X6: BMWs neues SUV Der Chefdynamiker
23.04.2008, 18:19 UhrNur zu gern holen die Autohersteller ganz weit aus, wenn es darum geht, das aktuelle Produkt zu preisen: Ein "ganz neues Fahrzeugsegment sei hier eröffnet worden, heißt es dann. So auch beim BMW X6. Zugegeben, die Idee, ein geländegängiges Allradfahrzeug mit dem flachen Aufbau eines Coupés zu versehen, ist originell, aber nicht wirklich neu.
So versuchte bereits der koreanische Hersteller Ssang Yong im vergangenen Jahr, die Deutschen für ein derartiges Gefährt zu erwärmen. Das Unterfangen scheiterte, das Modell Actyon wurde nur 151 Mal neu zugelassen und angesichts fortgesetzten Misserfolgs verlor der Importeur gänzlich die Lust, die Marke hierzulande weiter anzubieten.
Dieses Schicksal wird dem BMW X6 ganz sicher erspart bleiben, denn das Auto sieht nicht nur viel besser aus, sondern beeindruckt seine Fahrer auch mit einer innovativen Allradtechnik. Das von BMW Dynamic Performance Control (DPC) genannte System tut zur Stabilisierung des Fahrzeugs vereinfacht gesagt genau das Gegenteil von dem, was ein Elektronisches Stabilitäts-Programm (ESP) tut. Während die herkömmliche Schleuderbremse einzelne Räder gezielt abbremsen kann, um ein Ausbrechen zu verhindern, kann DPC mehr Drehmoment wahlweise auf das rechte oder linke Hinterrad leiten.
Regenslalom verliert den Schrecken
Bekanntlich misst die Bordsensorik permanent Haftung und Schlupf der Reifen, Vorwärts- und Querbeschleunigung und errechnet aus den Werten nötige Eingriffe der Assistenzsysteme. Das ohnehin vorhandene Datenmaterial hat BMW dazu genutzt, ein zusätzliches Doppelplanetengetriebe zu aktivieren. Unabhängig vom Lastzustand des Motors, also sowohl im Zug- als auch im Schiebebetrieb, erfolgt eine eigenständige Drehmomentverteilung auf die Räder der Hinterachse und hilft so dem Fahrer, das 2,2 Tonnen schwere Gefährt dahin zu bewegen, wohin er es haben will.
Um die Wirkung der Neuentwicklung eindrucksvoll zu belegen, hatte BMW eigens einen bewässerbaren Testparcours des Reifenherstellers Michelin gemietet. Der Slalomkurs auf "regennassem Asphalt wurde so zur verblüffenden Demonstration genügsamer Fahrstabilität. DPC ist allerdings kein Freifahrtschein für Hasardeure. Der Grenzbereich ist wie je äußerst schmal und wer die Grenzen der Physik austesten will, wird schnell in die eigenen Schranken verwiesen.
Eher dem Unterhaltungssektor zuzurechnen ist das zusätzliche Display, das den Fahrer über die Arbeit der DPC informieren soll. Wer mit dem neuen Chefdynamiker im Allradring aufgestellte Hütchen anvisiert und elegant umkurven will, hat ebenso wie der Fahrer auf schneebedeckter Piste selten Zeit, die Drehmomentverteilung an der Hinterachse anhand von Leuchtbalken nachzuvollziehen.
V8-Topmodell mit Doppelturbo
Bis auf weiteres bleibt DPC eine exklusive Ausstattung des Modells X6. Da das Geländecoupé aber über den Status einen Nischenmodells nie hinauskommen wird, ist damit zu rechnen, dass dieses System in der nächsten X5-Generation ebenfalls angeboten wird. Nur so ließe sich der gesteigerte technische Aufwand in kaufmännisch vernünftigen Stückzahlen produzieren. Beide Modelle werden im BMW-Werk in Bundesstaat South Carolina gefertigt, denn die USA dürften bis auf weiteres der Hauptabsatzmarkt solcher Fahrzeuge bleiben. Allein vom X5 konnte BMW 2007 in den Vereinigten Staaten 35.200 Stück absetzen, mehr als doppelt so viel wie in Deutschland.
Neu am X6 sind nicht nur Karosserieform und Allradantrieb, sondern auch das Motorenangebot, das ausschließlich auf Turboaggregate setzt. Zwischen drei und 4,5 Litern Hubraum sind zwei Otto -und zwei Dieselmotoren verfügbar, wobei das Topmodell erstmals einen V8 mit doppelter Turboaufladung kombiniert. Zwischen 1750 und 4500 Umdrehungen kommen so 407 PS zustande, genau 19 mehr, als das derzeitige X5-Spitzenmodell locker machen kann.
Das führt zu überzeugenden Fahrleistungen: 5,4 Sekunden von Null auf Hundert ist ein Wert, der vielen zur Ehre gereichen würden, die sich Sportwagen nennen. Auch der mit „nur 286 PS ausgestattete, drei Liter große Twinturbo-Diesel verfügt mit 580 Newtonmetern über ein nur geringfügig kleineren Drehmoment als der V8-Benziner. Entsprechend schubgewaltig geht das Auto zu Werke und produziert dabei auch noch einen respektablen Verbrennungssound. Mit einem etwas geringeren Federwiderstand des Gaspedals ließe sich die Kraft noch feiner dosieren und noch vergnüglicher fahren. Geschmeidig schaltet das automatische Sechsgang-Getriebe, das mittels Lenkrad-Paddel auch manuell bedient werden kann.
Viel Laderaum hinter hoher Kante
Gar nicht so schlecht, wie es eine derart wuchtige Karosserie vermuten lässt, ist der Luftwiderstandsbeiwert des X6. Mit 0,33 liegt er beispielsweise deutlich unter dem eines Opel GT. Der Verbrauch des Präsentationsfahrzeugs erfüllte jedoch nicht die Erwartungen. Während im EU-Normtest 8,3 Liter Diesel im Mittel errechnet wurden, genehmigte sich das gefahrene Modell trotz der vom US-Tempolimit eingeforderten zurückhaltenden Fahrweise satte drei Liter mehr.
Coupés werden ihrer Form wegen gekauft und nicht, weil sie so praktisch sind. Diese Tatsache gilt auch für den X6, dessen Nutzer sich mit den gleichen Eigenheiten arrangieren müssen, wie die Fahrer anderer Flachdach-Produkte. Zwar hat der Kofferraum mit 570 Litern die Dimension einer Oberklasse-Limousine, ist jedoch wegen der fast 90 Zentimeter hohen Ladekante mit schweren Lasten nur mühsam zu befüllen. In dem wuchtigen Heck - die Abrisskante befindet sich in rund 1,3 Metern Höhe - liegt noch ein zweiter Schwachpunkt verborgen. Die kleine, stark geneigte Heckscheibe erlaubt dem manövrierwilligen Fahrer nur wenig Sicht nach hinten.
Um dem zu entgehen, empfiehlt sich die Anschaffung einer Heckkamera. Wenn das Auto ab 31. Mai bei Händler steht, schreibt der diese Sonderausstattung für 520 Euro gern mit auf den Bestellschein.
Quelle: ntv.de