BMW X6 xDrive 35d Designerkluft statt Uniform
31.03.2009, 10:44 UhrIn Italien kommt Designermode immer noch gut an. Das gilt auch für den Pkw-Sektor. Der BMW X6, gestartet als irritierender Zwitter aus SUV und Coup, ist in dem südeuropäischen Land so gefragt wie sonst nirgends in Europa. Mehr als 4000 Verkäufe registrierte der Hersteller dort im vergangenen Jahr, während das Auto in seinem Heimatland laut Kraftfahrtbundesamt nicht einmal 2000 Neuzulassungen erreichte.
Nicht nur der Hang der Italiener zu dem extravagant geformten Allradauto verblüfft. Auch die Tatsache, dass in Deutschland die Dominanz des Dieselantriebs im SUV-Segment für den X6 nicht zu gelten scheint. Während noch im November sich etwa ein Drittel der deutschen Kunden für einen X6 mit Selbstzünder entschieden, sank der Anteil im Februar dieses Jahres auf ein gutes Viertel.
Dabei ist der doppelt aufgeladene Dreiliter-Sechszylinder ein gerade ideales Triebwerk für den immerhin 2,2 Tonnen schweren Trumm. Dieser Praxistest brachte aber auch die Erkenntnis, dass bei den Kunden der Wunsch nach Individualität mit der Fähigkeit zum Kompromiss einher gehen sollte.
Kopffreiheit hinten nur mäßig
Dank der oben erwähnten Tatsachen ist der X6 nicht nur in der Provinz immer ein Hingucker. SUV-Fahrer sind grundsätzlich gut von der Außenwelt abgeschirmt, so dass sie nicht mitbekommen, wenn mal ein Passant raunen sollte: "Wie kann man bloß..." Da der vordere Bereich der Kabine weitgehend dem X5 entspricht, gibt es am Platzangebot nichts zu meckern. Wer es sich leisten will, bestellt aus der langen Liste der Sonderausstattungen die Komfortsitze für zusammen 3420 Euro. Sie lassen sich auch im Schulter und Oberschenkelbereich erstklassig an die individuellen Bequemlichkeitsbedürfnisse anpassen.
Sprichwörtlich gut und auch beim X6 nicht anders ist die Ergonomie für Fahrer und Beifahrer. Alles ist leicht erreich- und bedienbar, erklärt sich teils von selbst. Auch das iDrive-System hat sich durchgesetzt. Noch sind die x6 mit einem Navi-System unterwegs, das keine Kartengrafik unterhalb des 100-Meter-Maßstabs zulässt, weshalb zu wünschen ist, dass bald auf das Niveau nachgerüstet wird, das künftig der Z4 Roadster hat (Minimal 30 Meter und große Detailtiefe)
Wer hinten Platz nehmen muss, sitzt auch nicht auf schlechten Polstern, vor allem wenn die Sitzheizung für den Fond (+380 Euro) vorhanden ist. Wer aber größer als 1,80 Meter ist, touchiert schon mal leicht den Dachhimmel eine Folge des couphaft stark abfallenden Daches und ein Hinweis darauf, dass bei häufiger Auslastung der hinteren Sitze durch Erwachsene vielleicht doch der X5 die bessere Alternative ist. Die rückwärtigen Kopfstützen sind nicht beweglich, ein Sonderfall in dieser Preisklasse. Außerdem ist der X6 nur als Viersitzer ausgelegt. Dort, wo sonst der Mittelplatz ist, prangt eine verschließbare Ablage in zugegebenermaßen edel eingefasster Aufmachung
Elektronische Hilfe für die Kurbenjagd
Beladung ist leider kein Thema, bei dem der X6 Punkte sammelt. 570 Liter Kofferraumvolumen liegen auf dem Niveau von Mittelklasse-Limousinen, eine 85 Zentimeter hohe Ladekante ist nicht einkaufsfreundlich und die Laderaumtiefe von 100 Zentimetern nicht berauschend. Zwar ist die elektrische Klappenbetätigung nicht aufpreispflichtig, jedoch ist die Arbeit des Elektromotors deutlich geräuschvoller als bei Wettbewerbsprodukten.
Bekanntlich hat BMW die "Freude am Fahren" zum wichtigsten Motto seiner Werbung gemacht und auch beim X6 entschädigt das Fahrerlebnis für die kleinen Holperigkeiten, denen man im Alltagsgebrauch begegnet. Nur für den X6 gibt es bisher das Dynamic Performance Control-System, das an den Hinterrädern die Antriebskraft stärker aufs kurvenäußere Rad übertragen kann. So wird die Tendenz zum Untersteuern ausgeglichen, der X6 quasi in die Kurve hineingedrückt. Eine besondere Anzeige im zentralen Display veranschaulicht mittels veränderlicher Balken, wie stark die Kraft gerade auf welches Rad gelenkt wird. Zu dumm nur, dass die größte Wirkung bei eingeschlagenen Vorderrädern auftritt und die lehrreiche Anzeige dann durch die breiten Lenkradspeichen verdeckt ist. Das elektronische Stabilitätsprogramm ESP greift erst dann ein, wenn die Fahrdynamik außer Kontrolle zu geraten droht.
Sportliches Fahren bei akzeptablem Durst
Da der Sechszylinder mit 286 PS und enormen 580 Newtonmetern Drehmoment gesegnet ist, bleiben selbst beim sportlich orientierten Publikum keine Wünsche offen. Die 6,9 Sekunden auf Tempo 100 km/h und die theoretische Höchstgeschwindigkeit von 236 km/h untermauern den sportlichen Anspruch. Wie nicht anders zu erwarten, erreichte der X6 die nach EU-Norm vorgesehenen 8,3 Liter im Mittel nicht. Aber der Testverbrauch von 9,6 Litern, erreicht ohne Fahrspaßeinschränkungen, erscheint angesichts der bewegten Massen akzeptabel. Mit 85 Litern Tankinhalt hat dieser X6 einen ausreichend großen Aktionsradius.
Mag sein, dass große Allrad-Pkw ein Imageproblem haben. Mit diesem X6 kann man aber gut sein Umwelt-Gewissen beruhigen. Immerhin erzeugt er mit 220 Gramm pro Kilometer einen wesentlich geringeren CO2-Ausstoß als die Benziner-Modelle und wird dafür mit Inkrafttreten der Kfz-Steuerreform auch belohnt.
Apropos lohnen: Wer den sucht, wird mit 64.000 Euro (Preis laut Liste) für den X6 xDrive 35d nicht auskommen. Die Aktivlenkung (+1300 Euro) erleichtert das Manövrieren durch veränderliche Übersetzungsverhältnisse. Zwar ist die Normallenkung griffig und präzise, die Servo-Unterstützung könnte jedoch fürs Einparken und andere Langsamfahrten ein bisschen intensiver ausfallen. Deutlich kostspieliger als die Aktivlenkung ist das Adaptive Drive System (+3290 Euro), das die hoch gebauten und deshalb zu stärkerer Wankbewegungen neigenden SUV auch in straffer Kurvenfahrt graziös aufrecht hält.
Fazit: Der X6 ist das Fahrzeug für die Leuchtturmwärter im Ozean der uniformiert aussehenden Gelände-Pkw. Als bester Kompromiss aus Fahrspaß und Vernunft ist das Modell xDrive35d anzusehen. Ein hohes Maß an Komfort und Wertstabilität bringt die Marke von Hause aus mit, kleinen Schwächen in der Praxis werden durch Individualität und Eleganz wett gemacht.
Quelle: ntv.de