Praxistest

Der neueste Lamborghini Die Sound-Maschine

Von Axel F. Busse

"Che bella macchina!" Ob Ferruccio Lamborghini angesichts des ersten von ihm in Auftrag gegebenen Ferrari-Schrecks diese Begeisterung empfand, ist nicht überliefert. Hätte der ehemalige Traktor-Fabrikant aber das aktuelle Modell seiner Sportwagen-Manufaktur noch erlebt, das Auto wäre sicher vom Firmengründer mit gleicher Begeisterung begrüßt worden.

In Zeiten voller Zweifel und Ungewissheit mag es seltsam erschienen, dem kleinen Markt der Supersportwagen einen 560 PS starken offenen Zweisitzer hinzuzufügen. Aus Sicht von Lamborghini gibt es dazu aber keine Alternative, denn angesichts von zwei Baureihen und vier Karosserieformen muss der Hersteller das Angebot frisch halten.

Den neuen Spyder mit der Typenbezeichnung LP 560-4 unterscheiden nicht nur zahlreiche technische Merkmale von dem 2006 präsentierten Vorgänger, sondern auch die Tatsache, dass das neue Auto tatsächlich noch käuflich ist. Beim Erscheinen des ersten offenen Gallardo war die erste Jahresproduktion praktisch schon ausverkauft.

Neue optische Akzente

Die Enge eines Formel-1-Cockpits muss nicht fürchten, wer sich in die stabilen Lederschalen des gleiten lässt. Vor sich eine vertraute Instrumentierung, die wesentlich aus dem Audi-Regal stammt und hinter sich ein Zehnzylinder-Kraftpaket, das in veränderter Form auch in dem jüngst vorgestellten R8 5.2 FSI Verwendung findet, sucht der Fahrer nach Neuigkeiten. Und er findet sie zum Beispiel in den Kippschaltern für Verdeck oder Fenster, deren verchromte und geriffelte Oberflächen neue optische Akzente setzen.

Heckscheibe und Windschott sind eins geworden, das Bauteil ist elektrisch versenkbar. Aber auch ausgefahren sollte man auf Luftturbulenzen im Innenraum gefasst sein. Vor allem in der Mitte zwischen den Fahrern wirkt die kühlende Zugluft auf die emotional erhitzten Insassen.

Kolossales Getöse

Die Vorwärtsfahrt ist mit Adjektiven wie "kraftvoll", "dynamisch" oder "vehement" nur unzureichend beschrieben. Mit einem aggressiven Fauchen signalisiert der nun mit einer Direkteinspritzung befeuerte Motor seine Bereitschaft. Der Tritt aufs Gaspedal startet ein Erlebnis voller Sprechblasen-Vokabular: "wroooom", "rooaaaar" oder "djuuuum". Das kolossale Getöse des 5,2-Liter-Triebwerks ist eine Sound-Attacke auf Trommelfell und Brustbein. Die Abgasanlage war schon zuletzt auf "vielfach geäußerten Kundenwunsch", wie es von Seiten des Herstellers hieß, modifiziert worden. Das kapitale Röhren wir von einem Bypass-System entfacht, das ab etwa 4000 U/min schon im Krümmer für einen verminderten Abgasgegendruck sorgt. So wird der Gasfuß zum Lautstärkeregler. Aber auch untertourige – und entsprechend geräuscharme- Fortbewegung ist möglich.

Der Kühlungsbedarf ist immens. Vor dem Fahrzeug ist im Leerlauf mehr vom Summen der Ventilatoren zu hören, als vom Motor selbst. Ebenso beeindruckend wie die Soundkulisse ist der Druck im Kreuz, den jedes Gasgeben auslöst. Maximal 540 Newtonmeter Drehmoment, geben die Sicherheit, dass sich eine brenzlige Situation nicht allein mit der energisch zupackenden Bremse, sondern auch mal mit dem Gaspedal bereinigen lässt.

Gewollte Nick-Neigung beim Schalten

Die so genannte e-gear-Schaltbox ist so ausgelegt, dass sich mit Hilfe der Lenkradpaddel ein manuelles Schaltgefühl realistisch simulieren lässt. Mögen andere auch der neuen Direktschaltgetriebe huldigen, denen die Zugkraftunterbrechung wegtrainiert wurde – für Lamborghini ist das kein Thema. Ein leichtes Nicken beim Auskuppeln, um anschließend um so heftiger wieder an die Kopfstütze gedrückt zu werden – das gehört zum ultimativen Dynamik-Erlebnis dazu, wie der Stier auf die Bugklappe des bescheidenen Gepäckabteils. Wären die Paddel auch noch so mit der Lenksäule verbunden, dass sie die Drehbewegung des Lenkrades mitmachen – man würde den Handlingkurs gar nicht mehr verlassen wollen.

Normalerweise verteilt der Allradantrieb 70 Prozent des Antriebsmoments auf die Hinterachse. Sollte es Fahrsituation oder Straßenbedingung es erfordern, kann auch die Vorderachse diesen Anteil der Kraft übertragen. Der Eingriffsmodus des ESP-Systems kann der Fahrer nach persönlichen Vorlieben und Fähigkeiten steuern. Tasten für Sport- und Corsa-Betrieb lassen die elektronischen Stabilitätshilfen später eingreifen und mehr Schlupf zu. Auf der Rundstrecke ist solch eine Wirkung wesentlicher teil des Gesamtvergnügens. Bei hartem Lenkradeinschlag und hohem Tempo ist es als erstes die Haftungsqualität der Gummimischung, die die Grenzen der Physik spürbar werden lässt.

Quelle: ntv.de

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