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Verkehrsinfarkt in Tel Aviv Sonderspur soll Staus vermeiden

Auf der "Fast Lane" schneller zur Arbeit.

Auf der "Fast Lane" schneller zur Arbeit.

(Foto: dpa)

Im Schritttempo zur Arbeit: Auch im Großraum Tel Aviv lässt das Pendler verzweifeln. Eine kostenpflichtige Schnellspur soll wieder für freie Fahrt sorgen. Die Höhe der Maut ist dabei flexibel: Stockt der Verkehr, steigt der Preis für die freie Sonderfahrspur. Autofahrer können dann entscheiden, ob ihnen die Zeitersparnis das Geld wert ist.

Die Blechkolonne in Richtung Tel Aviv ist schon wieder ins Stocken geraten, als Zvi Eli endgültig die Nase voll hat. 40 Minuten braucht der Pendler von seinem Wohnort Beit Dagan ins zehn Kilometer entfernte Büro am Mittelmeer. Zvi Eli steht vor der Registrierungsstelle der "Fast Lane", der nach Angaben der Betreiber weltweit ersten Sonderfahrspur mit flexiblem Preissystem. "Wenn ich Glück habe, schaffe ich es bald in 15 Minuten auf die Arbeit", sagt der Pendler.

So wie Zvi Levi nutzen seit Anfang Januar täglich 6000 Autofahrer die 13 Kilometer lange Sonderfahrspur in Richtung Tel Aviv. Sie beginnt in unmittelbarer Nähe des internationalen Flughafens Ben Gurion. Nach Schätzungen von Verkehrsexperten rollen bis zu 800.000 Autos und Lastwagen jeden Tag in die Metropole. Davon stehen 200.000 Pendler während der Hauptverkehrszeit regelmäßig im Stau.

Gebühren dynamisch ermitteln

Eine eigenen Angaben zufolge weltweit einmalige Technologie von Siemens soll Abhilfe schaffen. "Unser System ermittelt je nach Verkehrssituation dynamisch die Gebühren", sagt der Siemens-Projektmanager für die Tel Aviver Verkehrssteuerung, Klaus Overkamp. Stockt der Verkehr, steigt der Preis für die freie Sonderfahrspur. Mindestens 70 Kilometer pro Stunde garantiert der Betreiber dort.

Zwischen sechs Schekel (1,20 Euro) und 75 Schekel (15 Euro) darf eine Fahrt auf der "Fast Lane" laut Gesetz kosten. Im Durchschnitt müssten Autofahrer 20 Schekel (4 Euro) berappen, teilt der Betreiber "Shapir" mit. Jeden Tag können Autofahrer aufs Neue entscheiden, ob ihnen die Zeitersparnis das Geld wert ist.

Ausgeklügeltes System von Siemens

Leere Straßen - das erlebt man selten in Metropolen wie Tel Aviv.

Leere Straßen - das erlebt man selten in Metropolen wie Tel Aviv.

(Foto: dpa)

Siemens hat ähnliche Mautprojekte in London und Seattle (US-Bundesstaat Washington) eingeführt. Detektoren im Asphalt der kostenlosen Hauptstrecke messen in Echtzeit Geschwindigkeit und Anzahl der Autos. Das Besondere in Tel Aviv: Ein Siemens-Algorithmus errechnet minutengenau den Preis für die Sonderspur. "Mit unserer Technologie kann der Betreiber den Verkehr im Fluss halten und Staus vermeiden", sagt Overkamp. Weniger Stau bedeute weniger Benzinverbrauch und damit auch eine geringere Luftverschmutzung.

Wer sich registriert hat, kann ohne anzuhalten auf die "Fast Lane" einbiegen. Kameras erfassen jedes Nummernschild. Per Anzeigetafel wissen Autofahrer, wie viel sie für die "Fast Lane" bezahlen müssen. Am Ende des Monats kommt die Rechnung.

Gratis Shuttle-Busse

Die Idee der Tel Aviver "Fast Lane" reicht noch weiter: Die Betreiber wollen Pendler dazu bewegen, ihr Auto stehen zu lassen. Shuttle-Busse bringen Passagiere jederzeit vom Großraumparkplatz am Anfang der Schnellspur ins Zentrum von Tel Aviv und wieder zurück - gratis. "Wir finanzieren diesen Service aus der Maut", sagt ein "Shapir"-Mitarbeiter. Autos mit mehr als drei Insassen dürfen kostenlos die "Fast Lane" nutzen.

Bisher ist nur ein kleiner Teil der Tel Aviver Pendler von den Vorzügen des Shuttle-Services überzeugt. "Das kostenlose Angebot wird nicht viel helfen", sagt ein Familienvater aus Schoham und zeigt auf einen Großraumparkplatz. Noch steht er fast leer. Der Betreiber der "Fast Lane", Rudi Almog, sagt in einem Zeitungsinterview: "Für Israelis ist es schwierig, sich von ihren Autos zu trennen".

Sonderfahrspur bald auch in Deutschland?

Die Kosten der Tel Aviver "Fast Lane" belaufen sich auf 500 Millionen Schekel (100 Millionen Euro). Allein das Siemens-System kostet nach Angaben von "Shapir Engineering" 120 Millionen Schekel. "Shapir" darf die Sonderspur zunächst für 27 Jahre betreiben.

Ist das Tel Aviver Pilotprojekt erfolgreich, könnten vielleicht auch deutsche Autobahnen bald eine Sonderspur bekommen. "Gerade in Metropolen und auf viel befahrenen Zubringerstraßen kann eine kostenpflichtige Sonderspur den Verkehr im Fluss halten", sagt Siemens-Projektmanager Overkamp.

Quelle: ntv.de, Hannes Vollmuth, dpa

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