Der "Bügel-Bolide" ist zurück Porsche Targa versöhnt die Gemeinde
05.04.2014, 17:08 Uhr
Der Bügel steht beim Targa immer, doch den Kopf umfleucht der Wind.
Wenn am 10. Mai der neue 911 Targa zu den Händlern kommt, sind die wahren Porsche-Fans wieder versöhnt. Ihr Bügel-Elfer, von dem sie sich 1994 verabschieden mussten, ist wieder da – zum saftigen Preis von mindestens 109.338 Euro.
Am Anfang stand eine Drohung: Der erste Porsche Targa verdankt seine Existenz der Ankündigung der damaligen US-Regierung, keine Cabrios ohne Überrollschutz mehr für den Straßenverkehr zuzulassen. In Zuffenhausen war man der Panik nahe. Der wichtigste Markt der Firma Porsche drohte einen wesentlichen Teil der geplanten schwäbischen Produktion auszusperren. Eilig wurde über Abhilfe nachgedacht und der 911 Targa konstruiert. Zur Internationalen Automobilausstellung in Frankfurt 1965 war das Auto fertig - doch das gefürchtete US-Gesetz trat nie in Kraft.
Vor Erscheinen des Targas machte die offene Version des Modells 356 etwa 17 Prozent am Baureihenvolumen aus. Der Targa brachte es in den 70er Jahren auf teilweise 40 Prozent, was erst wieder nachließ, als der Elfer noch ein "echtes Cabrio" zur Seite bekam. Über die nunmehr 50-jährige Laufzeit des 911ers gerechnet, haben die Targas etwa einen Anteil von einem Achtel ausgemacht. Obwohl weder die USA noch China als Märkte mit starker Targa-Affinität in Frage kommen, rechnet Porsche damit, dass der Wagen die früher erzielten Anteile am Baureihen-Volumen übertreffen kann. Inoffiziell ist von bis zu 15 Prozent die Rede.
Zwei Modelle – eine Bodengruppe

Anders als bei den Klassikern von 1965 wird bei der Neuauflage das Dachsegment auf Knopfdruck betätigt.
Aktuell spricht Baureihenchef August Achleitner von einer "Wiederbelebung des damaligen Konzepts", aber so ganz stimmt das natürlich nicht. Am ersten Targa konnte auch die Heckscheibe entfernt werden, so dass nur noch der Überrollbügel stehenblieb. Das geht bei der neuen Dachkonstruktion nicht. Das umlaufende Heckscheiben-Modul, für sich allein 15 Kilogramm schwer, kehrt nach Versenken des Dachmittelteils wieder in die Ruheposition zurück. Hydraulik, Verriegelung und das Material der Spriegel sind mit denen des Cabrios fast identisch. Auch die Bodengruppe teilen sich die beiden offenen Autos, um die nötige Karosserie-Steifigkeit zu gewährleisten.
Elektrisch betätigt gleitet das aus Panorama-Heckscheibe und Motorabdeckung bestehende Bauteil nach oben, während das Dachstück sanft hinter den rückwärtigen Notsitzen zur Ruhe kommt. Der Vorgang dauert 19 Sekunden und damit etwas länger als die Dachbewegung beim Cabrio. Die exakte Dauer dürfte für etwaige Kunden nicht so sehr von Bedeutung sein, schon eher der Umstand, dass der Targa zum Öffnen und Schließen im Stillstand sein muss, während das Cabrio den Vorgang bis zu einer Geschwindigkeit von 50 km/h erledigt. "Die bewegte Masse ist zu groß, als dass wir Heben und Senken während der Fahrt hätten zulassen können", erklärt Elfer-Chef Achleitner. Das hintere Dachstück ragt beim Umbau etwa 30 Zentimeter über den rückwärtigen Stoßfänger hinaus, verschiebt also die Gewichtsverteilung auf die Achsen erheblich. Wenn Öffnen oder Schließen mittels Schalter an der Mittelkonsole ausgelöst werden, scannt der Parkassistent den Raum hinter dem Porsche und unterbricht den Vorgang, wenn nicht genügend Platz für das ausladende Dachmodul vorhanden ist.
Insgesamt ist der Targa laut Achleitner rund 40 Kilogramm schwerer als das vergleichbare Cabriolet und wiegt 110 Kilogramm mehr als das Coupé. Hergestellt wird das in Weissach entwickelte Targadach von dem finnischen Zulieferer Valmet, der in Osnabrück die ehemalige Karmann-Fertigung übernommen und sich bereits bei der Boxster-Produktion als Porsche-Partner bewährt hat. Der neueste Targa wird ausschließlich als Allradversion angeboten und spricht Kunden an, die "den Spaß eines Cabriolets und die Sicherheit eines Coupés suchen", meint August Achleitner.
Ein Herz für Raucher
Die Chance, sich bei schneller Fahrt die Frisur zu ruinieren, ist nicht ganz billig: Mindestens 109.338 Euro sind aufzubringen, dafür bekommt man den Targa 4 mit 350 PS. Das "S"-Modell bietet noch einmal 50 PS mehr und kostet ohne Sonderausstattungen - die bekanntlich bei Porsche in reicher Anzahl bestellbar sind - 124.094 Euro. Ein Herz für Raucher beweist der Hersteller mit der aufpreisfreien Lieferung eines Aschenbechers und eines Zigarettenanzünders anstelle einer offenen Ablage in der Mittelkonsole vorne. Zusätzlich bekommen die Targa-Käufer noch etwas, was es weder für Coupé- noch für Cabriofahrer gibt: An der Innenseite des Frontscheibenrahmens ist ein beweglicher Windabweiser montiert, der auf die speziellen Fahrtwind- und Strömungs-Verhältnisse des oberen Karosserieteils Einfluss nimmt. Er soll das berüchtigte Wummern verhindern, was auch Limousinenfahrer kennen, wenn sie zum Beispiel bei einem bestimmten Tempo die hinteren Seitenscheiben öffnen.
Das Mehrgewicht des Targas gegenüber dem Coupé ist im Fahrbetrieb nur für den spürbar, dem es auf dem Rundkurs auf jedes Zehntel ankommt. Knapp über fünf Sekunden braucht die 350-PS-Version mit Handschaltung für den Spurt von Null auf Hundert, mit 4,6 Sekunden ist die "S"-Version mit PDK-Getriebe am muntersten. Zwischen 280 und 294 km/h liegen die offiziellen Höchstgeschwindigkeiten der verschiedenen Versionen. Wer unbedingt die "300" auf dem Tacho sehen möchte, dem kann Porsche auch helfen. Eine leistungsgesteigerte Variante bietet diesen Wert, weil durch modifizierte Zylinderköpfe und Nockenwellen sowie eine Resonanzsauganlage 430 PS generiert werden können. Mit 13.804 Euro extra lässt sich Zuffenhausener Sportwagenschmiede dieses Leistungsplus fürstlich vergüten.
Frei von Überraschungen kann man die Probefahrt genießen. Subjektiv ist der Targa – vor allem die S-Version - genauso bissig und spontan wie jeder andere Elfer, lässt sich unkompliziert und präzise auch bei hohem Tempo Richtung Kurvenausgang dirigieren und erfreut seine Insassen mit querdynamischen Qualitäten, an denen andere Sportwagen-Hersteller seit Jahren erfolglos herum entwickeln. Ein Elfer bleibt nun mal ein Elfer, gleichgültig, ob er Carrera, Cabrio oder Targa heißt.
Dass die um 9,5 Liter gemittelten Verbrauchswerte beim Auskosten dieser Qualitäten ebenso schnell wie deutlich in den zweistelligen Bereich kippen können, muss billigend in Kauf genommen werden.
Quelle: ntv.de