist klar erkennbar, macht sich aber auf dem Sharan etwas besser als bei anderen Modellen. Erstaunlich ist, dass das Auto auf den ersten Blick wenig wuchtig wirkt. Schließlich ist der Neue um satte 22 Zentimeter in der Länge (4,85 Meter) und neun Zentimeter in der Breite gewachsen. Doch optisch nimmt er sich verhältnismäßig bescheiden aus, was vielleicht auch daran liegt, dass er in der Höhe um 1,2 Zentimeter geschrumpft ist.
Näher an Pkw-Optik

Dank zweier Schiebetüren ist der Zustieg recht problemlos, selbst in die dritte Reihe.
(Foto: Markus Mechnich)
Den feschen Auftritt unterstreichen LED-Tagfahrlichter in den Frontscheinwerfern, die es optional mit Bi-Xenon gibt. Die Gestaltung der Heckleuchten ist an den großen Bruder, den Multivan T5, angelehnt. Einfache Handhabung verspricht VW beim Wechseln der Leuchtmittel, die mit dem Lösen einer Schraube erreichbar sind. Seitlich setzen zwei Sicken die leicht ausgestellten Radhäuser im hinteren Bereich ab. Die Motorhaube verläuft in einem flacheren Winkel als die Frontscheibe und sorgt so für einen optischen Bruch, was das Auto dem Charakter eines Pkw näher bringt. Durch die Schiebetüren sind die Laufleisten im hinteren Bereich unvermeidlich, aber so gestaltet, dass sie keine optische Zumutung darstellen.
Keine Frage, der Sharan ist ein ganz fescher Bursche geworden. Neben den Vorgänger gestellt, wird aber auch optisch schnell klar, dass es sich hier um ein großes Auto handelt. Das ist er nicht ohne Grund, denn die wahren Qualitäten zeigt so ein Van im Innern. Da heißt, nicht kleckern, sondern klotzen. Auf den Vordersitzen überrascht das seitliche Platzangebot. Auch wenn es nicht mehr ganz zeitgemäß ist: die Faltkarte kann auf dem Beifahrersitz schon ausgeklappt werden, ohne dem Fahrer die Sicht zu nehmen. In den Seitentaschen lassen sich beidseitig große Getränkeflaschen unterbringen und der Mitteltunnel zwischen den Sitzen zeigt sich immer noch erstaunlich breit. Das Raumgefühl auf dem vorderen Gestühl ist beachtlich, selbst für ein Auto dieser Klasse.
Reihe drei nicht nur für Kleinkinder

Ohne Überraschungen, aber eben kompromisslos funktional zeigt sich das Cockpit.
(Foto: Markus Mechnich)
In der Grundkonfiguration wird der Sharan mit fünf Sitzen angeboten. Seine wahren Vorzüge zeigt der Van jedoch in der gegen einen Aufpreis von 1535 Euro bestellbaren siebensitzigen Ausstattung. Dazu wird noch eine Sechssitzer-Variante mit je zwei Einzelsitzen in der zweiten und dritten Reihe angeboten. Dank des Radstandes von 2,92 Metern (7,5 Zentimeter mehr als beim Vorgänger) ist das Platzangebot in der zweiten Reihe sehr ordentlich und auch in der dritten Reihe können echte Erwachsene bis zu einer Größe von 1,75 Meter gut sitzen. Den guten Willen der Passagiere in Reihe zwei vorausgesetzt, passen auch 1,90-Meter-Menschen da rein. Ein gravierender Unterschied zu den mannigfaltigen SUVs mit sieben Sitzen, wo das Gestühl der letzten Reihe höchstens Kleinkindern zu zumuten ist. Die Kopffreiheit ist auf jedem Platz tadellos. Eine gute Idee sind die Becherhalter in Reihe zwei und drei, die andere Hersteller gerne mal vergessen.
Der Zustieg in die zweite Reihe ist dank der beiden Schiebetüren (für 765 Euro elektrisch) völlig problemlos. Auch die dritte Reihe lässt sich gut erreichen, wenn auch Erwachsene ein bisschen Gelenkigkeit vorweisen müssen. Da eher Kinder dort Platz nehmen werden, gibt es aber auch hier nichts zu mäkeln. Denn VW hat sich bei der Konzeption der Sitze Mühe gegeben. Was sich im Marketing-Deutsch "Easy-Fold-System" nennt, sind Sitze, die sich jeweils mit einem Griff nach vorne klappen, horizontal verschieben (bis zu 16 Zentimeter) oder zusammenklappen lassen. Das funktioniert gut und wirkt auch von der Materialseite her so, dass nicht zu befürchten ist, dass die Mechanik nach 1000facher Bedienung den Geist aufgibt. Selbst die von Familien geliebten integrierten Kindersitze sind optional wieder im Angebot.
Zwei Benziner und zwei Diesel

Im Heck können von 300 bis zu weit mehr als 2000 Liter untergebracht werden.
(Foto: Markus Mechnich)
Was ein Sharan aber auch können muss, ist Baumarkt oder Großeinkauf. Schließlich will die Familie in voller Mannstärke auch versorgt werden. Wenn alle drei Sitzreihen aufgestellt sind, nimmt sich das Ladevolumen mit 300 Litern relativ bescheiden aus. Durch Umklappen lässt sich das Angebot aber sukzessive erweitern auf maximale 2430 Liter (5-Sitzer). Dabei ergibt sich eine Länge des Laderaums von 2,10 Metern. Wird auch noch der Beifahrersitz umgeklappt, dann geht es sogar noch mal ein ganzes Stück tiefer. Der Transport jedweder Regalbretter für das werte Heim sollte so kein Problem darstellen. Praktisch ist die optionale Anhängerkupplung, die sich mit einem Handgriff und einem Fußtritt ausklappen und arretieren lässt.
Mit seinen inneren Werten kann der Sharan also beeindrucken. Aber so viel Raum will auch ordentlich bewegt werden. Dazu bietet Volkswagen zwei Diesel und zwei Benziner als Antriebe an. Die Selbstzünder sind die Klassiker aus dem VW-Regal, die Zwei-Liter-TDI-Motoren, die aber im Sharan in ihrer neuesten Generation verbaut werden. Wahlweise stellen sie 140 oder 170 PS zur Verfügung. Ebenfalls turbogeladen und mit Direkteinspritzung sind die beiden Benziner ausgestattet. Der kleine 1,4-Liter-Motor leistet 150, der Zwei-Liter-Benziner bringt es auf 200 PS. Alle Antriebe werden serienmäßig mit Sechsgang-Schaltgetriebe geliefert, können aber auch mit der Sechsgang-Doppelkupplungsautomatik bestellt werden. Auf den ersten Probekilometern zeigt sich der kleinere der beiden Diesel als eine sehr ansprechende Motorisierung, die mit ihren 320 Newtonmeter Drehmoment das Fahrzeug anständig bewegen kann. Der Kraftgewinn des 170-PS-Diesel (350 Newtonmeter) ist dagegen überschaubar, da das im Testwagen vorhandene DSG-Getriebe sehr auf Komfort und Elastizität ausgelegt ist. Der kleine Benziner ist dagegen schwer am arbeiten und es lässt sich gut vorstellen, dass er mit voller Besatzung und Gepäck so seine liebe Not hätte.
Ordentliches Fahrwerk, schwammige Lenkung
Naturgemäß ist der Sharan kein sportliches Auto. Dennoch weist das Auto, trotz der üppig dimensionierten Karosserie, ein ordentliches Fahrverhalten auf. Vorne wird eine McPherson-Aufhängung verbaut und hinten kommt eine Vierlenker-Achse zum Einsatz. Flottere Kurvenfahrten werden dennoch mit Wankbewegungen quittiert, die auch das optionale, adaptive Fahrwerk nicht zur Gänze wegregulieren kann. Der Unterschied zwischen den Einstellungen "Sport" und "Comfort" fällt nicht so groß aus, wie man sich das vorstellen würde. Etwas schwammig und mit zu wenig Rückmeldung zeigt sich hingegen die Lenkung. Das optionale Sportfahrwerk ist für den europäischen Geschmack sicher eine Überlegung wert. Auf Wunsch gibt es für die Hinterachse noch eine elektronische Niveauregulierung. Ein nettes, aber nicht billiges Gimmick ist der überarbeitete Park-Assistent, der jetzt auch quer zur Straße gelegene Parkbuchten beherrscht. Empfehlenswert ist die Parksensorik mit akustischen Signalen oder sogar Rückfahrkamera. Denn auch der neue Sharan ist nicht unebdingt übersichtlich. Auf Wunsch öffnet und schließt auch die Heckklappe automatisch.
Das Metier des Sharan ist die souveräne Reise auf der Autobahn oder auf gut ausgebauten Landstraßen. Da zeigt er seine wahren Qualitäten in Sachen Komfort und Wirtschaftlichkeit. Denn die angegebenen Verbrauchswerte der beiden Diesel sind rekordverdächtig. Der kleinere soll sich mit 5,5 Litern, der größere mit 5,7 Litern begnügen. Dabei werden 149 beziehungsweise 152 Gramm CO2 pro Kilometer ausgestoßen. In der Praxis, so der erste Eindruck, muss wohl mit einem, bei voller Beladung zwei Litern mehr gerechnet werden. Auch die Benziner geben sich auf dem Papier mit 7,2 Litern für den kleinen und 8,6 Liter für den großen Benziner recht bescheiden. Hier dürfte der Zuschlag für einen nervösen Gasfuß allerdings deutlich größer ausfallen. Serienmäßig werden alle Motoren mit Start-Stopp-System und Bremsrekuperation ausgeliefert.
Grundpreis gesenkt
Preislich geht Volkswagen mit dem Sharan in die Offensive. Im Vergleich zum Vorgänger wurde der Grundpreis um 475 Euro auf 28.875 Euro gesenkt. Nun ist es aber VW so, dass sich der wahre Preis stets über die Liste der Sonderausstattungen definiert. So wird ein annehmbar ausgestatteter Sharan mit dem empfehlenswerten kleinen Diesel nicht unter 35.000 Euro zu haben sein. Wer sich bei den Optionen austobt, kann auch locker die 40.000-Euro-Grenze durchbrechen und ein vollausgestatteter Sharan dürfte auch die Schallmauer von 50.000 Euro erreichen können. Allerdings bietet die Serienausstattung durchaus alle notwendigen Dinge des täglichen Lebens. Im Vergleich zum Konkurrenzprodukt von Ford liegt er im Grundpreis sogar mehr als 1000 Euro darunter. Bei den Dieseln bietet er dafür in allen Varianten mehr Leistung als die vergleichbaren Motorisierungen der Kölner.
Was lange währt, wird endlich gut? Das trifft auf den Sharan von Volkswagen durchaus zu. VW bringt mit dem Großraum-Van im September ein rundes Auto auf den Markt, das zu einem konkurrenzfähigen Preis seine Markführerschaft auf dem deutschen Markt ausbauen dürfte. Die Qualität der Motoren, Innenausstattung und Verarbeitung der Karosserie bewegt sich auf VWtypisch hohem Niveau. Nutzwert und Handhabung setzen erneut Maßstäbe, an denen sich die Kontrahenten messen lassen müssen. Auf der Negativseite gibt sich der VW-Van so gut wie keine Blöße. Auch der Neue dürfte so Papis Liebling werden, wenn Kind und Kegel auf Reisen gehen sollen.
Quelle: ntv.de