Das Auto für Bauchmenschen Der Chevrolet HHR
14.04.2008, 16:07 UhrDer Mann mag es rundlich. Sanfte Wölbungen beflügeln seine Phantasie, das könnte Bryan Nesbitt wohl kaum abstreiten. Und er braucht dieser Vorliebe nicht einmal in seinem Privatleben nachzugehen, er lebt sie beruflich aus. Nesbitt ist Autodesigner und die bauchigen Kotflügel, die prägend für die Autos der späten vierziger Jahre des vorigen Jahrhunderts waren, scheinen ihn zu faszinieren.
Chryslers PT Cruiser ist ein Vertreter dieses Retro-Designs, Nesbitt hat wesentlich daran mitgeholfen, ihn auf die Straße zu bringen. Seit der Markteinführung in Deustchland hat das Auto hierzulande rund 38.000 Käufer gefunden. Heute steht Brian Nesbitt im Sold von General Motors und jetzt ist in Deutschland das zweite Produkt des Nostalgikers auf den Markt gekommen: Der Chevrolet HHR.
Das Kürzel steht für "Heritage High Roof", was sich etwa mit "Hoch-Dach-Erbe" übersetzen ließe. Geerbt hat das Auto zweifellos, und zwar die knuffige Form vom 1949er Chevy Suburban, von Hochdach im eigentlichen Sinne kann aber nicht die Rede sein, denn die Dachreling eines Golf Plus ragt höher hinaus. Doch dieser Befund ist bei weitem nicht die einzige Widersprüchlichkeit an diesem Fünftürer.
Traditionelle Antriebstechnik
So unkonventionell das Design, so traditionell ist die Antriebstechnik: 2,4 Liter Hubraum verteilt auf vier Zylinder, zur Wahl stehen Fünfgang-Schaltung oder Viergang-Automatik, die 1200 Euro extra kostet. Der verchromte Schaltknauf zwischen den Sitzen sieht zwar gefällig aus, aber das Rühren in einer wabbeligen Schaltkulisse ist mühsam und der Hebel sitzt unergonomisch weit hinten. Bei der Bremsanlage hat Chevrolet die Nostalgie etwas übertrieben, Trommelbremsen gehören ins Museum und nicht an einen Pkw aus dem 21. Jahrhundert.
Das Lenkrad ist in der Höhe verstellbar, für eine optimale Anpassung an die Sitzposition fehlt aber die Längsverstellbarkeit. Dass es der Lenkung an Direktheit fehlt, gehört ebenso zu den gewöhnungsbedürftigen Dingen wie der unübersichtliche Tachometer. Wahrscheinlich als Designgag der Instrumente gedacht, sitzt die Scheibe des Drehzahlmessers versetzt vor der Temposkala, wo folglich die Markierungen von Null bis 200 auf einem nur 120 Grad großen Kreissegment untergebracht werden müssen. Das mag originell sein, zur Ablesbarkeit trägt das aber nicht bei.
Ordentlich Platz auf den Rücksitzen
Die kargen Plastikoberflächen der Innenverkleidung sind noch verzeihlich, schade ist, das man vorn auf Getränkehalter ebenso verzichten muss wie auf eine vernünftige Leseleuchte, die zum Beispiel dem Beifahrer die Navigation per Karte erlaubt. Daran sollte denken, wer als Hersteller auf der Liste der Sonderausstattungen kein Navisystem anbieten kann. Auch eine Einparkhilfe ist nicht lieferbar. Angesichts der wulstigen Stoßfänger, die hinten 25 Zentimeter über die Heckscheibenfläche hinausragen, würde sie sich mancher wohl gerne leisten.
Auf den Rücksitzen finden auch Langbeinige bequemen Platz. Das gehört zu den Pluspunkten des Autos, das den Insassen auch eine angenehm erhöhte Sitzposition erlaubt. Sie böte wahrscheinlich gute Sicht aufs Verkehrsgeschehen, wenn nicht aus Gründen eines stimmigen Gesamtdesigns die Fenster so klein geraten wären. Den Kopf nach vorn gereckt versucht der Fahrer einen Blick auf den Beginn der Grünphase zu erhaschen, muss dabei aber noch an dem klobigen Innenspiegel vorbei gucken, der einen Teil des Sichtfeldes verdeckt. Immerhin ist er automatisch abblendbar und hat auch noch eine Kompassanzeige. 430 Liter Kofferraumvolumen ist guter Durchschnitt und reicht für die meisten Besorgungen. Unschön nur, dass jeder, der über 1,75 Meter groß ist und via Heckklappe be- oder entladen will, eine Beule am Kopf riskiert: Die hintere Tür öffnet einfach nicht weit genug.
Reichhaltige Serienausstattung
Da ist sie wieder, diese Widersprüchlichkeit. Man kommt gar nicht recht dazu, sich über die Unzulänglichkeiten zu ärgern, denn die umfangreiche Serienausstattung nötigt einem Respekt ab. Rundum-Airbags und ESP, Nebelscheinwerfer und Wegfahrsperre, Seitenaufprallschutz und Isofix-Kindersitzbefestigungen werden ohne Extrakosten mitgeliefert. Elektrische Außenspiegel mit verchromten Gehäusen und Alufelgen, Dachreling und abgedunkelte Seitenscheiben ergänzen die Außenausstattung, drinnen sorgen Klimaanlage und CD-Radio für Wohlbefinden. Weder auf Bordcomputer und Lederbezüge, noch auf Sitzheizung oder elektrische Fensterheber muss man verzichten - alles im Preis von 22.900 Euro enthalten.
Obwohl stattliche 170 PS Motorleistung anliegen, sollte man seine sportlichen Ambitionen lieber zu Hause lassen. Gemütliches Cruisen über den Highway ist, was zu dem Retromobil passt. Der Testwagen erreichte die als Höchstgeschwindigkeit angegeben 180 km/h nach mehreren Kilometern Anlauf. Freude macht das schnelle Fahren nicht wirklich, zumal man sich schon bei weniger Tempo mit mehr als den angegebenen 8,6 Litern Durchschnittsverbrauch anfreunden muss. Beim Testwagen waren es bei deutlich autobahnlastigem Streckenprofil und selten mehr als 130 km/h Tempo rund 9,7 Liter je 100 Kilometer. Wirtschaftlich und verbraucherfreundlich verspricht der HHR in diesem Jahr zu werden. Dann will Chevrolet ab Werk als Option eine Autogas-Anlage anbieten. Ein Diesel ist nicht vorgesehen.
Ein Motor, eine Ausstattungslinie, ein Preis. Über den HHR gibt es keine zwei Sichtweisen. Hat die emotionale Hirnhälfte die Oberhand, muss man ihn wegen seiner originellen Ausstrahlung einfach mögen, wer der Vernunft den Vorzug gibt, wird zurückschrecken. Amerikaner sind wohl eher Bauch- als Kopfmenschen, dort läuft der HHR recht gut.
Quelle: ntv.de