Opel-Flaggschiff sucht Diesel-Anschluss Insignia bekommt doppelt Druck
22.02.2012, 09:56 Uhr
Mehr Leistung und Drehmoment holt Opel aus seinem 2,0-Liter-Diesel. Der Vierzylinder bringt es dank neuartigem Doppel-Turbo-Konzept auf 195 PS.
Eine halbe Million Insignias hat Opel in Europa schon abgesetzt. Sorgenfrei ist das Rüsselheimer Traditionsunternehmen dennoch nicht. Jetzt bekommt die Mittelklasse-Limousine einen neuen Dieselmotor. Gelingt der Anschluss an die Spitzen-Aggregate der Konkurrenz?
Nicht nur Qualität und Präzision werden als deutsche Tugenden angesehen, auch Betulichkeit gehört für manche dazu. Sehr deutsch ist in dieser Hinsicht die Ankündigung Opels, das Flaggschiff Insignia mit einem Biturbo-Dieselmotor auszustatten. Nimmt man das Innovationstempo zum Beispiel von BMW als Maßstab, sind die Rüsselsheimer mit ihrem modernsten Antrieb etwas spät dran. In München gab es einen Zweiliter-Doppelturbo bereits 2008 (obendrein prämiert als "Engine of the Year"), in Kürze werden die Bayerischen Motorenwerke mit einem Dreifachturbo aufwarten.
Doch ein bisschen "bi" schadet nie, könnte man sich in Rüsselsheim gesagt haben, und so ist zweifelsohne die doppelte Aufladung in einem Opel-Diesel ein ordentlicher Fortschritt. Mit Hilfe des Zusammenspiels einer kleinen und einer großen Verdichterturbine kann der neue Motor 195 PS erzeugen. Der bislang leistungsstärkste Ölbrenner in einem Insignia gibt 160 PS ab. Er bleibt weiterhin im Programm. Sein per EU-Normtest ermittelter Durchschnittsverbrauch ist mit 4,3 Litern je 100 Kilometer erfreulich gering und auch im Vergleich mit anderen Fabrikaten seines Segments kann sich dieser Konsum sehen lassen. Was wiederholt zu kritischen Kommentaren Anlass gab, war die Laufkultur der Opel-Diesel. Die als "Nageln" bekannte rustikale Klangqualität der Selbstzünder ließ sich im Rahmen der Weiterentwicklungen vieler Hersteller immer weiter dämpfen. Die Maßstäbe werden heute durch die Spitzenaggregate von Audi, BMW und Mercedes gesetzt, bei denen man im warmen Zustand kaum noch unterscheiden kann, ob es sich um ein Common-Rail-Triebwerk oder einen Benziner handelt.
Früh und bärenstark: das Drehmoment
Eine Testfahrt mit dem neuen Opel-Biturbo gibt reichlich Anlass, Positives zu berichten. Das Aggregat ist von energischer und kraftvoller Leistungsentfaltung und gibt rund 80 Prozent seines maximalen Drehmoments schon knapp über Leerlaufdrehzahl ab. Der Spitzenwert von 400 Newtonmetern wird ab 1750 Umdrehungen erreicht. Das ist ebenfalls ein respektabler Wert, den die Insassen als kräftigen Antritt und beherzten Vorwärtsdrang erleben.

Die Preise für den Power-Diesel starten mit der zweithöchsten Ausstattungsvariante Edition bei 33.405 Euro.
Auch für Technikverliebte bietet der Motor Gesprächsstoff, denn die sequenzielle, zweistufige Turboaufladung ist aufwändig konstruiert und baut ihren Druck nach einem fein austarierten System auf: Ist nur wenig Abgasstrom vorhanden, wir lediglich der kleinere der beiden Lader angetrieben, der dann bis etwa 1500 Kurbelwellen-Umdrehungen die Verbrennungsluft komprimiert. Zwischen 1500 und 3000 Touren sind beide Lader aktiv, darüber übernimmt allein die große Turbine die Versorgung der Brennkammern. Beide Turbos sind mit zwei unterschiedlich großen Ladeluftkühlern ausgestattet. Der große wird durch den Fahrtwind gekühlt, der kleine durch einen eigenen Wasserkreislauf. "Dieses aufwendige Kühlkonzept ist vollkommen einzigartig. Das beherrscht keiner unser Mitbewerber", sagt Dr. Christian Bielaczek, Opels Entwicklungschef für den Insignia. "Es sorgt für ein reaktionsschnelles Ansprechverhalten und eine anhaltend kraftvolle Beschleunigung."
Stimmt: An spontaner Gasannahme fehlt es dem neuen Motor ebenso wenig wie an der Fähigkeit, das je nach Karosserieform und Ausstattung 1664 bis 1843 Kilogramm schwere Fahrzeug in minimal 8,7 Sekunden von Null auf 100 Stundenkilometer zu beschleunigen. Die Elastizität ist so gut, dass der dritte Gang vom Stadtverkehr bis weit ins Landstraßentempo genutzt werden kann. 230 km/h Spitzentempo schützen davor, sich von getunten Kleinwagen auf der linken Spur jagen lassen zu müssen. Mit nach EU-Norm errechneten 4,9 Litern Kraftstoff je 100 Kilometer und 129 Gramm Kohlendioxid je Kilometer sowie Start-Stopp-Automatik kann der Motor in der Umweltwertung zusätzliche Punkte sammeln.
Ohne Nageln geht es nicht
Doch dem in Fahrkomfort, Assistenz- und Ausstattungsoptionen manifestierten Premium-Anspruch des Insignia wird auch der modernste Opel-Diesel nicht gerecht. Die von knurrig bis kernig reichende Klangkulisse des Selbstzünders bleibt selbst nach ausgedehnten Testrunden präsent, das Prädikat „Leisetreter“ ist ihm guten Gewissens nicht zu verleihen. Daran ändert auch die Tatsache nichts, dass dort, wo das "Nageln" entsteht, High-Tech-Injektoren sitzen, die bis zu acht Einspritzungen per Arbeitstakt schaffen und das Glühkerzen-System in 2,4 Sekunden von -30 auf 1200 Grad Celsius erhitzt werden kann. Der Abstand zum akustischen Komfort von Dieseln in Premium-Marken bleibt unverkennbar.
Woran liegt es, dass der Opel-Biturbo sich nicht vom Geräusch-Niveau seiner unmittelbaren Mitbewerber absetzen kann? Eine Erklärung könnte sein, dass jede technische Neuentwicklung nur so gut gerät, wie der dafür vorgesehene Etat es zulässt. Trotz inzwischen rund einer halben Million verkaufter Insignia und, wie es von Opel heißt, weiter steigender Zulassungszahlen, sind die Mittel in der Rüsselsheimer Kasse beschränkt. Während der nach Insolvenz radikal verschlankte Mutterkonzern General Motors inzwischen wieder Milliardengewinne generiert, hängt Opel immer noch am Tropf.
So bleibt nur die Hoffnung, dass sich die Kunden an der Akustik nicht stören und den Insignia mit neuem Hochleistungsaggregat zu Preisen zwischen 33.405 und 43.585 Euro (je nach Karosserieform und Ausstattungsniveau) eifrig bestellen. Eine verbesserte Frontkamera und zusätzliche Assistenzsysteme stehen in der Baureihe ohnehin hoch im Kurs. Das intelligente Lichtsystem wurde etwa von 60 Prozent der Kunden geordert, Lederausstattung zu 31 Prozent. Die Allradvariante (bisher 15 Prozent) kann jetzt auch mit einem Sport-Chassis-Fahrwerk bestellt werden (+2950 Euro), das straff gefedert ist und die innovativen "HiPer Strut"- Federbeine besitzt. Bei ihnen werden Dämpfungs- und Lenkeigenschaften zugunsten präziseren Handlings voreinander getrennt.
Quelle: ntv.de