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SUV-Zwillinge frisch renoviert Ist diese Wahl eine Qual?

Durch die neu gestaltete Frontpartie hat der Captiva zweifellos gewonnen.

Durch die neu gestaltete Frontpartie hat der Captiva zweifellos gewonnen.

(Foto: Chevrolet)

Mal läuft in Korea ein Opel Antara vom Band, mal ein Chevrolet Captiva. Gerade wurden die Zwillinge runderneuert und kommen in Kürze auf den Markt. Aber sind sie sich wirklich so ähnlich, wie es auf den ersten Blick scheint? Ein Vergleich.

Seltsame Dinge gehen vor in der Fabrik im koreanischen Bupyeong und das schon seit Jahren. Leichte Geländewagen werden dort gebaut, die Bänder rücken im Takt vorwärts, es werden Motoren, Getriebe, Türen eingepasst. Doch nicht alles läuft wie gewohnt: am Ende steht mal Opel drauf, ein andermal Chevrolet.

Die beiden Zwillinge, man müsste Ihnen nach den Maßstäben der Genetik wohl eine zweieiige Herkunft bescheinigen, wurden gerade runderneuert und kommen in zweiter Generation in Kürze auf den Markt. Besonders für Opel wird es spannend, denn das Produkt der deutschen Marke ist gegenüber dem Konkurrenten mit dem amerikanischen Namen arg ins Hintertreffen geraten. Nicht einmal halb so viele Fahrzeuge des Modells Antara konnte Opel im vergangenen Jahr in Deutschland absetzen, wie Chevrolet vom Captiva.

Vom Antara will Opel dieses Jahr deutlich mehr Autos verkaufen als 2010.

Vom Antara will Opel dieses Jahr deutlich mehr Autos verkaufen als 2010.

(Foto: Opel)

Die fundamentalen Daten der beiden neuen Modelle lassen keinen Grund erkennen, wieso eines davon am Markt so deutlich bevorzugt werden sollte. Die Unterschiede in den Maßen sind bei der Länge am auffälligsten, dort beträgt er sieben Zentimeter, wofür die markenspezifische Gestaltung der Karosserieteile an Front und Heck verantwortlich sind. Ansonsten bewegen sie sich im Millimeterbereich, Spurweite und Radstand sind absolut identisch. Das gemeinsame Motorenangebot umfasst einen Benziner (163 PS) und zwei Dieselmotoren, wobei letztere aus 2,2 Liter Hubraum entweder 167 oder 184 PS holen. Chevrolet hat zusätzlich noch einenV6-Benziner im Angebot, auf den man bei Opel verzichtet. Wahlweise gibt es bei beiden Marken die Autos als Allrad- oder frontgetriebene Version.

Preisunterschied auf 1100 Euro geschrumpft

Laut Zulassungsstatistik des Kraftfahrtbundesamtes (KBA) kamen 2010 hierzulande 1226 Exemplare vom Opel-SUV neu in den Verkehr, beim Captiva waren es 3006. Was für die Rüsselsheimer besonders deprimierend sein mag, ist die Tatsache, dass beide Modelle im so genannten Krisenjahr 2009 zahlenmäßig noch fast gleichauf lagen. Doch während die zu amerikanischen Marken tendierenden Deutschen im Jahr darauf nochmal kräftig zulangten, übten sich die opel-affinen Käufer in strenger Zurückhaltung. Vor einem angekündigten Modellwechsel ist das zwar nicht unüblich, aber wieso gilt diese Regel offenkundig nicht für den Chevrolet?

Im Captiva-Cockpit dominiert die Funktionalität, Schönheit scheint zweirangig.

Im Captiva-Cockpit dominiert die Funktionalität, Schönheit scheint zweirangig.

(Foto: Textfabrik/Busse)

Bei der Geländetauglichkeit sind die Chevi-Käufer eher zu Zugeständnissen bereit: Nur etwa ein Sechstel der Captiva-Autos verfügte über Allradantrieb, beim Opel waren es fast 1100. Etwa gleich hoch ist der Prozentsatz an Dieselfahrzeugen, während er beim Captiva noch unter dem des Allradanteils liegt. Opel strebt an, diesem Jahr noch etwa 2000 Einheiten des im Mai auf den Markt kommenden neuen Antara absetzen zu können.

Das Antara-Cockpit ist geschmackvoll gestaltet, die Materialien wirken hochwertig.

Das Antara-Cockpit ist geschmackvoll gestaltet, die Materialien wirken hochwertig.

(Foto: Textfabrik/Busse)

Gründe für die Nachfrage-Unterschiede könnten in den Preis- und Ausstattungslisten verborgen sein. Für die Basisversion des Benziners verlangt Chevrolet 25.690 Euro, Opel 1100 Euro mehr. Vor dem Facelift war es deutlich mehr. Beim Diesel beträgt die Differenz 1300 Euro zu Lasten des Antara. Der Chevi ist als Fünf- oder Siebensitzer einsetzbar, Opel verzichtet auf das Angebot einer dritten Sitzreihe.

Kfz-Anmeldungen offenbaren noch mehr als die grundsätzliche Zuneigung von Kunden gegenüber Marken und Modellen. Während zum Beispiel beim Antara fast 90 Prozent der vorjährigen Neuzulassungen mit Dieselmotor ausgeliefert wurden, kam der Captiva gerade mal auf die Hälfte Selbstzünder. Das erstaunt umso mehr, als die Opel-Motoren bisher weder mit zusätzlicher Leistung, noch mit besserer Laufruhe oder besonderer Sparsamkeit aufwarten konnten.

Identische Motoren

Obwohl auch in der zweiten Generation für beide Modelle identische Motoren verbaut werden, kann der Antara ein positives Signal setzen – nämlich bei seinen Schwestermodellen mit dem Blitz am Kühler. Der in Europa entwickelte und in Korea gefertigte neue 2,2 Liter-Diesel arbeitet deutlich unauffälliger als zum Beispiel der Zweiliter-Vierzylinder, der im Insignia zum Einsatz kommt. Der Antara-Diesel ist im Moment wahrscheinlich das Auto in der Opel-Modellpalette mit dem besten Geräuschkomfort.

Dem Innenraum des Antara ist aus allen Blickwinkeln anzusehen, dass hier Wohlfühlkomfort geschaffen werden sollte. Je nach Ausstattungslinie kommen verschiedene Bezüge, Stoffe und Verkleidungs-Oberflächen zum Einsatz, die teilweise geschmackvoll akzentuiert, in der Haptik angenehm und wohnlich sind. Beim Captiva ist das nicht so ausgeprägt, wo sich die Sparsamkeitsziele der Entwickler auch mal in der Plastikqualität der Abdeckungen widerspiegeln. Das größte Potenzial zur Differenzierung bietet das Cockpit, wo beim Opel fünf große, runde Lüftungsausströmer die Optik bestimmen. Für die Navigation bekommen die Chevi-Kunden ein System, das mit einer kombinierten Schalter- und Touchscreen-Bedienung zu handhaben ist, während bei Opel die auch aus anderen Modellen bekannte Dreh-Druckknopf-Variante angewendet wird.

Schielen auf Volkswagen und Ford

Leider haben sich die Rüsselsheimer die Chance entgehen lassen, bei der Antara-Ausstattung deutliche Zeichen für ihre Marke und die Abgrenzung zum Wettbewerber aus dem eigenen Konzern zu setzen. Adapatives Licht, Start-Stopp oder orthopädisch zertifizierte Sitze sind für den Antara nicht lieferbar. Lediglich mit dem Radträger-Schubkasten am hinteren Stoßfänger ("Flex-Fix") ist ein individuelles Opel-Merkmal für 650 Euro als Extra bestellbar.

Ungleiche Zwillinge: Der große Grill des Captiva (links) lässt das Auto bulliger erscheinen.

Ungleiche Zwillinge: Der große Grill des Captiva (links) lässt das Auto bulliger erscheinen.

(Foto: Textfabrik/Busse)

Warum die Zwillinge am Ende doch nicht so ähnlich wirken, wie es auf den ersten Blick scheint, zeigt sich in Bewegung. Die Antara-Ingenieure haben viel Arbeit darauf verwandt, die Abstimmung des Fahrwerks und der Lenkung so hinzubekommen, dass sich das, wo Opel draufsteht, auch wie Opel anfühlt. Die Lenkung des Autos mit dem Blitz ist griffiger, direkt und gibt deutlicher die Signale von der Straße zurück, als die etwas verwaschen und nicht so unmittelbar reagierende Captiva-Lenkung. Um die Mittellage herum ist dort viel Spiel zu spüren, obwohl die Servo-Unterstützung ebenso wie beim Opel geschwindigkeitsabhängig geregelt ist. Gleichzeitig erscheint das Opel-Fahrwerk in seinem gelungenen Kompromiss aus sportlicher Robustheit und sanftem Reise-Komfort authentischer auf einen europäischen Geschmack zielend als das des Chevrolets.

Laut Opel-Statement sind Schnittmengen der Kundschaft von Antara und Captiva gar nicht vorhanden. Neue Kunden für eine geländegängige Vielzweck-Limousine will man lieber bei Tiguan-oder Kuga-Interessenten einsammeln. Mehr noch als eine Frage des Marken-Images wird die Entscheidung zwischen Antara oder Captiva wohl eine der Vernunft sein: Der Chevi bietet günstigere Preise, der Opel den besseren Wiederverkaufswert.

Quelle: ntv.de

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