Nissan Qashqai Neues von gestern
28.01.2007, 15:46 UhrVon Axel F. Busse
Nissan-Entwickler bei der Detektivarbeit: Erst haben sie zwischen VW Golf und Toyota RAV 4 eine Lücke ausgemacht, dann irgendwo in Persien einen Nomadenstamm entdeckt, der in keinem Namensregister Schutz genießt. Das Ergebnis heißt Qashqai und soll ein bisschen Kompaktwagen, ein bisschen Kombi, ein bisschen SUV und ein bisschen Familienmobil sein.
Etwa wie "Kasch-kai" soll es klingen, wenn man "Qashqai" ausspricht. Ob das Auto auch die von Nissan so dringend benötigte "Cash-Cow" wird, muss sich freilich noch erweisen. Nissan-Chef Carlos Ghosn hat sich zum Ziel gesetzt, gegen die von ihm diagnostizierte Langeweile im so genannten C-Segment anzukämpfen. Mit 4,31 Metern Länge ist das Auto rund 10 Zentimeter länger als der Golf und um den gleichen Wert kürzer als Toyotas Soft-Roader geraten.
Denn wer gegen Langeweile anstinken will, verblüfft am besten mit raffinierten Konzepten zum Beispiel bei der Nutzung des Innenraumes. Verblüfft waren die Tester tatsächlich, als sie dieser Tage die ersten Qashqai unter die Lupe nahmen. Denn statt eines vielseitig und variabel gestaltbaren Innenraumes fanden sie eine umlegbare Rückbanklehne vor. Die Technik, bewährt schon bei den Kombis der 70er Jahre, aber mehr, so sagt zumindest die Nissan-Marktforschung, werde von den meisten Kunden auch gar nicht genutzt.
Ein wenig von gestern
Optisch hat das Auto, das auf der Basis der schon auf dem Genfer Salon 2004 gezeigten Studie entwickelt wurde, Gefälliges zu bieten. Zwar fehlt ihm die bullige Eleganz des Nissan Murano, aber einige Karosserieelemente wie etwa das Heck deuten auf die Verwandtschaft hin.
Die obere Karosseriehälfte des Qashqai soll die Dynamik eines sportlichen Kompakten vermitteln, die großen Radhäuser und die höhere Bodenfreiheit die Robustheit eines SUV. Der Radstand beträgt 2,63 Meter. Bei den Innenmaßen ist der Nissan großzügiger als zum Beispiel die Konkurrenten Renault Megane oder Peugeot 307. Legt man die Rückbanklehne um, erhält man eine unebene Ladefläche mit deutlich sichtbarer Stufe und nur 1513 Liter Stauraum – das ist ein wenig von gestern. Immerhin: Der Kofferraum ist selbst bei aufrecht stehender Rückbank mit 410 Litern recht großzügig geraten.
Schön wohnlich
Im Innern ist längst nicht alles Alu, was metallisch funkelt, aber es herrscht eine wohnliche Atmosphäre. Sportlich-dynamisch trennt die Mittelkonsole die vorn Sitzenden. Allerdings ist sie unter den beiden großen Lüftungsdüsen mit Schaltern, Knöpfen und Tasten hoffnungslos überfrachtet. Hinten ist naturgemäß nicht so viel Platz, doch die Kopffreiheit ist wohltuend und der hoch gewachsene Passagier braucht sich nur einen Fahrer unter 1,70 Metern Körpergröße zu suchen, dann herrscht auch hinten ausreichend Beinfreiheit.
Mit zwei hauseigenen Benzinmotoren und Dieseltriebwerken des Mutterkonzerns Renault geht der Nissan Qashqai vom 24. Februar an auf Kundenfang. Dieselkunden müssen bis Juni warten. Bei ersten Testfahrten überzeugten die beiden 2,0-Liter-Maschinen mit leisem Lauf und hoher Drehfreude. Auch der 150 PS starke Diesel ließ sich willig hochdrehen, seine Schubkraft ist mit 320 Newtonmetern bei 2000 Umdrehungen dem je nach Ausführung bis zu 1685 Kilo schweren Auto angemessen. Auch der 141 PS starke Benziner erlaubte sich kaum Schwächen. Er läuft leise und vibrationsarm, wirkt nur selten angestrengt. Handlichkeit und Übersichtlichkeit des neuen Autos lassen dank einer direkten Lenkung und der leicht erhöhten Sitzposition keine Wünsche offen. Nur das Sechsganggetriebe fühlt sich etwas knochig an.
Kein wirkliches Sonderangebot
18.000 Qashqais will Nissan pro Jahr in Deutschland verkaufen, 80 Prozent der Kunden sollen von anderen Marken kommen. Das ist eine ungewöhnlich hohe Eroberungsrate. Aber erstens ist der Qashqai tatsächlich ein ganz anderes Auto, und zweitens hat der Vorgänger Almera so viele Freunde verloren, dass das Wildern bei der Konkurrenz einfach nötig ist. Mit 19.790 Euro für das einfachste Modell ist der neue Nissan allerdings kein Sonderangebot. Mit Dieselmotor, Allradantrieb und der höchsten Ausstattungsstufe kostet der iranische Nomade dann knapp mehr als 30.000 Euro.
Quelle: ntv.de