Praxistest

Opels sportliches Allrad Insignia Country Tourer als A6-Alternative?

Der Insignia Country Tourer ist ein wuchtiger Zeitgenosse, der einiges verspricht und vieles hält.

Der Insignia Country Tourer ist ein wuchtiger Zeitgenosse, der einiges verspricht und vieles hält.

(Foto: Holger Preiss)

Es ist schwer gegen die Platzhirsche anzufahren. Schließlich bestechen sie in fast allen Belangen. Und dennoch ist es ausgerechnet Opel mit dem Insignia gelungen Preis-Leistungs-Maßstäbe zu setzen, und im Premiumsegment zu wildern. Aber gilt das auch für den sportlichen Country Tourer?

Noch bevor BVB-Cheftrainer Jürgen Klopp in den Opel Insignia gestiegen ist, machte der Wagen den Rüsselsheimern große Freude. In der oberen Mittelklasse angesiedelt, sprach sich bald herum, dass sich der Opel hinter seinen großen Konkurrenten aus München, Ingolstadt, Wolfsburg und Stuttgart nicht verstecken muss. Denn, und dieses Argument schlägt fast immer, im Gegensatz zu denen ist er geradezu ein Schnäppchen. Auch der Insignia Country Tourer, der in Größe und Optik ganz klar gegen den Audi A6 Allroad anfährt, gehört mit 40.380 Euro eher zu den preiswerten Artgenossen in diesem Segment.

Alles auf Sport gesetzt

Die 18-Zoll-Aluräder sind beim Country Tourer Serie.

Die 18-Zoll-Aluräder sind beim Country Tourer Serie.

(Foto: Holger Preiss)

Immerhin gibt es für das Geld nicht nur die rustikale Optik mit Unterfahrschutz, verplankten Radkästen und Seitenschwellern, sondern auch einen 2.0 Liter Benziner mit stolzen 250 PS, der ab 2500 Umdrehungen stramme 400 Newtonmeter an die Achsen verteilt. Der Rüsselsheimer will auch hier einmal mehr bei den Großen mitspielen. Optisch und mit seinem permanenten Allradantrieb gibt er den Bergburschen, aber Motor, Fahrwerk, Dämpferabstimmung, Gaskennlinie und die zwei wuchtigen Endrohre gehen klar in Richtung Sport. Der Testwagen war zudem mit einer Sechsgangautomatik ausgerüstet, die zwar bei plötzlicher Beschleunigung ein wenig wie am Gummiband wirkte, ihre Arbeit aber ansonsten absolut souverän erledigte. Das beweist auch die Beschleunigung von Null auf Tempo 100. Aus dem Stand benötigt der Insignia Country Tourer mit 1768 Kilogramm Kampfgewicht lediglich 8,9 Sekunden. Zugegeben, das sind drei Sekunden mehr als der "kleinste" benzingetriebene Audi A6 Allroad braucht. Der hat aber auch eine Drei-Liter-Maschine unter der Haube, die 333 PS generiert, und kostet im Einstieg mal lockere 60.980 Euro.

Im Fond kann man sich bequem zurücklehnen.

Im Fond kann man sich bequem zurücklehnen.

(Foto: Holger Preiss)

Verstecken muss sich der Opel aber dennoch nicht. Während des Tests offenbarte er nämlich einige Überraschungen. Die Positive war, dass der mit 230 km/h Spitze angegebene Insignia auf offener Strecke seinen Lauf erst bei knapp 270 km/h beendete. Die Ungläubigkeit ob dieser Leistungsentfaltung brachte den Tester mehrfach dazu, das Experiment zu wiederholen und verzückt zu beobachten, wie die Tachonadel verzweifelt am Ende der Skala verweilen musste, weil dort bei 260 Schluss war. Die Messung wurde übrigens, weil es so unwahrscheinlich erschien, mit einem externen Navigationsgerät verifiziert. In Anbetracht dieser Geschwindigkeit konnte man mit dem Testwagen, wenigsten in der Endgeschwindigkeit, ganz locker mit den dicken Jungs aus der Premium-Liga mithalten. Ob man den Sound des turbogeladenen Vierzylinders mag, der bei drastischer Beschleunigung etwas angestrengt wirkt und von fast tonlosem Brummen in eine höhere Tonlage wechselt, muss jeder für sich selbst entscheiden.

Manchmal richtig durstig

Der 2-Liter-Benziner mit 250 PS ist konsequent auf Leistung getrimmt, was dem Verbrauch nicht immer zuträglich ist.

Der 2-Liter-Benziner mit 250 PS ist konsequent auf Leistung getrimmt, was dem Verbrauch nicht immer zuträglich ist.

(Foto: Holger Preiss)

Für weniger Verzückung sorgte hingegen der Verbrauch. Klar, wer ordentlich aufs Gas tritt, der darf sich nicht wundern, wenn sich der Strudel im Tank bildet. Bei verrucht sportlicher Fahrweise rauschen 12,3 Liter Benzin durch den Tank. Was nicht unerheblich ist, denn der fasst insgesamt 70 Liter und den zu befüllen, kostet locker 100 Euro. Interessant war es, zu beobachten, dass der Durst sich entgegen den Angaben im Datenblatt im Stadtverkehr nicht wie angegeben bei 12 Litern bewegte, sondern mit 11,6 Litern schon wieder recht kommod anmutete. Das erstaunte umso mehr, als der Insignia mit Automatikgetriebe aus unerfindlichen Gründen keine Start-Stopp-Automatik anbietet. Was den Tester auch enttäuschte war, dass er trotz absolut zurückhaltender Fahrweise den letztlich ermittelten Mittelwert nicht unter 10,6 Liter drücken konnte. Die werksseitige Angabe spricht hier bei den auf dem Rollenprüfstand ermittelten Werten von traumhaften 8,5 Litern.

Schön hingegen war die sportliche Abstimmung des Fahrwerks mit elektronischer Dämpferregelung. In Kombination mit dem Schlechtwegepaket filterte es die Unebenheiten der unterschiedlichsten Straßenbeläge nicht nur sauber aus, sondern erwies sich in Kombination mit dem Allradantrieb auch als äußerst agil und gutmütig. Schnelle Richtungswechsel quittierte der Insignia akustisch mit quietschenden Reifen, blieb aber dank des adaptiven Sportdifferenzials absolut spurtreu. Da gab es kein Wanken und nicht den Versuch des Wagens auszubrechen. Unterstützt wurde das zudem von der gut abgestimmten Lenkung des Rüsselsheimers, die angenehm straff und je nach Fahrweise die Befehle des Piloten entgegennahm. Auch hier ein Plus in der Preis-Leistungs-Liste.

Ein eigensinniges Navi

Die Rundinstrumente wirken gegenüber der wuchtigen Mittelkonsole etwas klein.

Die Rundinstrumente wirken gegenüber der wuchtigen Mittelkonsole etwas klein.

(Foto: Holger Preiss)

Die ist aber nicht vollständig, solange nicht ein Blick in den Innenraum des Rüsselsheimers geworfen wurde. Da sitzt man für zusätzliche 1400 Euro auf angenehm straffen Ledersitzen, die nicht nur beheizt, sondern an heißen Tagen auch belüftet werden können, und sich elektrisch in Position bringen lassen. In der Mittelkonsole sorgt ein 8,0 Zoll Touchscreen für Übersicht und Bedienfreundlichkeit. Für weitere 1490 Euro führt ein Navi durch ganz Europa. Allerdings erwies sich die Zieleingabe über die Grenzen hinweg als nicht ganz einfach, denn Stadtnamen akzeptierte es erst, wenn man über die Grenze gerauscht war oder entsprechende Länderkürzel der Suchanfragen beifügte. Ansonsten gibt es an der Gesamteinheit keine Kritikpunkte. Die Eingabe über Touchscreen oder das Touchpad mit Schrifterkennung ist problemlos. Die Kopplung des Smartphones über Bluetooth war kinderleicht und auch die wenigen Knöpfe und Sensortasten ließen sich gut bedienen. Wer wollte, konnte sich auch seine SMS vom System vorlesen lassen.

Optisch etwas gewöhnungsbedürftig sind die Rundinstrumente im Zentrum des Pilotenblickfeldes. Verglichen mit der Wucht der Mittelkonsole wirken sie, zumal zwischen Tacho und Drehzahlmesser noch ein sinnvoller und gut ablesbarer 4,2 Zoll großer Informationsbildschirm platziert ist, etwas zu klein. Ansonsten erfreuen angenehm anzufassende Materialien, die zudem so gut verarbeitet sind, dass nichts wackelt oder knarzt, egal, über welchen Belag man mit dem Insignia fegt. In den Innenverkleidungen aller vier Türen finden auch 1,5-Liter-Flaschen Platz und wer sich auf die Rückbank verkrümelt, kann gepflegt chillen ohne Kopf oder Knie zu schuffeln.

Viel, aber nicht alles fürs Geld

Eine niedrige Ladekante und eine plane Fläche machen den Kofferraum gut befüllbar.

Eine niedrige Ladekante und eine plane Fläche machen den Kofferraum gut befüllbar.

(Foto: Holger Preiss)

In den Kofferraum, der sich dank flacher Ladekante mit Aluschutzleisten angenehm einfach bestücken lässt, passen 540 Liter Ladegut. Wer die Rücklehne umlegt, erhält eine plane Fläche und Staumöglichkeiten von bis zu 1530 Litern. Das sind, gemessen an der Wagengröße, keine Riesenräume, aber eine vierköpfige Familie sollte die Urlaubsutensilien problemlos verstauen können. Ärgerlich sind aber zwei Dinge: Zum einen ist der Kofferraum nicht beleuchtet, was gerade im Dunkeln zu blindem Wühlen führt, zum anderen stehen bei der weit öffnenden Klappe die Heckleuchten so spitz nach unten, dass man beim Umlaufen des Fahrzeuges höllisch aufpassen muss, sich nicht den Kopf zu rammen. Auch den Blick in die mutmaßlichen Seitenfächer des Kofferraums, die letztlich nur dazu da sind, um die Rückleuchten hinter der Heckklappe zu erreichen, sollte man verzichten. Denn was man dort sieht, ist pures Dämmmaterial, und das ist gar nicht premium.

Dieser Blick in das Seitenfach sollte nur Technikern zustehen.

Dieser Blick in das Seitenfach sollte nur Technikern zustehen.

(Foto: Holger Preiss)

Auch bei den Fahrassistenzsystemen gibt es einige Ungereimtheiten: Da stellt sich zum Beispiel die Frage, warum die Rückfahrkamera, die sogar querenden Verkehr erkennt, nicht mit Sensoren gekoppelt ist, die akustisch vor der Stoßstange des Hintermanns warnen. Auch an der Front fehlen die piepsenden Helfer. Ansonsten gab es ohne Aufpreis Bi-Halogen-Scheinwerfer, die automatisch abblenden und sich im Tunnel zuschalten, sowie einen Regensensor und Tempomat. Helfer wie Verkehrszeichenerkennung und Abstandswarner gibt es auf Nachfrage im Innovations-Paket für insgesamt 2390 Euro.

Fazit: Der Opel Insignia County Tourer ist in seiner Klasse mehr als man gemeinhin vermutet. Für insgesamt 44.075 Euro erhält man ein Auto, das in den entscheidenden Belangen gut mit der Premiumkonkurrenz mithalten kann. Wer sich ein Mehr an Assistenten wünscht, der muss etwas tiefer in die Tasche greifen, wird sie aber, gemessen an einem Audi A6 Allroad, nicht ganz leeren müssen. Auch wenn man den Zeitwert des Insignis Country Tourers nimmt, spricht rein rechnerisch nichts gegen den Rüsselsheimer. Denn laut Berechnungen des Marktforschungsunternehmens Bähr & Fess Forecasts bekommt man nach vier Jahren noch 44,5 Prozent des Neuwerts. Legt man den Neupreis von 38.735 Euro zugrunde, sind das noch 17.237 Euro.

DATENBLATTOpel Insignia Country Tourer 2.0 DI Turbo
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe)4,92 / 1,85/ 1,52 m
Leergewicht (DIN)1768 kg
Sitzplätze5
Ladevolumen540 / 1530 Liter
MotorReihen-Vierzylinder mit 1998 ccm Hubraum und Turboaufladung
Getriebe6-Gang Automatik
Leistung184 kW/250 PS bei 4500 U/min
KraftstoffartBenzin
AntriebAllradantrieb
Höchstgeschwindigkeit230 km/h
max. Drehmoment400 Nm bei 2500  - 4500 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h8,9 Sekunden
Normverbrauch (außerorts/innerorts/kombiniert)6,4 / 12,0 / 8,5 l
Testverbrauch10,6 l
EffizienzklasseD / EU5
Grundpreis40.385,00 Euro
Preis des Testwagens44.075,00 Euro

Quelle: ntv.de

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