Deutsche Hersteller holen auf Hybrid-Quintett bald vollzählig
30.04.2010, 11:20 Uhr
Beim neuen X5 gibt es noch keine Hybrid-Version.
Lange haben die deutschen Hersteller gebraucht, sich von dem Schreck zu erholen, den 2005 Toyota auslöste: Unter seiner Edelmarke Lexus brachte der japanische Konzern den RX 400h heraus, ein geländetaugliches Allradmobil mit Hybridantrieb. Erst Zug um Zug füllte sich das Feld der Konkurrenten – eine Bestandsaufnahme aus Sicht der deutschen Premiumhersteller.
Gerade hat BMW seinen modellgepflegten X5 vorgestellt. Unter den neuen Motoren findet sich keiner, der die Hilfe eines Stromaggregats in Anspruch nimmt. Somit bleibt der Ende vergangenen Jahres präsentierte X6 Active Hybrid das einzige Allradauto der Marke, das über die Kombination aus Achtzylinder-Verbrennungs- und zwei Elektromotoren verfügt. Das ergibt eine enorme Systemleistung von 485 PS. Hinter dem vorläufigen Verzicht auf Hybrid beim runderneuerten X5 steckt folgende Marktstrategie: Die in den USA gebauten Bayern-Boliden sollen unterschiedliche Zielgruppen ansprechen. Während der X6 die in Übersee stärker als im Rest der Welt vorhandene Hybrid-Affinität zu binden versucht, fällt dem X5 vor allem die Aufgabe zu, das potenzielle Dieselpublikum neugierig machen.
Das ist in den Vereinigten Staaten noch überschaubar, doch nicht nur BMW setzt darauf, dass der deutliche Verbrauchsvorteil gegenüber Ottomotoren dem Selbstzünder langfristig einen soliden Platz in der Käufergunst sichern wird. Nach der gegenwärtigen Modellplanung wird BMW erst 2013 auch für den X5 einen Hybridantrieb anbieten. Dann neigt sich der Lebenszyklus der gegenwärtigen Version dem Ende zu. Es ist davon auszugehen, dass sich die dann verwendete Technik an der des BMW Concept 5 Series Active Hybrid orientiert, der dieses Jahr auf dem Autosalon in Genf vorgestellt wurde. Das System besteht aus einem Reihensechszylinder-Benzinmotor mit Twinturbo (306 PS), einem Achtgang-Automatikgetriebe und einem Elektroantrieb, der 55 PS leistet.
M-Klasse wölbt sich
Schon seit mehr als einem Jahr hat Mercedes Benz ein Hybrid-SUV im Angebot, auf der Autoshow in Detroit 2009 erlebte der ML 450 BlueHybrid seine Premiere. Dass dies in Deutschland wenig bekannt ist, liegt daran, dass der Wagen hierzulande nicht zum offiziellen Mercedes-Angebot gehört. Zwischen dem Benz und dem BMW X6 gibt es insofern Parallelen, als in beiden Fahrzeugen jeweils zwei Elektromotoren zum Einsatz kommen. Außerdem verändert die notwendige Steuerelektronik etwas die Optik, denn die Motorhaube weist eine zusätzliche Wölbung auf, unter der die Systeme angeordnet sind.

Gleich fünf Varianten des Cayenne hat Prosch jüngstens präsentiert. Eine davon ist ein Hybrid-Modell.
Abweichend zum X6 verwendet der Mercedes kein V8-Triebwerk, sondern einen Sechszylinder-Benziner mit 279 PS. Das Hybrid-Modul leistet zusätzliche 61 PS und wird von einer 288-Volt-Batterie gespeist. Die ersten Meter legt der ML 450 BlueHybrid rein elektrisch zurück. Ab Tempo 45 schaltet sich der Benziner zu. Auch bei der aktuellen ML-Generation ist das Ende der Laufzeit in Sicht. Die nächste dürfte statt der bisher verwendeten Nickel-Metallhydrid-Batterie über die leistungsstärkere Lithium-Ionen Technik verfügen. Daimler sammelt durch das Modell S 400 Hybrid bereits Praxiserfahrungen damit. An eine weltweite Einführung, so ist aus Stuttgart zu hören, werde wegen der geringen Stückzahlen aber auch beim nächsten ML-Hybrid nicht gedacht.
Porsche und VW entkoppeln
Dass allenfalls fünf bis zehn Prozent der weltweiten Verkäufe eines neuen SUV auf Fahrzeuge mit Hybridantrieb entfallen, scheint bei Volkswagen und Porsche niemanden zu stören. In diesem Frühjahr haben zunächst VW, kurz danach Porsche die Doppelherz-Varianten ihrer neuen Touareg- bzw. Cayenne-Modelle vorgestellt. Sie werden auch in Deutschland zu haben sein. Beide Fahrzeuge bedienen sich eines so genannten Parallel-Hybrids, bei dem Verbrennungs- und Elektromotor komplett entkoppelt werden können.
Auch Cayenne und Touareg reichen sechs Zylinder. Der von Audi entwickelte V6-Benziner, den beide verwenden, leistet dank Aufladung 333 PS, die Strom-Einheit steuert 47 PS zusätzlich bei. Beim Beschleunigen hilft der E-Motor, beim Verzögern wird die Batterie geladen, was der Fahrer auch auf einem speziellen Bordinstrument verfolgen kann. Im Schubbetrieb wird der Straßenkreuzer zum Segelschiff, denn dann schaltet sich der Benziner ab. Letzteres klappt beim Touareg sogar bis Tempo 160. Auf einer speziellen "Zero-Emission"-Anzeige können die Insassen des Cayenne verfolgen, zu welchem Anteil der verstrichenen Fahrzeit abgasfreier Betrieb herrschte. Das streichelt zwar das Öko-Gewissen, funktioniert aber auch im Stand, was bekanntlich nicht die Hauptaufgabe eines "Fahr-Zeugs" ist.
Audi braucht noch
Bis Audi das Quintett der deutschen SUV-Hybriden vervollständigt, ist noch etwas Geduld gefragt. Grund dafür ist, dass die Firma, die "Vorsprung durch Technik" für sich reklamiert, durch einen konzeptionellen Wechsel etwas ins Hintertreffen geraten ist. Zwar konnten die Ingolstädter schon auf der IAA 2005 die Fachwelt mit einer Hybridversion des Q7 beeindrucken, doch inzwischen ist klar, das der kleinere Q5 der erste geländegängige Stromer der Marke werden soll. Als Zeitpunkt der Einführung wird vage die Zeit um den Jahreswechsel 2010/2011 genannt.
Auch Audi wird auf die Verwendung einer Lithium-Ionen-Batterie setzen, was enorme Gewichts- und damit auch Verbrauchsvorteile bringt. Hauptgrund für die Abkehr vom Q7 und der Weiterentwicklung des Q5 ist der so genannte "modulare Längsbaukasten". Nach diesem produktionstechnischen Grundkonzept, das auch in weiteren Baureihen wie dem A4, A5 oder dem A8 zur Anwendung kommt, können einzelne Fahrzeugkomponenten ohne zusätzlichen Aufwand in unterschiedliche Modelle integriert werden. Während eine Hybrid-Einheit für den Q7 ausschließlich in dem Fünfmeter-Dampfer hätte Verwendung finden können, ist nach der Einführung der Hybrid-Technik im Q5 auch eine Ausdehnung auf Limousinen der Mittel- und Oberklasse naheliegend.
Quelle: ntv.de