Heimlicher Star "123d" Kraftpaket von BMW
10.03.2008, 12:36 UhrBMW hat Erfahrung. Auch im Gewinnen von Preisen. In sieben von elf Kategorien sahnten die Bayern im vergangenen Jahr den Titel "Engine of the Year" ab. Vielleicht gar nicht so verwunderlich, wenn eine Firma den Begriff "Motoren-Werke" im Namen führt. 62 Juroren aus 30 Ländern, darunter vier Deutsche, bestimmen jährlich den "Motor des Jahres" in verschiedenen Hubraumklassen. Gut möglich, dass dieses Mal noch ein weiterer Preis für BMW dazukommt, denn die Vorstellung, die der neue Zweiliter-Doppelturbomotor derzeit in der 1er-Baureihe gibt, ist mehr als überzeugend.
Der Vierzylinder, der seit Kurzem angeboten wird, übertrifft sogar den nicht gerade schlappen Dreiliter-Sechszylinder bei der Literleistung: 102 PS je 1000 ccm Hubraum sind die neue Messgröße. Das sind sogar rund 30 mehr, als sie etwa der V8-Diesel aus dem 7er aufbietet.
Doppelte Freude an der Ampel
Die Münchner haben den Kraftprotz gleich in ein Paket geschnürt, das aus dem BMW-Slogan "Freude am Fahren" im Nu Freude am Sparen machen soll. Die Spritsparstrategie "Efficient-Dynamics" setzt unter anderem auf Start-Stopp-Automatik, Bremsenergie-Rückgewinnung und bedarfsgerechte Nebenaggregatssteuerung. Außerdem hat der neue Motor ein Kurbelgehäuse aus Aluminium statt aus Grauguss, was das Gewicht senkt.
Nach dem Kaltstart benimmt sich der 123d noch recht harmlos. Der Klang ist etwas ruppig, doch schon auf den ersten Metern ist zu spüren, dass da ein Kämpferherz geweckt wurde. Ohne das Gaspedal mehr als unbedingt nötig gen Bodenblech zu drücken, schiebt der Motor so mächtig nach vorn, dass jeder Ampelstopp gleich zur doppelten Freude wird: erstens das gute Gefühl, Sprit zu sparen, wenn die Start-Stopp-Automatik dem Motor eine verbrauchsmindernde Pause gönnt, und zweitens, wenn es mit der Wucht von 400 Newtonmeter Drehmoment wieder vorwärts geht.
Die enorme Durchzugskraft macht den 123d zum heimlichen Star der kompakten Baureihe. Der 130i verfügt zwar auf dem Datenblatt über mehr Leistung (265 PS), in der Elastizität ist er dem Diesel aber hoffnungslos unterlegen. Beim Beschleunigungstest von 80 bis 120 km/h hechelt der um einen Liter Hubraum größere Sechszylinder-Benziner dem Selbstzünder sowohl im vierten als auch im fünften Gang um mehrere Zehntel hinterher. Und das, obwohl das Dieselfahrzeug noch 35 Kilogramm schwerer ist. Damit nicht genug: Auch die Umweltwertung geht mit 138 Gramm CO2 gegenüber 197 Gramm zugunsten des Diesels aus.
Das Geheimnis der üppigen Leistungsentfaltung liegt in der zweistufigen Turboaufladung. Der kleine Lader bläst bereits kurz über Leerlaufdrehzahl zusätzliche Luft in die Brennräume, in höheren Drehzahlbereichen übernimmt der größere Lader diese Aufgabe, da der Luftbedarf proportional zum Leistungsabruf natürlich wächst. Dank dieser Arbeitsteilung ist der 123d fürs Sprinten wie fürs gemütliche Dahingleiten gleichermaßen geeignet. 60 km/h im sechsten Gang sind kein Problem für ihn. Doch mehr Spaß macht ein forscher Ritt über die Landstraße mit den bekannt dynamischen Qualitäten des kleinen Hecktrieblers, dem ein Golf GTI schon längst keinen Respekt mehr abnötigt.
Spürbarer Tempozuwachs bei 200 km/h
Der kernige Antritt auf dem Beschleunigungsstreifen der Autobahnzufahrt ist verführerisch und schreit nach Wiederholung. So kommt es, dass der Testwagen die 100 Kilometer Messdistanz auch nicht mit 5,2 Litern Treibstoff absolvierte (wie es das Datenblatt verspricht), sondern mit 7,2. Doch ein Auto, das auf unbeschränkten Autobahnabschnitten ständig 180 bis 200 km/h läuft, sich anschließend durch den Großstadtverkehr wuselt und dennoch nur wenig mehr als sieben Liter Diesel verkonsumiert, muss man auch erst einmal finden. Dass im Bedarfsfall bei 200 km/h im sechsten Gang noch spürbarer Tempozuwachs zu verzeichnen ist, sei nur am Rande erwähnt.
Die starke Neuentwicklung als Sonderangebot in den Markt zu bringen, dafür sah der Hersteller offenbar keinen Grund. Die 30.950 Euro, die als Grundpreis für den Dreitürer aufgerufen werden, dürfen lediglich als Orientierungshilfe gesehen werden. Wer ein bisschen Komfort sucht, zum Beispiel mittels Regensensor und automatischer Fahrlichtsteuerung, Multifunktionslenkrad, automatisch abblendendem Innenspiegel, Park Distance Control hinten, Geschwindigkeitsregelung und Leichtmetallfelgen im Doppelspeichendesign, darf gleich noch 1800 Euro zusätzlich lockermachen. Das ist nicht eben günstig.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass der Einstiegspreis für den 130i noch 2550 Euro höher liegt, er dafür aber lediglich ein wenig mehr Endgeschwindigkeit und längst nicht die Wirtschaftlichkeit des Diesels bietet. Der Jungstar auf dem Motorenregal ist zurzeit nur in der 1er-Serie zu haben. Für den 3er wäre er auch interessant, aber da, so heißt es aus München, sei "noch keine Entscheidung gefallen". Selbst in einem 525d, der gegenwärtig mit drei Liter Hubraum und 197 PS angeboten wird, könnte man sich den Motor gut vorstellen. Dass BMW damit noch einiges vorhat, zeigt die Präsentation der X5-Hybrid-Studie auf dem Autosalon in Genf, dessen Elektro-Diesel-Antrieb ebenfalls auf dem Vierzylinder-Twinturbo basiert.
Quelle: ntv.de