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40 Jahre Jaguar V12-Zylinder Mit der Kraft der zwölf Herzen

Wo zwölf Herzen schlagen, erreicht die motorische Automobilkultur ihren Höhepunkt. Heute ist die Königsklasse aus Verbrauchsgründen fast komplett verschwunden, vor 40 Jahren aber löste Jaguar mit seinem V12 erstmals die Eintrittskarte für diese Eliteliga.

Schon 1965 zeigte Jaguar einen Prototypen des V12-E-Type.

Schon 1965 zeigte Jaguar einen Prototypen des V12-E-Type.

Sie stehen für unerschöpfliche Leistung, große Hubräume, royale Limousinen, ultraschnelle Sportwagen und majestätischen Luxus. Zwölfzylinder-Motoren sind die motorische Königsklasse des Automobils. Vor genau 40 Jahren präsentierte der Nobelhersteller Jaguar mit einem 5,3-Liter-V12 im Jahrhundertsportwagen E-Type seine Eintrittskarte in diese elitäre Liga der Supercars. Mit Serien-Leistungswerten bis 243 kW/330 PS und dem Einsatz in den Luxuslimousinen Jaguar XJ 12 und Daimler Double Six, aber auch im Le-Mans-Siegerfahrzeug von 1990 und in extraordinären Racern wie bis zu 588 kW/800 PS starken Hochseerennbooten oder einer Replika der Jagdflugzeugikone Spitfire bescherte der V12 Jaguar Glanz und Glorie.

Der E-Type V12 Roadster von 1971.

Der E-Type V12 Roadster von 1971.

Derart im Image gestärkt, überwand die britische Marke mit dem Katzensignet stürmische Zeiten nach der ersten Ölkrise und der Übernahme durch andere Konzerne. Nicht einmal der anfangs exorbitante Durst der Zwölfzylinder kratzte am Ruf der repräsentativen Triebwerke. Im Gegenteil, BMW und Mercedes zogen mit fast 20jähriger Verspätung nach und präsentierten die eigenen Flaggschiffe für die Reichen und Mächtigen der Welt ebenfalls mit V12-Antrieb. Da hatte der Jaguar-Motor bereits den Zenith seiner Karriere erreicht – ein Vierteljahrhundert nach seiner Markteinführung sollte er durch einen ebenso starken, aber sparsameren Achtzylinder ersetzt werden. Der Mythos des V12 bleibt jedoch unerreicht.

Schwere Zeiten

"Buy British and be proud of it", hieß es einst auf der Insel als es darum ging, die Autokäufer zum Erwerb heimischer Produkte zu animieren. Es war ein markiger Spruch, der von Zeit zu Zeit wiederkehrte, wenn es galt, Wirtschaftsflauten zu überwinden. So auch in den Jahren des Niedergangs der einst mächtigen britischen Automobilindustrie, die mit einem großen Markensterben, Zusammenschlüssen und Übernahmen in die 1970er Jahre gestartet war. Jaguar fusionierte damals mit der British Motor Corporation zur British Motor Holding BMH und die BMH wiederum mit Leyland zum fast 20 Marken umfassenden Moloch British Leyland Motor Corporation.

Auch Queen Mum fuhr mit einem Zwölfzylinder-Jaguar.

Auch Queen Mum fuhr mit einem Zwölfzylinder-Jaguar.

Eine Zeit der Wirren, die Jaguar mit dem seinem sportlichen Aushängeschild, dem damals bereits Mythos gewordenen E-Type, und den 1968 vorgestellten XJ-Limousinen überstehen musste. Allerdings waren die Verkaufszahlen des 1961 eingeführten und vor allem in den USA überaus populären Supersportwagens eingebrochen und ein Nachfolger noch nicht in Sicht. Neue amerikanische Abgasbestimmungen hatten die für den US-Markt bestimmten Fahrzeuge auf 138 kW/187 PS Leistung kastriert – weniger als Corvette, AC Cobra und sogar Ford Thunderbird aufboten. Was also tun? Sir William Lyons, Gründer und Chef des Hauses Jaguar, forcierte die Entwicklung eines potenten Leistungs- und Imageträgers, des V12.

Ambitionierte Ziele

Das letzte Exemplar des E-Type-Roadster.

Das letzte Exemplar des E-Type-Roadster.

Erste Zeichnungen eines Jaguar V12-Triebwerks waren bereits um 1955 entstanden. Damals sollte eine stärkere Maschine die legendären Jaguar XK-Racer zu weiteren Triumphen in Le Mans führen. Realisiert wurde das angedachte Kraftwerk aus zwei 2,5-Liter-XK-Sechzylindern allerdings nicht. Einen neuen Anlauf nahmen die Jaguar-Ingenieure in den frühen 1960er Jahren, wieder mit dem Fokus auf einen Triumph beim weltweit härtesten Langstreckenrennen, den 24 Stunden von Le Mans. Mit einem Zwölfzylinder sollte die Vormacht von Ferrari und Ford im Motorsport gebrochen werden – ein Vorhaben, das vorerst nicht realisiert werden konnte.

Es blieb beim V12-Prototypen XJ 13, der allerdings nicht siegfähig schien. Vor allem legte Jaguar-Chef Lyons vorübergehend den Fokus auf Vertrieb und Weiterentwicklung seiner überaus erfolgreichen Superstars für die Straße. 1968 debütierte die Limousine XJ, wobei die ursprünglich interne Projektbezeichnung XJ für "eXperimental Jaguar" stand. Vielleicht auch, weil Lyons mit dem XJ von Anfang an die europäische Vorkriegstradition repräsentativer Zwölfzylinder-Limousinen wiederbeleben wollte.

Die Rennsportversion des XJS Coupé von 1978.

Die Rennsportversion des XJS Coupé von 1978.

Zum Einsatz kam der Motor der Königsklasse jedoch völlig überraschend erstmals im E-Type. Eigentlich war der 5,3-Liter erst für den designierten Nachfolger F-Type vorgesehen, nun musste er aber den ins Stocken geratenen Verkauf der durch Abgasentgiftung erlahmten Katzen beschleunigen. Dazu mutierte der E-Type zur überarbeiteten Serie III, die es nur noch als 2+2 Coupé und als Roadster mit langem Radstand gab. Herzstück des modfizierten E-Type mit der fast endlos langen Motorhaube war nun der V12.

Magische "12"

Der Jaguar XJR 1988.

Der Jaguar XJR 1988.

Heute fällt der Kolossalmotor durch die eher konservative Konstruktion auf – und mit relativ bescheidener Literleistung. Vor allem mit den abgasentgifteten und wie zuvor bei den Sechszylindern entkräfteten Exportversionen, die auf amerikanisches Bleifrei-Niedrig-Oktan-Benzin abgestimmt waren. "Lahme Ente" schimpften zeitgenössische Testfahrer die derart geschwächten E-Type im Vergleich zu den bis 232 kW/315 PS freisetzenden europäischen Versionen. War dies wirklich genug an Kraft und Herrlichkeit, um es mit potenten Corvette oder kleinen Ferrari aufzunehmen? Vielleicht nicht ganz, dafür konnte die magische Zahl 12 als Typenbezeichnung immerhin ebenso viel an Prestige und Noblesse vermitteln wie es schon der Urvater aller V12 im Packard Twin Six von 1916 vermochte. So wie einst Packard avancierte nun Jaguar zum leuchtenden Stern am Himmel der Luxusfahrzeughersteller.

Dies ganz besonders, als 1972 der Jaguar XJ 12 als erste europäische Zwölfzylinder-Serienlimousine seit 1939 debütierte. Schlagzeilen machte er damals sogar mit Details wie der Weltneuheit "Erste Zwölfzylinderlimousine mit Automatik und Klimaanlage" – Vorraussetzung für eine erste Exportoffensive nach Texas und andere heiße Wüstenländer der Ölmultis. Es blieb allerdings immer zu hoffen, dass das edle Triebwerk unter solchen Einsatzbedingungen keine thermischen Probleme bekam. Zumal die schönen Viertürer sich über Jahre mit dem Prädikat schmückten, als "schnellste Großserienlimousinen der Welt" an der 230 km/h-Marke zu kratzen.

Der V12 füllt die Motorhaube fast komplett aus.

Der V12 füllt die Motorhaube fast komplett aus.

Als BMW im Jahr 1987 den 750i präsentierte und den Nimbus der Jaguar XJ 12 zu beschädigen drohte, beschleunigten die schnellen Katzen mit 6,0-Liter-V12 sogar auf eine Vmax von 245 km/h. Höhepunkt und krönender Abschluss der XJ-Limousinen mit staatstragendem Motor – im englischen Königshaus bevorzugte sogar die legendäre "Queen Mum" Reisen mit dem V12 – wurde die bereits mit finanzieller Unterstützung durch den neuen Konzerneigner Ford im Jahr 1994 eingeführte Serie X300. 1997 musste der V12 Diskussionen um Abgas- und Verbrauchswerte Tribut zollen und dem ersten Jaguar-V8-Motor weichen.

Später Ruhm

Seine Legende lebt aber fort. Zumal der V12 auch in den raren zweitürigen Versionen des XJ zum Einsatz kam. 1973 debütierten die edlen Coupés auf der IAA, knapp zwei Jahre später startete die Serienfertigung. Im gleichen Jahr ging auch der E-Type-Nachfolger XJ-S an den Start – ebenfalls mit standesgemäßem Zwölfzylinder. Ab 1985 konnten die Fischluftfreunde den feudalen Sportler auch als Cabriolet bestellen, zunächst mit Überrollbügeln, später als klassisch-schönen Sonnenanbeter mit der Kraft der zwölf Herzen.

Die 3. Serie des XJ hat ebenfalls einen V12.

Die 3. Serie des XJ hat ebenfalls einen V12.

Wer es noch exklusiver bevorzugte, wählte die raren Kleinserienexemplare der britischen Edelmanufaktur Panther, die ihre Sportwagen und Limousinen ebenfalls von Jaguar Zwölfzylindern antreiben ließ. Dagegen gehörte die älteste britische Marke, der Hoflieferant Daimler, bereits zu Jaguar. Die exklusivsten XJ-Limousinen wurden deshalb als Daimler Double Six vermarktet. Dies so erfolgreich, dass von der dritten XJ-Serie mehr Daimler- als Jaguar-Zwölfzylinder abgesetzt wurden.

Erfolgreich waren auch die Motorsporteinsätze des V12. Nicht nur bei Offshore-Rennen, sondern vor allem bei Rundstreckenmeisterschaften und bei Langstrecken. Vor allem TWR – Tom Walkinshaw Racing – sammelte mit den V12 Siege in Serie. Krönender Höhepunkt war der Triumph bei den 24 Stunden von Le Mans 1990. 45 Jahre nach Entwicklungsstart des V12-Triebswerks errang der XJR 12 LM damit den Königsthron des Langstreckensports.

Modellhistorie Jaguar V12

- 1971: Im März Produktionsstart des E-Type Series III mit 5,3-Liter-V12
- 1972: Im Juli Serienanlauf der Limousine XJ12 Series I. Im Oktober folgt der XJ12 L Series I
- 1973: Die XJ 12 Limousine wird im September auf der Frankfurter IAA in überarbeiteter Form als Series II vorgestellt. Außerdem feiert das Coupé XJ 12C Weltpremiere auf der IAA .Der V12 debütiert außerdem im Sportwagen Panther J72 V12
- 1974: Die Limousine Panther De Ville wird ebenfalls von einem Jaguar V12 angetrieben
- 1975: Produktionsauslauf des E-Type im Februar. Serienstart des neuen Coupés XJ-S 5.3 im September. Schon im April erfolgte der (späte) Produktionsanlauf des Coupés XJ 12C
- 1977: Das Vladivar I Hydroplane erzielt mit dem V12 einen Geschwindigkeitsweltrekord von 128,4 mph
- 1979: Auf dem Genfer Salon debütiert der XJ 12 als Series III. Das Coupé XJ 12C lief im Februar aus
- 1981: Die XJ-Limousine geht im Juli mit modifiziertem Zwölfzylinder als XJ 12 HE in Produktion, das Coupé XJ-S erhält ebenfalls die V12-Maschine in HE-Spezifikation. In der OBA-Offshoremeisterschaft für Motorboote kommen 588 kW/800 PS starke Jaguar Motoren zum Einsatz
- 1983: Auf dem Genfer Salon debütiert die XJ-Limousine als Serie XJ40 mit 6,0-Liter-V12
- 1985: Das XJ-S Cabriolet ist als V12 bestellbar
- 1991: Eine Replikaserie des Jagdflugzeugs Spitfire wird vom 257 kW/350 PS starken V12 angetrieben
- 1994: Auf dem Pariser Salon feiert der neue Jaguar XJ und Daimler der Serie X300 mit 6,0-Liter-V12 Weltpremiere. Mit kurzem Radstand ist die Serie X300 nur noch auf Sonderwunsch erhältlich
- 1997: Am 17. April läuft das letzte V12-Triebwerk vom Band

Quelle: ntv.de, sp-x

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