Unfallursache Nummer eins Tempo falsch eingeschätzt
28.04.2008, 14:06 UhrDie Zahl der Verkehrsunfälle ist zwar zurückgegangen - von rund 78.700 im Jahr 2003 auf 64.700 im Jahr 2006. Doch die Unfallzahlen sinken allgemein und so wird auch bei anderen Ursachen ein Rückgang verzeichnet. Das Tempo-Problem gilt weiter als Unfallursache Nummer eins. Mit 59.700 Fällen folgten Vorfahrtfehler 2006 auf dem zweiten Platz vor Fehlern beim Abstandhalten (47.100).
Für das falsche Tempo in der jeweiligen Situation gibt es zahlreiche Gründe. Ein Klassiker: "Man hat es eilig, will schneller ans Ziel kommen", sagt Klaus Brandenstein, Sprecher der Unfallforschung der Versicherer in Berlin.
Fahrgefühl trügt
Problematisch wird dies in Verbindung mit den aktuellen Fahrzeugkonstruktionen. "Es gibt auch technische Gründe, dass das Tempo heute nicht mehr so empfunden wird wie früher", sagt Unfallforscher Hartmuth Wolff vom Allianz Zentrum für Technik (AZT) in München. Das gilt unter anderem für die großen Fortschritte bei der Geräuschdämmung und dem Komfort im Allgemeinen. "In einer S-Klasse denkt man heute bei Tempo 100, dass man steht. In einer alten Ente hatte man bei solchen Geschwindigkeiten das Gefühl, man würde gleich die Schallmauer durchbrechen", bestätigt Klaus Brandenstein.
Damit verbunden ist auch ein trügerisches Gefühl von Sicherheit - das durch das Wissen um technische Helfer wie ABS oder ESP, Spurhalteassistent oder Abstandswarner noch verstärkt wird. Doch dieser Fortschritt ist kein Freifahrtschein zum Gasgeben: "Es darf nicht so weit kommen, dass der Fahrer sich nur noch in der Lenker-Rolle sieht. Es kann tödlich sein, sich allein auf die Technik zu verlassen", warnt Bastian Roet, Verkehrssoziologe des Automobilclubs von Deutschland (AvD) in Frankfurt/Main.
Auf Umstände reagieren
Bleibt die Frage, welche Geschwindigkeit eine angepasste ist. Eine pauschale Antwort darauf gibt es nach Meinung der Experten nicht. Vielmehr ist der Autofahrer gefordert, sich mit seinem Umfeld zu beschäftigen und auf die jeweiligen Situationen einzustellen. "Man muss Situationen unterwegs fortwährend prüfen und seine Geschwindigkeit dann darauf einstellen", so Roet. Wer bei Sonnenschein flott losfährt, muss womöglich unterwegs wegen eines Regenschauers vom Gas gehen. Wer nach flotter Autobahnfahrt auf die Landstraße abbiegt, sollte sein Tempo so verringern, dass er auch dann noch stoppen kann, wenn aus einer Seitenstraße ein Auto kommt.
Der Tritt aufs Gaspedal hat auch damit zu tun, dass der Fahrer meint, dass ein höheres Tempo ohne große Gefahren machbar ist. "Es gibt nur wenige Menschen, die bewusst durch hohes Tempo im Straßenverkehr das Risiko suchen", sagt Bastian Roet. "In der Regel fährt niemand schneller, als er sich sicher fühlt."
Quelle: ntv.de