Auto

"Challenge Bibendum" in Berlin Mit dem Zukunft-Meriva unterwegs

Wohin geht die Reise? Eigenwilliges Fahrzeugkonzept bei der Challenge Bibendum.

Wohin geht die Reise? Eigenwilliges Fahrzeugkonzept bei der Challenge Bibendum.

(Foto: n-tv.de/Busse)

Wie sieht das Auto der Zukunft aus? Auf der "Challenge Bibendum" in Berlin kann sich der Besucher ein Bild davon machen - und eine erste Fahrt in einem der Wagen unternehmen. Zum Beispiel im Elektro-Meriva von Opel.

Nachdem 2008 die letzten Flugzeuge dem Berliner Flughafen Tempelhof adieu sagten, steht in diesen Tagen dort die erdgebundene Fortbewegung im Mittelpunkt. Die vom Reifenhersteller initiierte Effizienzwettbewerb "Challenge Bibendum" versammelt Autos, wie sie unterschiedlicher nicht sein können. Vom skurrilen Eigenbau bis zum marktreifen Elektromobil können die Besucher den ganzen Stand der Entwicklung in Aktion sehen.

So sieht eine kleine Firma aus Salzgitter das City-Mobil der Zukunft.

So sieht eine kleine Firma aus Salzgitter das City-Mobil der Zukunft.

(Foto: n-tv.de/Busse)

Mit dabei ein Opel Meriva, der auf den ersten Blick nichts Ungewöhnliches erkennen lässt. Doch unter der Haube findet sich statt vier Zylindern, Pleuel und Kolben ein circa 80 Zentimeter langer und 20 Zentimeter hoher weißer Kasten. "Das ist ein Teil der Batterieeinheit, wie sie auch der Opel Ampera benutzt", erklärt Bernd Zerbe. Er ist Entwicklungsingenieur am Opel-Forschungsstandort Mainz-Kastel. Fotografieren darf man das Gewirr aus Kästen, Leistungen und Steckern nicht. Dieser Meriva ist ein Prototyp, von dem es nur noch zwei weitere Exemplare gibt.

Batterie aus dem Ampera geliehen

Die Fahrzeuge sind Teil des so genannten MeRegio-Projekts. Sie sollen mit ihrer Batterieladung nicht nur Insassen von A nach B befördern, sondern gleichsam als rollende Energiespeicher fungieren. Sie können durch eine spezielle Steuerelektronik Strom aus dem Netz saugen, aber auch wieder abgeben. Mit der "bidirektionalen Ladetechnik" wird erforscht, wie zum Beispiel die einer leistungsfähigen Autobatterie gespeicherte Energie zu Hause sinnvoll genutzt werden kann. In Zusammenarbeit mit der Universität Karlsruhe und dem Fraunhofer Institut für System- und Innovationsforschung wurde ein 60 Quadratmeter großes "Smart Home" entwickelt, das mit üblichen Haushaltsgeräten ausgestattet ist und seine Energie aus einer Photovoltaik- sowie einer Mikro-Kraft-Wärme-Kopplungsanlage gewinnt. Eine Ladestation bindet den Meriva als Speicher in dieses lokale Energienetz ein.

Der MeRegio-Prototyp auf Basis eines Opel Meriva soll ein rollender Stromspeicher werden.

Der MeRegio-Prototyp auf Basis eines Opel Meriva soll ein rollender Stromspeicher werden.

(Foto: n-tv.de/Busse)

Auf dem ehemaligen Flugplatz im Zentrum Berlins geht es allerdings primär um praxisnahes Fahren mit dem Elektro-Meriva. Das Versuchsfahrzeug verfügt über einen 60 kW starken Elektromotor mit einem Drehmoment von 215 Nm. Die 160 Kilo schwere Lithium-Ionen-Batterie aus dem Ampera ist in drei Teile zerlegt. Außer dem Teil unter der Fronthaube ist eine Einheit unter der Rückbank und eine auf der Hinterachse untergebracht. "Um unsere Messelektronik besser unterbringen zu können, haben wir hinten zwei Einzelsitze eingebaut, aber sonst entspricht der Platz im Meriva fast vollständig dem im Serienauto", freut sich Bernd Zerbe. "Er ist auch nur 80 Kilogramm schwerer als das Modell mit Dieselmotor". Die Akku-Einheit hat eine Kapazität von 16 kWh - dank einer Steuerelektronik soll das Aufladen der Batterie an einem 230-Volt-Netz rund 3,5 Stunden dauern. Am 400-Volt Drehstromnetz soll der Ladevorgang in einer Stunde erledigt sein.

"Und jetzt Tempo!"

Wer auf dem Fahrersitz Platz nimmt, bemerkt zwei wesentliche Änderungen in der Cockpitgestaltung. An Stelle des Drehzahlmessers zeigt ein Rundinstrument Energieverbrauch und ihre Rückgewinnung, zum Beispiel beim Bremsen oder im Schubbetrieb wieder der Batterie zugeführt werden kann. Der Wählhebel an der Mittelkonsole ist vergleichbar einer herkömmlichen H-Schaltung zu bewegen, lässt aber nur die Richtungen vorwärts und rückwärts sowie die Intensität der Rekuperation zu.

Die Verbrauchsanzeige im Opel Meriva: Fast 50 km gefahren und noch fast 50 Prozent Energie an Bord.

Die Verbrauchsanzeige im Opel Meriva: Fast 50 km gefahren und noch fast 50 Prozent Energie an Bord.

(Foto: n-tv.de/Busse)

Mit dem ersten Schlüsseldreh wird das System gestartet, nach einigen Sekunden kann er bis zum Anschlag gedreht werden und die Fahrbereitschaft ist hergestellt. Rechnerisch ist eine Reichweite von 64 Kilometern und eine limitierte Höchstgeschwindigkeit von 130 km/h drin. Beim Wettbewerb auf dem markierten Parcours des Flugfeldes geht es aber um andere Limits. Die Strecken der Elektro-Rallye sind in einer vorgegebenen Zeit zu durchfahren, die Herausforderung liegt unter anderem in der komplizierten Streckenführung. Wer falsch abbiegt, muss zurück, verbraucht mehr Strom und Zeit, gerät ins Hintertreffen. "Und jetzt Tempo", mahnt Bernd Zerbe auf der langen Geraden der ehemaligen Start- und Ladebahn. Summend wie eine Straßenbahn, aber etwas zäh, beschleunigt der kleine Fünftürer.

100 Kilometer für 2,40 Euro

Der Druck auf die Bremse vor der nächsten Linkskurve erfreut das Sparerherz, denn die Rekuperationsanzeige schlägt weit aus. Idealerweise bewegt sich der Zeiger des vormaligen Drehzahlmessers beim Fahren nur wenig von der Nullstellung weg. Weit mehr als ein Verbrenner fordert das Elektroauto vorausschauendes Fahren. Wer mit Schwung an die Wendemarkierung heranrollt, drückt beizeiten den Wählhebel nach vorn, der Wagen verzögert spürbar.

Wo sonst eine Tankanzeige ist, steht bei diesem Meriva "SOC", das bedeutet "State of Charge", also Ladezustand. Der Zeiger wandert langsam von hundert Prozent weg. Gleichzeitig kann man dort, wo sonst die Navi-Grafik leuchtet, ein Menü mit genauen Angaben zu Batteriestand und zur mutmaßlich nötigen Ladezeit erhalten.

In die Akkus des Meriva-Forschungsautos wurde 6,3 kWh nachgeladen.

In die Akkus des Meriva-Forschungsautos wurde 6,3 kWh nachgeladen.

(Foto: n-tv.de/Busse)

Schrecksekunde vor der nächsten Prüfung: "Sofort laden!" meldet das Zentraldisplay. Kann nicht sein, eben waren doch noch 95 Prozent Energie da. Einen Re-Start und ein paar Sekunden später ist alles wieder in Ordnung. "Ist halt ein Prototyp", sagt Zerbe, "da gibt es auch manchmal Überraschungen." Der Meriva schnurrt dem Ziel entgegen. Gleich schlägt die Stunde der Wahrheit – die Ladestation ist in Sicht.

Unter den Augen der Michelin-Offiziellen wird das Kabel angesteckt, das Messinstrument meldet Energiefluss. 48,5 Kilometer sind wird gefahren, die Cockpit-Ladeanzeige beruhigte mit etwas weniger als 50 Prozent. 6,3 Kilowattstunden (kWh) nimmt das Versuchsfahrzeug auf. Bei einem Abnahmepreis von 19 Cent je kWh hätten 100 Kilometer Strecke also rund 2,40 Euro gekostet. "Selbst wenn man mit einem herkömmlichen Meriva diese hundert Kilometer mit sechs Litern Durchschnittsverbrauch schafft", rechnet Bernd Zerbe vor, "hätte das Auffüllen des Tanks 9,60 Euro gekostet".

Quelle: ntv.de

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