Fahrbericht: VW Passat Rückenwind in siebter Generation
13.10.2010, 11:34 Uhr
Der Neue rollt an: Volkswagen hat seinen Mittelklasse-Bestseller Passat grundüberholt. Optisch zeigt er sich vor allem von vorne anders.
(Foto: Markus Mechnich)
Volkswagen hat den Passat neu aufgelegt. Ein weiterer Klassenprimus aus Wolfsburg im neuen Gewande. Doch die optischen Änderungen sind eher oberflächlich. Weitaus mehr hat sich unter dem Blechkleid getan.
Drei Modelle gibt es bei Volkswagen, die schlicht unantastbar sind. Das magische Dreigestirn, das die Wolfsburger Kassen klingeln lässt, heißt Polo, Golf und Passat. Schon an den Namen ist erkennbar, dass sie aus einer anderen Zeit stammen. Aber Umbenennung ist schlicht unmöglich, weil sie mittlerweile Eigenbegriffe geworden sind. Polo und Golf wurden in den vergangenen drei Jahren bereits überarbeitet auf den Markt gebracht. Nun ist der Passat dran. Und wieder war VW sehr behutsam, besteht aber darauf, ein neues Auto auf den Markt zu bringen.

Schon in der siebten Generation zeigt sich der Wolfsburger. VW hat den Passat vor allem technisch aufgerüstet.
(Foto: Markus Mechnich)
Wenn man sich die Scheinwerfer wegdenkt, dann ist vom Heck aus betrachtet schon schwer erkennbar, was am Passat eigentlich neu ist. Vorsicht ist die Mutter aller Verkaufserfolge, haben sich die Wolfsburger wohl gedacht. Schließlich hat der Passat in seiner 37-jährigen Karriere schon 15 Millionen Kunden gewinnen können. Diese Erfolgsgeschichte soll auch die jetzt neue siebte Generation fortsetzen. Und da will man offenbar lieber nicht zu viel riskieren.
Sprung in die Moderne
Auffällig ist das Familiengesicht, das vom Golf aus die VW-Modellpalette erobert und nun auch den Wolfsburger Mittelklassebeitrag ziert. Chefdesigner Walter da Silvas Sinn fürs Konforme, den er schon bei Audi auslebte, prägt auch das Gesicht des neuen Passat. Zweiteilung des Grills, konisch zulaufende Scheinwerfer und unten seitlich sitzende Nebelleuchten – das ist bekannt und bewährt vom Golf.

Dieses Mal kommt der Kombi gleich mit: Die Limousine kostet mindestens 24.425 Euro, der Kombi 25.425 Euro.
(Foto: Markus Mechnich)
Aber der erste Blick macht auch klar, dass der Passat mit der Überarbeitung optisch deutlich attraktiver geworden ist. Vor uns steht ein modernes Auto. Die leicht veränderten Seitenlinien verleihen dem Auto mehr Dynamik und die LED-Rückleuchten und Tagfahrlichter sind schick und zeitgemäß. Dennoch ist der neue Passat keine Revolution geworden. Dafür ist er dem Vorgänger doch zu ähnlich. Das Gros der Weiterentwicklung steckt unter der Haube.
Vielzahl von Assistenten
Und da wäre zunächst die Vielzahl der Assistenzsysteme zu nennen. Es gibt nun eine Müdigkeitserkennung für lange Autobahnfahrten, den aus dem Sharan bereits bekannten, aktiven Parkassistenten oder einen Spurwechselassistenten. Neu ist eine dem CitySafety von Volvo ähnliche Notbremsfunktion für Hindernisse in der Stadt. Eine intelligente Lichtsteuerung bringt mehr Helligkeit auf die Straße und nun bietet Volkswagen auch eine Verkehrszeichenerkennung an. Wird das ganze Paket bestellt, dann rückt der Passat tatsächlich in die Nähe von Oberklasse-Limousinen. Wahrscheinlich aber auch beim Preis.

Der Innenraum wurde stark modifiziert. Was nach Aluminium aussieht ist zwar Plastik, dafür aber gut gemacht.
(Foto: Markus Mechnich)
Das Interieur hat VW erkennbar überarbeitet. Die Instrumente informieren den Fahrer in neuem Look und auch die Mittelkonsole hat eine Aufwertung erfahren. An den üppigen Platzverhältnissen hat sich nichts geändert. Vorne gibt es reichlich Raum, auch in der Breite, und hinten geht es ebenfalls geräumig zu. Der Variant bietet 603 Liter Ladevolumen im Normalzustand und 1731 Liter bei umgeklappter Rückbank. Die Limousine hat ein Kofferraumvolumen von 565 Litern. Daran wird sich die Konkurrenz auch künftig messen lassen müssen. Allerdings gibt es Autos, die heute schon mehr bieten. Sogar aus dem eigenen Konzern, wie Skoda beweist.
Breites Angebot an Motoren
Beim Motorenangebot hat sich nichts Grundsätzliches geändert. Vier Diesel in drei Leistungsstufen gibt es. Der kleinste hat 1,6 Liter Hubraum, 105 PS und soll sich mit 4,2 Litern Kraftstoff zufriedengeben. Dieser beachtliche Wert wird durch das bei den Dieselmotoren serienmäßige Start-Stopp-System erreicht. Der Spitzen-Selbstzünder leistet mit seinen zwei Litern Hubraum 170 PS und konsumiert 5,6 Liter auf 100 Kilometern. Die Saubermannrolle übernimmt der Blue-TDI mit 140 PS und Abgasreinigung durch Additive. Damit erfüllt der Motor bereits die Euro-Norm 6 und begnügt sich mit 4,6 Litern.

Im Innenraum gibt es reichlich Platz, sowohl vorne als auch auf der Rückbank.
(Foto: Markus Mechnich)
Den Einstieg bei den Benzinern stellt ein 1,4-Liter-Motor mit 122 PS dar. Während diese erste Ausbaustufe des aus dem Golf bekannten Antriebs mit 5,9 Litern Sprit auf 100 Kilometern auskommt, genehmigt sich die 160-PS-Version sieben Liter. Das ist erstaunlicherweise etwas mehr als der 1,8-Liter-Benziner mit gleicher Leistung und einem Verbrauch von 6,9 Litern. Nur knapp darüber liegt der mit 211 PS deutlich stärkere Zwei-Liter-TSI, der 7,2 Liter braucht und mit 280 Newtonmetern das höchste Drehmoment auf die Kurbelwelle los lässt. Der wird nur noch getoppt vom V6 mit 300 PS und 350 Newtonmeter als Spitzenmotor mit serienmäßigem Allradantrieb. Das Angebot wird mit zwei Erdgasmodellen abgerundet. Die Limousine gibt es ab 24.425 Euro, der Kombi, genannt Variant, kostet mindestens 25.425 Euro.
Gewöhnungsbedürftiges Start-Stopp-System
Für erste Probefahrten stand uns der Zwei-Liter-Diesel mit 170 PS zur Verfügung. Trotz der verbesserten Geräuschdämmung erwies er sich nicht unbedingt als Leisetreter. Im unteren Drehzahlbereich knurrte er lautstark, brachte dafür aber solide seine Leistung. Mit den 1646 Kilogramm Gewicht ist er aber auch kein großer Sportsmann. Die Sitze bieten relativ wenig Seitenhalt bei flotter Kurvenfahrt. Gerade diese macht aber dank des souveränen Fahrwerks durchaus Spaß, auch wenn der Passat verhältnbismäßig weich aufgehängt ist. Das Start-Stopp-System zeigt in Kombination mit dem Diesel eine gewöhnungsbedürftige Verzögerung beim Anlassen an der Ampel, was den Komfort doch etwas einschränkt.

Die Limousine weist eine sehr gefällige Grundform auf. Die Kundschaft wird aber weitaus öfter zum Kombi greifen.
(Foto: Markus Mechnich)
In der Summe ist der Passat dennoch ein rundes Auto geworden. VW hat mit viel Technik das Modell ins Jahr 2010 befördert. Fraglich nur, wie viel die Kunden davon auch wirklich bestellen. Das Gros dürfte doch eher ohne die ganzen Nettigkeiten vom Händlerhof rollen. Schön, dass VW gleich den so wichtigen Kombi mit auf den Markt bringt, aber schade, dass das Heck dieses Autos optisch so uninspiriert wirkt. Der Golf lässt grüßen, denn auch dessen Kombiheck ist eher dröge. Zeitgemäß ist die Palette der zumeist verbrauchsgünstigen Motoren.
Kein laues Lüftchen
Auch der neue Passat weiß mit hohem Nutzwert und vielen praktischen Kleinigkeiten zu überzeugen. Genial ist zum Beispiel die Idee, nur mit einer gezielten Fußbewegung ohne Zuhilfenahme der Hände den Kofferraum öffnen zu können. In diese Kategorie fallen auch die hohe Zuladung von beispielsweise 645 Kilogramm (2.0 TDI mit 140 PS) und die Option, gebremste Hänger bis 1800 Kilogramm ziehen zu können. Schade, dass die großen, leistungsstärkeren Benziner kein Start-Stopp-System mitbekommen haben. Technisch sollte das eigentlich kein Problem sein.
Die Neuauflage des Passat wird die Erfolgsgeschichte des Modells wahrscheinlich fortsetzen können. Einerseits, weil das Auto technisch und jetzt auch optisch auf der Höhe der Zeit ist. Selbst wenn das Design sicher nicht atemberaubend zu nennen ist. Andererseits, weil es einfach der Passat ist, der in seiner Klasse schlicht die Maßstäbe setzt. Und ein Passat ist kein laues Lüftchen, sondern ein starker Wind, der dort, wo er weht, die Richtung vorgibt. Dazu ist auch die siebte Generation in der Lage.
Quelle: ntv.de