Praxistest Porsche Cayenne Transsyberia Rallye-Bolide für den Hausgebrauch
11.06.2009, 10:12 Uhr
Wem die Original-Rallye-Lackierung zu auffällig ist, kann auch ein dezentes Graumetallic bekommen.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Porsche bietet mit dem Cayenne Transsyberia ein Sportgerät für den Hausgebrauch. Das erprobte Rallye-Auto genügt höchsten sportlichen Ansprüchen fürs Gelände. Doch neben einem dicken Geldbeutel braucht es auch eine gesunde Portion Selbstbewußtsein.
Seit der Geschmack von Freiheit und Abenteuer der sozialen Ächtung unterliegt, suchen risikofreudige Zeitgenossen auf anderen Gebieten nach Zerstreuung und Grenzerfahrung. Manch solventer Autonarr fand sie in der Teilnahme an der Transsyberia Rallye, wo in den vergangenen drei Jahren unter Beweis gestellt wurde, dass Porsche nicht nur leistungsstarke Sport-, sondern auch ernst zu nehmende Geländewagen baut.
Für alle, denen die Fahrt von Moskau nach Ulan Bator denn doch zu zeitraubend ist, die auf das echte Rallyegefühl an ihrem fahrbaren Untersatz nicht verzichten wollen, hat Porsche ein Sondermodell des Cayenne auf den Markt gebracht, das den Eintritt in die wundersame Welt der Langstrecken-Zuverlässigkeitsfahrt für knapp 80.000 Euro verspricht. Wie viel Gelände-Rennwagen tatsächlich in den Sondermodell steckt, klärt dieser Praxistest.
Zwar ist das Auto auch in harmlos anmutenden schwarzer oder grauer Uni-Lackierung erhältlich, doch der wahre Rallyefan outet sich durch Bestellung der mit orangefarbenen Applikationen versehenen Sonderserie. Außer Felgen und Außenspiegelgehäuse sind auch die Streben der vorderen Lufteinlässe und der Dachspoiler in der Signalfarbe lackiert. Bug- und Heckblende sind in Edelstahl ausgeführt und deuten an, dass der Unterboden gegen die Gefahren des Geländeeinsatzes besonders geschützt ist.
Scheinwerfer-Bügel für den Nacht-Einsatz
Zu den Erkennungsmerkmalen gehören außerdem seitliche Trittbretter und eine Steckerbuchse auf dem Dach. Wofür? Obwohl Porsche nicht gerade dafür bekannt ist, Sonderausstattung zu verschenken, gibt es beim Cayenne Transsyberia etwas gratis dazu: Einen Dachbügel mit vier Zusatzscheinwerfern, der für perfekte Ausleuchtung der Piste bei nächtlichen Ritten durch die Pampa dienen kann. Kleiner Schönheitsfehler nur: Auf öffentlichen Straßen in Deutschland darf man sich mit den Extra-Lampen nicht erwischen lassen, die Straßenverkehrszulassungsordnung steht dagegen.
Im Innern hat das Sondermodell deutlich mehr Komfort zu bieten als das reale Rallyeauto. Die Insassen müssen weder auf Türverkleidungen verzichten, noch sich in einen massiven Überrollkäfig zwängen. Statt dessen werden die optischen Akzente der Rallyelackierung an verschiedenen Dekorelementen fortgesetzt. Dazu gehören orangefarbene Ziereinlagen am Armaturenbrett und ebensolche Sicherheitsgurte. Auch die Zifferblatteinlagen der Hauptinstrumente erstrahlen in Orange, was zwar originell aussieht, wegen des geringen Kontrastes zu den weißen Ziffern aber nicht unbedingt zweckmäßig ist.
Richtig wohnlich wird es durch einen Dachhimmel in Alcantara und ein mit dem gleichen Material bezogenen Lenkradkranz, was das Rad zu einem echten Handschmeichler macht. Die 12-Uhr-Markierung auf dem Kranz erinnert nicht nur daran, dass Rallyefahrer häufig kräftig kurbeln müssen, sondern hilft auch, die Mittellage schnell wieder zu finden, wenn es mal hektisch wird im Cockpit.
Leichtigkeit beim Manövrieren
Zwar trägt der Transsyberia die Typenbezeichnung Cayenne S, doch ist er leistungsmäßig als GTS anzusehen. Der Achtzylindermotor bringt 405 PS mit maximal 500 Newtonmetern Drehmoment an die Achsen. Die Kraftverteilung liegt standardmäßig zu 62 Prozent an der Hinter- und 38 Prozent an der Vorderachse. Eine Sportauspuffanlage, die in zwei Doppelendrohren mündet, sorgt für eine angemessen sportliche akustische Untermalung des Vortriebs.
Was wirklich verblüfft, ist die Leichtigkeit, mit der sich das rund 2,3 Tonnen schwere Gefährt durch Innenstädte oder schmale Waldwege manövrieren lässt. Mit zwei oder drei Passagieren an Bord entspricht die zu bewegende Masse etwa zwei fahrfertigen Porsche Boxster. Dennoch dirigiert man vom Fahrersitz aus ein äußerst übersichtliches und spontan reagierendes Auto, dessen Lenkung wenig Kraftaufwand erfordert und dennoch präzise engen Kontakt zum Fahrweg vermittelt.
Das unmittelbare und dynamische Fahrerlebnis hat seine Ursache in einem vorbildlichen Ansprechverhalten. Die variable Direkteinspritzanlage versorgt die Brennräume mit optimaler Füllung. Aber auch die gegenüber dem Cayenne S verkürzte Achsübersetzung trägt ihren Teil zu der gesteigerten Agilität bei, mit der ein Cayenne Transsyberia seine Insassen erfreut. Wer über Leistung verfügt, nutzt sie auch, so dass es nicht verwundert, dass der Testwagen mit dem werksseitig vorgesehenen Durchschnittsverbrauch von 13,9 Liter je 100 Kilometer nicht auskam.
Weniger Durst mit Automatikgetriebe
Zwar ist die als Alternative zum manuellen Sechsganggetriebe angebotene Tiptronic per Saldo noch etwas sparsamer zu fahren, weniger als 16 Liter waren jedoch bei diesem Praxistest nicht zu realisieren. Immerhin kann man sich mit der Tatsache beruhigen, dass der CO2-Ausstoß bei dem Fahrzeug mit automatischem Getriebe rund 30 Gramm je Kilometer niedriger liegt als beim Handschalter.
Energisch und lässig wühlte sich der Cayenne durch Sand und Unterholz, eine komplette Offroad-Ausstattung aus Sperrdifferenzial und Getriebeuntersetzung lässt die Zahl der "No-Go-Areas" auf ein Minimum schrumpfen. Der limitierende Faktor ist hier die Beschaffenheit der Reifen, denn sie sollen schließlich auch auf Asphalt vernünftigen Fahrkomfort bieten. Das Auto bewältigte rutschige Anhöhen ebenso souverän wie die Überholmanöver von Sportcoupés auf der Autobahn. Dank 253 km/h Höchstgeschwindigkeit braucht der Geländewagen die Auseinandersetzung mit den meisten flachen Zweisitzern nicht zu scheuen. Mit einem Kofferraumvolumen von mindestens 540 Litern (bis maximal 1750 Liter) wird der Cayenne fast allen Transportbedürfnissen seiner Besitzer gerecht.
Auch abseits bekannter Straßen ist man mit dem Cayenne Transsib nicht verloren.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Fazit: Schon für den "normalen" Cayenne braucht es außer einem solide gefüllten Bankkonto auch ein robustes Selbstbewusstsein, denn die Umweltfraktion hat den Gelände-Porsche schon längst als das mechanisierte Böse abgestempelt. Für das Rallye-Sondermodell sollte von beidem noch eine Portion mehr da sein, denn erstens kostet das Auto ohne Zusatzausstattung mindestens 77.558 Euro und zweitens ist es dank seines auffälligen Äußeren nicht für Understatement-Auftritte geeignet. Wer sich zum Erwerb entschließt, bekommt außer den neidischen Blicken seiner Mitmenschen auch viel Fahrspaß mitgeliefert.
Quelle: ntv.de