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Automarkt Indien Mobilität für Millionen

Suzuki hat etwas, was Volkswagen und viele andere gerne hätten: Mehr als 54 Prozent Anteil an einem Automarkt, der nur eine Richtung kennt - nach oben. Indien gilt vielen Pkw-Herstellern neben China und Russland als Absatzgebiet mit einer großen Zukunft. Einer Bevölkerung von 1,1 Milliarden Menschen steht zwar derzeit nur ein Verkauf von etwa 1,5 Millionen Autos jährlich gegenüber, mit wachsendem Wohlstand dürfte sich dieses Verhältnis aber rasch ändern. Um 17 Prozent ist der Absatz von Personenwagen zuletzt jährlich gewachsen - Traumwerte aus europäischer Sicht.

Der japanische Auto-, Motorrad und Bootsmotorenhersteller Suzuki ist seit 1982 in dem Subkontinent präsent. Damals wurde die spätere Maruti Suzuki India Ltd. als Joint Venture gegründet, der indische Staat hielt seinerzeit 74 Prozent an dem Unternehmen. 2002 übernahm Suzuki die Mehrheit. Die erste Fertigungsstätte eröffnete das Unternehmen in Gurgaon, seit 2006 ist auch das Werk in Manesar in Betrieb. Beide Werke liegen in der Nähe von Neu Dehli, allein in Manesar werden bald 300.000 Autos produziert - auch für den deutschen Markt.

Der Suzuki Alto soll im Frühjahr 2009 das Kleinstwagen-Segment in der Bundesrepublik und einer Reihe anderer europäischer Märkte bereichern. Außer mit Nissan - die den fast baugleichen Pixo ins Rennen um die Gunst der Kunden schicken - hat Suzuki bekanntlich noch eine Reihe weiterer strategischer Partnerschaften geschmiedet. Unter anderem mit Opel (Modelle Agila und Splash) sowie Fiat (Modelle Sedici und SX4). Solche Allianzen senken die Entwicklungskosten, was sich beispielsweise auch der französische PSA-Konzern und Toyota bei einem gemeinsamen Kleinwagenprojekt zunutze machten.

Hyundai mit 18 Prozent Marktanteil

Als unangefochtener Marktführer in Indien hat die Suzuki-Unternehmenspolitik zunächst ein Ziel: Verteidigung des Status quo. Der Zweitplatzierte in der Verkaufsstatistik, der Hyundai-Konzern, kann mit rund 18 Prozent gerade mal ein Drittel des Suzuki-Wertes aufbieten. Doch für K.D. Singh, Sprecher von Maruti Suzuki, ist nicht der koreanische Konzern der Gegner, der in Schach zu halten ist. "Hyundai ist nicht das Problem", sagt er überzeugt, "Volkswagen, Nissan, Toyota und andere sind die Firmen, auf die wir Acht geben müssen".

Noch ist der Anteil der indischen Bevölkerung, die sich ein derartiges Fabrikat leisten können, gering. Etwa fünf Prozent der Haushalte verfügen über ein Jahreseinkommen für bis zu 500.000 Rupien, das sind umgerechnet etwa 10.000 Euro. Prognosen sagen, dass dieser Anteil im Zuge des anhaltenden Wirtschaftswachstums in den nächsten sieben Jahren auf etwa 22 Prozent anwachsen wird. Das wären weit mehr als 20 Millionen potenzieller Kunden, die jeder Hersteller gern für sich gewinnen würde. "Bisher", so die Einschätzung Singhs, "nehmen vier Fünftel der Inder am wirtschaftlichen Aufschwung des Landes nicht teil".

Halbe Milliarde Menschen unter 21

Wie groß das Verlangen der Inder nach Mobilität ist, zeigt nicht nur das tägliche Chaos auf den Straßen der Hauptstadt Dehli, sondern auch die Tatsache, dass allein dort rund 39 Millionen Kraftfahrzeuge registriert sind - bei 11,4 Millionen offiziellen Einwohnern. Die hohe Zahl wird vor allem von Zweirädern jeglicher Art verursacht. Aber auch Klein- und Kleinstwagen sind in erheblicher Menge vorhanden, auf ganz Indien gerechnet machen sie rund 70 Prozent des Marktes aus. Zum Vergleich: Die vom Kraftfahrtbundesamt als "Minis" geführten Fahrzeuge des so genannten A-Segmentes stellten 2007 einen Anteil von 6,5 Prozent der Gesamtzulassungen dar. Dass zurzeit rund eine halbe Milliarde Menschen in Indien unter 21 Jahre alt sind, lässt nicht auf ein baldiges Nachlassen der Mobilitätsbedürfnisse schließen.


Die Aussicht auf gute Geschäfte treibt natürlich auch europäische Hersteller gen Indien. Nicht nur die riesigen Absatzchancen locken, auch die geringen Produktionskosten. Am Suzuki-Band verdient ein Arbeiter rund 10.000 Rupien im Monat, das sind etwa 200 Euro. In Aurangabad betreibt Skoda ein Montagewerk, das stufenweise durch ein Presswerk und eine Lackerei ergänzt werden soll. Von den dort produzierten Modellen Fabia, Octavia und Superb ist der Fabia mit 2007 in Indien ausgelieferten 12170 Einheiten der Bestseller im Binnenmarkt. Dieses Jahr will Skoda 25000 schaffen. Nebenan ist kürzlich eine kleine Schar von 50 Beschäftigten eingezogen, die dort 500 Audis der Modellreihe A4 jährlich zusammenschrauben soll. Bei den besser verdienenden Indern ist aber Mercedes bislang der angesagteste Hersteller.

Eigenes Mercedes-Werk in 2009

Bei den Luxusautos, so die offizielle Auskunft des Daimler-Konzerns, hält die Marke mit dem Stern 80 Prozent Marktanteil in Indien. Wie der Wohlstand wächst, ist daran zu erkennen dass Mercedes im ersten Halbjahr 2008 gegenüber dem Vergleichszeitraum 2007 um mehr als zwei Drittel zulegte. Freilich sind die absoluten Zahlen gering: 2400 Einheiten der C- und E-Klasse wurden voriges Jahr verkauft. 2009 will Mercedes, die derzeit noch in gemieteten Hallen montieren, ein eigenes Werk in Puna anfahren. Ziel ist es, 5000 Pkw pro Jahr zu bauen.

Über solche Größenordnungen kann man bei Suzuki nur milde lächeln. Das gegenwärtig rund 3300 Servicepunkte der Marke umfassenden Händler- und Werkstättennetz in Indien soll weiter ausgebaut werden. "Marken allein gelten in Indien nicht viel", sagt K.D. Singh, "verlässliche Produkte und Kundennähe sind den Indern wichtiger. Das muss eine Marke beweisen". Und damit der Wagen mit dem "S" am Kühler auch Erstkunden eine vertraute Größe ist, gibt es 39 Maruti Fahrschulen in Indien - 50 Prozent der Fahranfänger sind Frauen.

Quelle: ntv.de

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