Louis-Chevrolet-Tour 2012 Huldigung für Ami-Schlitten
27.08.2012, 11:08 Uhr
Manch ein Wagen mit H-Kennzeichen sieht aus, als wäre der 53er Chevi Pick-Up gerade der Presse entsprungen. Das ist einfach nur authentisch.
Der Terminkalender der an Oldtimer-Ausfahrten nicht eben armen Sommerzeit hat einen weiteren Eintrag erhalten: Die "Louis-Chevrolet-Tour" soll künftig vor allem die Freunde amerikanischer Automobilkultur binden: Schauplatz der Premiere war die malerische Eifel.
Handkarren und Pferdegespanne waren die am häufigsten im Hof anzutreffenden Fahrzeuge, als 1737 die Familie derer von und zu Gymnich die Burg Satzvey erwarb. 275 Jahre später sind es nicht wiehernde Rösser, deren Klang von den ehrwürdigen Mauern zurückschallt, sondern blubbernde V8-Motoren. Schuld ist ein gebürtiger Schweizer, der in Amerika mit seinem Namen eine der bekanntesten Automarken der Welt schuf: Louis Chevrolet.
"Wer sollte es tun, wenn nicht wir?" beschreibt Steffen Raschig, Geschäftsführer von Chevrolet Deutschland, die Motivation, kurz nach dem 100-jährigen Jubiläum der Firma eine Oldtimer-Ausfahrt zu organisieren. Automobile Klassiker stehen in Deutschland hoch im Kurs, die Zahl der ausgegebenen H-Kennzeichen steigt stetig. Die Louis-Chevrolet-Tour soll einer Marke huldigen, die mit ihren Produkten Fahrzeug-Segmente und Epochen geprägt hat und die für automobile Ikonen wie etwa die Corvette steht.
Eintritt frei ins rollende Museum
Ein Wettbewerbs-Charakter, wie er bei anderen Oldtimer-Touren gepflegt wird, stand den Organisatoren nicht im Sinn. "Freude an Geselligkeit, am Fahren und am Automobil", so Steffen Raschig, steht im Vordergrund. Deshalb kommt es auch nicht auf eine sortenreine Meldeliste an, das rollende Museum ist offen für jedermann. "Herr Chevrolet", so die Organisatoren, habe schließlich auch nicht nur die Autos seiner Marke gefahren. Ein Ford Thunderbird aus dem Jahr 1972 hat da ebenso Platz wie der Renault Floride S oder der Jaguar E-Type, der demnächst 40 wird.
Hubraum satt gibt es immer, wenn Ami-Schlitten vergangener Jahrzehnte den Götzen des Drehmoments huldigen. Und nicht alles, was die Fachleute "small block" nennen, wird der Bedeutung des Wortes "klein" gerecht. Der quietschgelbe Camaro zum Beispiel, dem die fetten schwarzen Streifen den Beinamen "Bumblebee" (Hummel) eintrugen, hat 5,7 Liter Hubraum. Dass daraus nicht mehr als 165 PS werden, ist aus heutiger Sicht kaum zu verstehen. Einen knappen Liter mehr Zylindervolumen bietet das Buick Electra Coupé auf, das mit 5,71 Metern Länge auch zu den ausladendsten Karossen im Tour-Fuhrpark zählte.
Wie fernes Donnergrollen mag es den Passanten vorgekommen sein, als der Troß sich über gewundene Landstraßen gen Stolberg schraubte, wo in der ehemaligen Glasfabrik der Mittagsstopp eingelegt wurde. Für das n-tv.de-Team im Bumblebee-Camaro bedeuteten die regennassen Straßen einen zusätzlichen Unterhaltungsfaktor, denn schon ein kleiner Tip aufs Gas konnte das Heck zu fröhlichem Wedeln veranlassen. Das mit Sternenbanner am Dachhimmel dekorierte Coupé wusste auf vielfältige Art zu verblüffen: Die Größe des Bremspedals verhielt sich umgekehrt proportional zu der Kraft, die sich damit ausüben ließ.
Pflege eines Kulturguts
Chevrolet als Teil des General Motors-Konzerns hat offenkundig auch gern Verwandtschaft dabei: Zeitweiligen Kultstatus erreichte der Opel Manta, wohingegen der auf Opel-Diplomat-Basis erschaffene Bitter CD schon als Neuwagen ein absoluter Exot war. Die deutschen Farben vertritt auch ein Porsche aus Köln, ein 34 Jahre alter 911 SC mit 180 PS. Unter den rollenden Preziosen hierzulande haben sich deutsche Erzeugnisse als ebenso beliebt wie haltbar erwiesen. Fast zwei Drittel der registrierten Klassiker sind einheimischer Herkunft. Mercedes ist die am häufigsten vertretene Marke, der VW Käfer das beliebteste Modell.
Letzterer gilt den Verbandslobbyisten als Beleg dafür, dass Besitz und Pflege eines historischen Fahrzeug weder als elitäres Steckenpferd noch Schrulle von Superreichen angesehen werden kann: "Die weitaus überwiegende Zahl der Liebhaber sind ganz normale Bürger, die ihr Hobby pflegen", sagt VDA-Präsident Matthias Wissmann. Der Durchschnittspreis eines Oldtimers in Deutschland, so hat der VDA ermittelt, liegt nicht etwa im sechsstelligen Bereich, sondern bei 13.800 Euro. Autos in solchen Preisregionen taugten nicht zum Spekulationsobjekt. Die Statistik der Besitzerwechsel untermauere dies: Umschreibungen werden im Schnitt bei sieben Prozent der im Bestand geführten Oldtimer aktenkundig, bei normalen Gebrauchten ist dieser Anteil doppelt so hoch. "Hier geht es", fasst der ehemalige Verkehrsminister die offizielle Haltung seiner Organisation zusammen, "um die Bewahrung eines Kulturguts und nicht um Privilegien für Wohlhabende".
Die Vokabel "Bewahrung" hat für Wolfgang Brenner eine ganz eigene Bedeutung. Sein 53er Chevi Pick-Up, Kosename "Driftmaster", fährt selbstbewusst quadratmeterweise Rost durch die Gegend. Vor fünf Jahren hat er den Kleinlaster in Kalifornien gekauft und an der Optik so gut wie nichts verändert. Der von der Sonne gebleichte Lack lässt die Originalfarbe allenfalls ahnen, nur unter dem dicken Blech ist alles tip-top. "Das Auto erzählt eine Geschichte", sagt Brenner, "deshalb soll es genau so erhalten bleiben, wie ich es vorgefunden habe".
Fortsetzung schon geplant
Eine ganz andere Geschichte wollte eigentlich Günther Irmscher erzählen, denn er hatte den Plan, mit einem Opel Commodore nach Satzvey zu kommen. Der Schwabe, dessen Familienname Generationen von Kadett- oder Manta-Bastlern mit der Zunge schnalzen lässt, musste wegen eines fehlenden Ersatzteils aber kurzfristig umdisponieren. Mit einem unscheinbaren B-Kadett nahm er eine Anreise unter die Achsen, die gut viermal so lang ist wie die Louis-Chevrolet-Tour selbst. Lohn der Anstrengung: Ein Preis für die weiteste Anreise.
Ebenfalls einen Preis konnten die Brüder Christian und Joachim Roth einheimsen. Obwohl ihr Chevrolet Camaro mit seinen Corvette-Rückleuchten und den gläsernen Aufstelldach für den Laien aussieht wie ein verunglückter Aufmotz-Versuch, ist das Auto mit seinem 5,7-Liter-Achtzylinder absolut authentisch. Das Coupé aus dem Jahre 1970 wurde tatsächlich ab Werk mit der Sonnenluke geliefert. Joachim Roth schätzt es aber nicht wegen des zusätzlichen Lichteinfalls, sondern wegen der Lüftungseigenschaften: "Ich bin Pfeifenraucher, da zieht der Qualm gut ab".
Dass die Sonnenanbeter mit ihren Cabrios, namentlich der hinreißenden C1-Corvette, bei der Tour-Premiere nicht so recht auf ihre Kosten kamen, tat der Stimmung keinen Abbruch. Für Steffen Raschig ist es keine Frage, dass es weitere Gelegenheiten geben wird, die Ami-Schlitten mit dem französisch klingenden Namen artgerecht auszuführen. "Wir arbeiten daran", so Geschäftsführer Raschig, "dass es eine Fortsetzung gibt".
Quelle: ntv.de