Die Nacht von Volkswagen Zukunft ohne Verzicht
13.09.2011, 15:41 Uhr
Feuerrot und sexy präsentiert sich der Lamborghini Gallardo STS auf der IAA.
(Foto: picture alliance / dpa)
Der Volkswagen-Konzern präsentiert anlässlich der IAA seine aktuelle Modellpalette. Die Neuwagen sind perfekt in Szene gesetzt, und nicht nur Autoliebhaber kommen dabei auf ihre Kosten. VW hat allen Grund, sich zu feiern: Die Autos sind sparsamer geworden, ihr Absatz boomt wie nie.
Mit einem ebenso bunten wie feurigen Show-Spektakel hat der Volkswagen-Konzern seinen Auftakt zur Internationalen Automobil-Ausstellung (IAA) in Frankfurt zelebriert. An Selbstbewusstsein mangelt es den Wolfsburgern offenkundig nicht: "Ideen für die nächsten 125 Jahren" hatten sie als Motto für die Präsentation ausgegeben.
In diesen Ideen kommt Elektromobilität bisher nur am Rande vor, nimmt man die Antriebsquellen der gezeigten Fahrzeuge zum Maßstab. In Wahrheit forscht Europas größter Autohersteller intensiv an der Fortbewegung mit Strom und will 2013 den neuen Kleinwagen "Up" und auch den Golf auf Elektrobasis auf den Markt bringen.
Akustisches Erlebnis und geplatzte Träume
Bis dahin werden die Autos noch mit herkömmlichen Antriebsquellen den Ton angeben und das im tatsächlichen Wortsinne: Die Konzernmarken Audi (mit dem RS5), Porsche (mit dem neuen 911er) und Lamborghini (mit dem auf Gallardo-Basis entstandenen Super Trofeo Stradale) fördern nicht nur im Fahrerlebnis Emotionen, sondern auch und vor allem akustisch. Gleiches dürfte für den mit Porzellan verfeinerten Bugatti gelten, der jedoch eher als Sammlerstück, denn als Fortbewegungsmittel Bedeutung erlangen wird.
Automobile Vielfalt, so das Statement von VW-Entwicklungschef Dr. Ulrich Hackenberg, bedeute für die Konstrukteure letztlich Vielfalt an Herausforderungen. Neueste Antwort darauf ist der VW "Up", ein Kleinwagen, der mit einem Dreizylinder-Dieselmotor neue Bewegung in das Segment der City-Flitzer bringen wird. Mit dem annoncierten Einstiegspreis von 9850 Euro kann der Lupo-Nachfolger sogar mit den Angeboten aus Korea oder Japan konkurrieren.
Andere Kleinwagen-Träume, die Partnerschaft mit Suzuki und der kraftvolle Eintritt in den indischen Markt, haben einen Dämpfer erhalten. Suzuki erklärte die Verbindung mit Volkswagen zur unheiligen Allianz, will sie nicht weiter entwickeln und am liebsten lösen. Die Konzernoberen aus Wolfsburg waren souverän genug, diese Meldung bei ihrer abendlichen Effekte-Show mit keiner Silbe zu kommentieren.
Volle Halle
Seit 2007 nimmt VW den Vorabend der Auto-Salons in Frankfurt, Genf oder Paris zum Anlass, mit einer beschwingten Kombination aus PS und Popmusik, aus Statements und Stakkato, aus Lack und Leidenschaft ein Spektakel zu inszenieren, dass immer mehr Gäste anzieht. Diesmal, so die offizielle Mitteilung, seien mehr als 2500 Medienvertreter aus 43 Ländern gemeldet gewesen. Für den musikalischen Part zeichnet seit Jahren Leslie Mandoki verantwortlich, den zwar viele nur noch als prägende Figur von Dschingis Khan in Erinnerung haben, der aber als Komponist und Produzent eine Fülle von Chart-Stürmern seither verantwortet hat.

Skoda präsentiert unter dem Titel "Driving Diversity" das Konzeptfahrzeug Mission L.
(Foto: picture alliance / dpa)
Für jeden Konzernabend werden neue Kompositionen, fein abgestimmt auf die musikalische Umsetzbarkeit von Markenimage und Firmenphilosophie, in seinem Studio in Tutzing von gut einem Dutzend Instrumentalisten eingespielt. Dieses Jahr war es sogar eine Familienproduktion, da ein Sohn des Künstlers die Noten für die "Up"-Melodie und das Seat-Konzept-Car "IBL" setzte. Am Seat und auch am Skoda "Mission L" war nicht zu verkennen, dass der neue Jetta die Designlinie dieser Kompakt-Stufenheck-Limousinen vorgibt, doch die Eigenständigkeit der Musik sorgte für einen stimmige und unterhaltsame Show.
Perfekte Inszenierung
Das Team um den Technischen Leiter des Events, Martin Kuhn, arbeitet heute schon an den Aufführungen für nächstes Jahr in Genf und Paris. Perfektion ist offenkundig nicht nur bei der Fugenbreite und dem Innenausbau der Fahrzeuge gewünscht, sondern auch bei dem Versuch, die Identität der jeweiligen Marken mit künstlerisch-kulturellen Elementen umzusetzen. Dabei heiligt die Wirkung fast jedes Mittel. Ob die Tänzer in funkgesteuerten Leuchtanzügen ihre Pirouetten drehen oder Laser-Gitter und sich abseilende Akrobaten Assoziationen an Spionage-Filme aufkommen lassen, ist zweitrangig. Wichtig sind das perfekte Timing, der Effekt und die Kongruenz zur Marke. Rund 80 sichtbare Akteure sind von Choreografin Nadine Imboden nach Sekunden getaktet in ihre Rolle geschickt worden, rund 200 Aktive hinter und unter der Bühne sorgen mit Video, Musik und Tanz dafür, dass Volkswagen den Auftritt vor der Öffentlichkeit bekam, den das Management für angemessen hält.
Seit dem 17. August lief der Aufbau in der Ballsporthalle Frankfurt, ein halbes Jahr vorher wurde intensiv geplant. Hebe- und Senkbühnen, eine 500 Quadratmeter große LED-Fläche für die Einspielungen der soundverstärkten Videos sowie Simultan-Übersetzungen für die ausländischen Gäste: Alles musste bis aufs i-Tüpfelchen passen. Da durch effiziente Antriebsmotoren der Autos inzwischen große Mengen an Kohlendioxid eingespart werden, schien auch der üppige Einsatz von CO2-basiertem Theaternebel gerechtfertigt, der einigen Sportwagenauftritten erst die mystische Reife verlieh.
Glänzende Absatzzahlen
Der Millionen-Aufwand und der Ertrag in Kundenkontakten stehen allem Anschein nach in einem gesunden Verhältnis. Wie Konzernchef Martin Winterkorn im Anschluss wissen ließ, hat Volkswagen in den ersten acht Monaten 2011 weltweit 5,4 Millionen Fahrzeuge verkauft, was einem Zuwachs von 14 Prozent entspricht. Dieser Wert liegt deutlich über dem des Branchendurchschnitts. Auch das Auto der Zukunft, so Winterkorn, solle trotz der ökologischen Zwänge "kein Verzichtauto" sein. Dass die Präsentation der Erzeugnisse ebenfalls nicht auf Verzicht gegründet ist, zeigte die rund einstündige Show überzeugend.
Quelle: ntv.de