Praxistest

"Gas geben" mit dem NGT Die E-Klasse mit neuem Antrieb

Von Axel F. Busse

Die Form ist vertraut, das Buchstabenkürzel nicht. Der Autofahrer auf der Spur nebenan nutzt den Ampelstopp, um sich durch die halb geöffnete Seitenscheibe bemerkbar zu machen: "Was bedeutet denn das N-G-T da hinten drauf?" will er wissen. Dass es sich bei dem Auto um eine E-Klasse handelt, ist auf den ersten Blick zu erkennen, aber das "NGT" rechts auf der Kofferraumklappe kann er nicht zuordnen.

Von der Mercedes Mittelklasse, die mit Natural Gas Technology unterwegs sind, gibt es auf Deutschlands Straßen gegenwärtig nur etwa 500 Exemplare. Sie führen weder alle das Kürzel am Heck, noch laufen sie nur mit Erdgas, denn wegen der noch geringen Tankstellendichte ist ein zusätzlicher Benzintank unverzichtbar. Erdgas-Antrieb kann man mit gewisser Berechtigung als die vergessene Zukunftstechnologie bezeichnen, denn während allenthalben über Hybrid-, Brennstoffzellen- und Wasserstoffgefährte berichtet wird, spielt der Gas-Antrieb in der öffentlichen Wahrnehmung eine untergeordnete Rolle.

Mercedes ist als Anbieter der Erdgas-Technik in guter Gesellschaft. Ford und Opel, Volvo und Fiat sind nur einige der Hersteller, die ebenfalls Autos im Modellprogramm führen, die wahlweise mit Erdgas oder Benzin betrieben werden können. Den Sindelfingern gebührt allerdings die Ehre, den mit 163 PS derzeit stärksten Serien-Gasmotor für Pkw anbieten zu können. Der E 200 NGT ist – kurz gesagt - eine prächtige Reiselimousine. Wer ihn eine Weile fährt, stellt zwangsläufig die Frage, warum überhaupt noch jemand das Einstiegsmodell der Baureihe, den E 200 Kompressor, bestellt.

Das Gasauto läuft mit der gleichen Ruhe und Souveränität, mit fast der gleichen Spritzigkeit, verfügt über gut ein Drittel mehr Reichweite und beruhigt außerdem noch das Umwelt-Gewissen des Fahrers, denn der CO2-Ausstoß des 1,8 Liter großen Vierzylinders ist bei Gasbetrieb deutlich niedriger als bei Benzinverbrennung. Abgesehen vom geringeren Schadstoffausstoß hat der Fahrer die Wahl, ob er je 100 Kilometer Strecke rund elf oder nur 4,35 Euro für Kraftstoff ausgeben möchte (gemessen am Preisniveau Anfang 2005).

Das Einzige, worauf der Fahrer des NGT tatsächlich verzichten muss, sind rund 140 Liter Gepäckvolumen und eine knappe Sekunde beim Sprint von 0 auf 100 km/h. Die Minderung des Kofferraums auf 400 Liter – was durchaus noch nicht knapp bemessen ist – ist der Tatsache geschuldet, dass die Gasbehälter hinter den rückwärtigen Lehnen eingebaut sind. Die Minderung der Sprintqualitäten rührt daher, dass der NGT etwa 200 Kilo mehr Leergewicht mitbringt, als der normale E 200. Folgerichtig wird die Gasvariante auch auf größeren Rädern der Dimension 225/55R16 statt auf 205er-Reifen bewegt.

Das Tanken am 200-bar-Druckschlauch ist ebenso unproblematisch wie der Wechsel von einer Kraftstoffart zur anderen. Die Drucktaste im Multifunktionslenkrad aktiviert das entsprechende Display und zeigt den Füllstand des Gastanks zusätzlich zur üblichen Benzinuhr an. Die Doppelanzeige ist ein klarer Vorteil gegenüber anderen Gasautos, die lediglich über eine Tankanzeige für beide Systeme verfügen.

Das gelegentlich etwas schwerfällige Anspringen des Testwagens ist angesichts der zahlreichen Vorteile des Gasbetriebs kaum als Mangel anzusehen. Das äußerst unauffällige Verbrennungsgeräusch im Gasbetrieb macht diese E-Klasse als komfortables Reise- und Businessgefährt eher noch sympathischer. Wer in der Lage ist, längere Touren mit Hilfe der bisher rund 540 Gas-Tankstellen in Deutschland präzise zu planen (Liste unter www.erdgasfahrzeuge.de), dürfte den Unterschied überhaupt nur noch an den drastisch geringeren Betriebskosten spüren. Und für spontane Ausflüge gibt es ja immer noch den Benzintank.

Quelle: ntv.de

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