Land Rover Discovery TDV6 im Praxistest Die Gelassenheit des Landadels
17.07.2009, 07:45 Uhr
Der Discovery 3 hat die etwas grobschlächtige Geländewagen-Attitüde abgelegt.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Land Rovers Discovery 3 hat die etwas grobschlächtige Geländewagen-Attitüde abgelegt und will seine Stock-und-Stein-Tauglichkeit mit den Komfort- und Vielseitigkeitsanforderungen an eine Familienlimousine verbinden.
Die Fahrer eines M-Klasse-Mercedes, eines Porsche Cayenne oder eines VW Touareg neigen mitunter zu der Annahme, sie seien in einem großen Auto unterwegs. Wenn sich einer von ihnen mal zufällig an der Ampel neben einem Land Rover Discovery 3 einfindet, wird er seine Sichtweise wohl in Zweifel ziehen: Die ganze Pracht alten englischen Landadels ist hier auf 4,84 Metern Länge, mehr als zwei Metern Breite und knapp 1,90 Höhe vereint. Und wenn der Besitzer gerade von einem Offroad-Einsatz kommt, könnte der Wagen sogar fast zwei Meter hoch sein.
Als sollte dem Schrumpfungsprozess des britischen Empires etwas entgegen gesetzt werden, ist die Discovery-Baureihe bei jedem Modellwechsel stattlicher geworden. Dem klassen- und kostenmäßig in der Luxusliga spielenden Range Rover ist der aktuelle "Disco" 3 kein kleiner Bruder mehr. Er hat die etwas grobschlächtige Geländewagen-Attitüde abgelegt und will in diesem Praxistest zeigen, wie sich uneingeschränkte Stock-und-Stein-Tauglichkeit mit den Komfort- und Vielseitigkeitsanforderungen an eine Familienlimousine verbinden lassen.
Als Kraftquelle dient ein 2,7 Liter großer Dieselmotor, der 190 PS leistet. Ein ähnliches Sechszylinder-Aggregat, gemeinsam entwickelt mit dem französischen PSA-Konzern, fand sich zuletzt in Jaguar-Limousinen wieder, wo 207 PS zur Verfügung standen. Die Aufladung übernimmt beim Discovery nur ein Turbo, der Motoraufbau wurde für den Geländeeinsatz optimiert. Angesichts der mindestens 2,5 Tonnen Gewicht, die zu bewegen sind, klingt die Leistungsangabe von 190 PS eher bescheiden. Dass dennoch kein Frust aufkommt hat zwei Ursachen.
Die erste ist: Eine eigentümliche Ruhe und Gelassenheit befällt den Fahrer, sobald er hinter dem Lenkrad Platz genommen und die Tür hinter sich geschlossen hat. Mindestens 85 Zentimeter über dem Asphalt thront der Gebieter über dieses Straßenmonstrum, da hat er noch nicht einmal die elektrische Höhenverstellung des lederbezogenen Sessels benutzt. Das verleiht Souveränität, in Einzelfällen kann sie auch in Mitleid für andere Verkehrsteilnehmer umschlagen.
Gehobener Reisekomfort und viel Praktisches
Großzügige Fensterflächen an den Seiten und drei Scheiben im Dach sorgen für einen hellen und freundlichen Innenraum. Freunde der Jagd würden es gewiss begrüßen, wenn auch die hinteren Dachfenster sich öffnen ließen und man das Ziel direkt vom Fahrzeug aus anvisieren könnte. Da beim Modell HSE im Innenraum an Leder und edlem Holz nicht gespart wurde, herrscht eine wohnliche Atmosphäre, die auch viel Praktisches zu bieten hat: Zum Beispiel zwei große Handschuhfächer, Getränkehalter, die auch Literflaschen aufnehmen und Haltegriffe, damit die übrigen Insassen bei der Geländefahrt nicht durcheinander geraten.

Eine eigentümliche Ruhe und Gelassenheit befällt den Fahrer, sobald er hinter dem Lenkrad Platz genommen hat.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Der zweite Grund für die Gelassenheit: 440 muntere Newtonmeter Drehmoment mobilisiert der Turbodiesel, und ab 1900 Umdrehungen wirkt diese Durchzugskraft energisch auf alle vier Räder. Es schiebt also gewaltig, nicht nur von der Ampel weg, sondern auch die Böschung hinauf oder durch das Schlammloch – wenn nötig. Abseits der Zivilisation, dort wo die unbestechliche Realität Differenzen zwischen Anspruch und Wirklichkeit offenbart und weich gespülte SUV aussortiert, spielt jeder Land Rover seine bekannten Stärken aus.
"Terrain Response" hat der Hersteller sinniger Weise das elektronische System genannt, dass die geeignete Antwort auf die unterschiedlichsten Geländeanforderungen verspricht. Kombiniert mit der bei der HSE-Ausstattung serienmäßigen Luftfederung und dem sechsgängigen automatischen Getriebe stellt es ein Antriebskonzept dar, das es auch Anfängern ermöglicht, dorthin zu fahren, wo man selbst das Spazierengehen lieber einstellt. Die Luftfederung ist es auch, die ein Anhaben des Fahrzeugs für schwierige Geländesituationen ermöglicht und so die Fahrzeughöhe bis auf zwei Meter wachsen lässt.
Trotz üppiger Ausmaße leicht zu manövrieren
Abgesehen davon, dass zumindest in Deutschland auch die Feldmark Restriktionen unterliegt und man lieber kein Bußgeld riskieren sollte, ist es einfach ein Vergnügen, mit dem Auto das zu tun, was der Name "Discovery" zu empfehlen scheint: Zum Beispiel entdecken, mit welcher Leichtigkeit und Genauigkeit sich das schwere Gefährt durch Gräben manövieren oder Hänge emporkraxeln lässt. Falls erforderlich, kann man den Disco 3 auch ohne Schweißperlen auf der Stirn im Zentimeterbereich an Hindernissen vorbei und oder in den schmalen Carport zirkeln. Dabei helfen die senkrechten Außenwände ebenso wie die Park-Distanz-Kontrolle, die im HSE Serie ist und sonst 400 Euro Aufpreis kostet. Teil des Navigationssystems ist ein "4x4-Info", das den Betriebszustand des Allradsystems und seiner Sperren sowie die Stellung der Vorderräder auf dem Monitor darstellt. Bei großem Lenkeinschlag im Gelände mag das von Vorteil sein, die Richtungsvorgabe einer langgezogenen Kurve wird jedoch nur unvollkommen wiedergegeben.

Der Disco 3 ist auch ein bequemer Reisewagen, der bis zu sieben Personen befördern kann.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Gleichzeitig ist das Fahrzeug ein bequemer Reisewagen, der wahlweise bis zu 2,5 Kubikmeter Ladung oder bis zu sieben Personen befördern kann. Die dafür nötigen zwei zusätzlichen Sitze sind im Ladeboden versenkt. Die enorme Transportkapazität ist nicht zuletzt an den 725 Kilogramm maximaler Zuladung zu erkennen. Dass Boots- oder Pferdeanhänger bis zu 3,5 Tonnen gezogen werden können, versteht sich da fast von selbst.
Ein Wunderauto ist freilich auch der Disco nicht. Natürlich muss man die spürbare Seitenneigung des hohen Aufbaus in schnellen Kurven hinnehmen oder angesichts der 180 km/h Höchstgeschwindigkeit (beim Testwagen waren es sogar GPS-gemessene 183 km/h)schon mal den einen oder anderen Kompakten auf der Autobahn ziehen lassen. Erfreulich beim Testwagen war jedoch, dass er mit 10,4 Litern Durchschnittsverbrauch nur 0,2 Liter über dem Wert lag, der nach EU-Norm ermittelt wurde.
Quelle: ntv.de