Praxistest

Kleiner Drache im Praxistest Ssangyong Tivoli - das Runde im Eckigen

Von einem Design-Unfall ist der SsangYong Tivoli weit entfernt.

Von einem Design-Unfall ist der SsangYong Tivoli weit entfernt.

Ssangyong verkauft im vergangenen Jahr in Deutschland fast so viele Autos wie Alfa Romeo, aber so bekannt wie die italienische Marke sind die Koreaner noch lange nicht. Ob das neue Kompakt-SUV das ändern kann, lesen Sie im n-tv.de-Praxistest.

Bisher ist der Tivoli auf deutschen Straßen noch eine seltene Erscheinung.

Bisher ist der Tivoli auf deutschen Straßen noch eine seltene Erscheinung.

(Foto: Textfabrik/Busse)

Der viertgrößte koreanische Autohersteller hat hierzulande in der Vergangenheit mehr durch Design-Verirrungen als durch wegweisende technische Lösungen auf sich aufmerksam gemacht. Umso erfreulicher, dass nach dem Modell Korando dessen kleinerer Bruder Tivoli ebenfalls keinen Anlass für Augenschmerz bietet. Im Gegenteil. Er hat ausgewogene Proportionen, die robuste Erscheinung, die sich für einen Allrad-Kombi gehört, zeigt klare Linien und ein modernes, eigenständiges Gesicht.

Mit 4,20 Metern Länge sortiert sich der kleine "Zwillingsdrache" (die deutsche Übersetzung von Ssangyong) zwischen dem Suzuki Vitara und dem Opel Mokka ein. Wer ihn allerdings preislich im Wettbewerbsumfeld des Dacias Duster ansiedelt, sei gewarnt: Man bekommt keinen Tivoli unter 15.490 Euro (Benziner mit Frontantrieb), für die Vollausstattung ist im Nu das Doppelte futsch. Bei dem getesteten Fahrzeug handelte es sich um die Variante mit 1,6-Liter-Diesel, manuellem Getriebe und Allradantrieb, das minimal 19.990 Euro kostet.

Assistenten auch nicht gegen Aufpreis

Das Cockpit des Tivoli zeigt kaum Hartplastik, ordentliche Verarbeitung und bietet allerhand Komfort.

Das Cockpit des Tivoli zeigt kaum Hartplastik, ordentliche Verarbeitung und bietet allerhand Komfort.

(Foto: Textfabrik/Busse)

Das gefällige Äußere findet seine Fortsetzung im Passagierabteil. Die Sapphire-Ausstattungslinie (26.990 Euro) hat allerhand an Komfort zu bieten, beispielsweise Lederpolster, von denen der Fahrersitz nicht nur beheizbar sondern auch zu belüften ist. Hut ab, das ist oberklassetauglich. Der Lenkradkranz kann ebenfalls erwärmt und der Lenkwiderstand in drei Modi eingestellt werden. Eine Zwei-Zonen-Temperaturautomatik sorgt für angenehmes Klima. Dass die Lobeshymnen dennoch verhalten ausfallen, liegt daran, dass viel schlichtere Merkmale offenkundig vergessen wurden: Dem Lenkrad fehlt eine Längs-Verstellbarkeit und warum die Scheibenheber-Automatik auf der Fahrerseite nur abwärts funktioniert und nicht aufwärts, ist ebenfalls nicht recht einzusehen.

Das Tom-Tom-Navigationssystem, das über eine sieben Zoll große Touchscreen bedient wird, ist nicht inklusive, aber mit 600 Euro Aufpreis durchaus moderat berechnet. Zum Paketpreis gehören noch die Rückfahrkamera, Bluetooth-Freisprecheinrichtung sowie USB- und HDMI-Anschluss. Obwohl die CD als Tonträger noch immer 60 Prozent Anteil am Musikmarkt hat, ist ein Player nicht vorgesehen. Knieairbag und Isofix-Halterungen sollten als nicht immer selbstverständliche, aber hier vorhandene Sicherheitsfeatures Nennung finden. Für Assistenzsysteme wie Spurwechselwarner oder Einpark-Automatik muss man wohl auf die nächste Tivoli-Generation warten.

Die dicke C-Säule und die muskulösen hinteren Kotflügel geben dem Ssangyong Tivoli eine robuste Erscheinung.

Die dicke C-Säule und die muskulösen hinteren Kotflügel geben dem Ssangyong Tivoli eine robuste Erscheinung.

(Foto: Textfabrik/Busse)

Die Orientierung zwischen Anzeigen und Bedienelementen fällt leicht, alles ist funktional angeordnet. Wer ein Fahrzeug mit Navigation oder wenigstens Mitten-Display bewegt, bekommt es allerdings mit zwei separat laufenden Zeitanzeigen zu tun. Da beide Uhren nicht GPS-gesteuert sind, müssen sie zweimal im Jahr manuell aktualisiert werden. Oder man lässt gleiche eine Uhr auf Sommer- und die andere auf Winterzeit laufen. Hauptsache, man verwechselt sie nicht, wenn man mal schnell zu einem Termin düsen muss.

Angenehme Platzverhältnisse

Da der Radstand 2,60 Meter beträgt (und damit zehn Zentimeter mehr als zum Beispiel beim Vitara), können sich die Fondpassagiere über ordentliche Beinfreiheit freuen. Der kantige Karosseriezuschnitt bedingt darüber hinaus eine angenehme Kopffreiheit selbst für Passagiere über 1,90 Meter Körperlänge. Das Gepäckfach bietet wegen der Antriebstechnik für die Hinterachse beim Allradler etwas weniger Laderaum als die 423 Liter, die für den Fronttriebler gelten. Wie groß der Unterschied genau ist, wurde vom Hersteller noch nicht mitgeteilt. Durch Umlegen der Rücksitzlehnen – sie sind für mehr Komfort in der Neigung verstellbar - werden daraus 1115 Liter, obendrein gibt es eine ebene Ladefläche, die bis auf eine Tiefe von 1,50 Meter genutzt werden kann. Die zu überwindende Ladekante ist jedoch mit 78 Zentimetern ungewöhnlich hoch. Wer sich am Tivoli eine Anhängerkupplung montieren lässt, kann bis zu 1,5 Tonnen auf den Haken nehmen. Das ist in etwa das Gewicht des Zugfahrzeugs.

Die ebene Ladefläche im Tivoli ist fast 1,60 Meter tief, ohne dass die Vordersitze verstellt werde müssen.

Die ebene Ladefläche im Tivoli ist fast 1,60 Meter tief, ohne dass die Vordersitze verstellt werde müssen.

(Foto: Textfabrik/Busse)

Seit seiner deutschen Markteinführung im vergangenen Jahr hat sich der Tivoli zum Bestseller im Modellangebot von Ssangyong gemausert. Ein Drittel der prognostizierten Neuzulassungen wurde bereits erreicht. Abweichend vom Marktgeschehen bei den größeren SUV bevorzugen die Kunden jedoch keine Dieselmotoren. Dabei gäbe es trotz des Mehrpreises für den Selbstzünder ernsthafte Gründe, damit zu liebäugeln. Der 1,6-Liter-Vierzylinder ist, Betriebstemperatur vorausgesetzt, ein zurückhaltender Bursche, läuft vibrations- und geräuscharm. Gleichzeitig stemmt er ein respektables Drehmoment von 300 Newtonmetern auf die Kurbelwelle, was ihm zu einem bemerkenswerten Temperament schon ab 1500 Umdrehungen verhilft. "Gefühlt" sind da deutlich mehr als 115 PS am Werk.

Mit optischer Lenkhilfe

Der Allradantrieb verteilt die Kraft je nach Bedarf auf Vorder- und Hinterachse, was in der Praxis bedeutet, dass die Hinterräder dann aushelfen, wenn vorn die Haftung in Gefahr ist. Für eventuelle Ausflüge ins Gelände oder bei erkennbar rutschigem Untergrund kann man per Tastendruck am Armaturenbrett eine Fifty-fifty-Verteilung verriegeln ("Lock"). Die Berganfahrhilfe ist ebenso serienmäßig wie das Reifendruck-Kontrollsystem. Als weitere Anleihe aus dem Offroad-Bereich darf wohl angesehen werden, dass eine Grafik zwischen den Hauptinstrumenten vor dem Anfahren über den vorhandenen Lenkeinschlag bzw. die Stellung der Vorderräder informiert.

Ohne den Insassen durch übermäßigen Motorlärm oder heftige Windgeräusche auf die Nerven zu gehen, übertraf der Testwagen die werksseitig angegebene Höchstgeschwindigkeit und erreichte GPS-gemessene 179 km/h. Bei moderatem Tempo wusste er durch soliden Federungskomfort und das Fehlen von Verwindungsgeräuschen zu gefallen. Der Testverbrauch von 5,8 Litern ist auf einen hohen Überland-Anteil der Testfahrten zurück zu führen, mit mehr Kurzstrecken-Betrieb dürfte eine sechs vor dem Komma realistisch sein. Dass es eine Start-Stopp-Automatik nur gegen Aufpreis von 300 Euro gibt, gehört zu den weniger erfreulichen Details des sonst ausgewogenen Angebots. Bei 0,2 Litern zu erwartender Spritersparnis je 100 Kilometer, kann jeder selbst ausrechnen, ob sich die Investition lohnt.

Fazit: Obwohl er recht eckig daher kommt, ist das Ssangyong Tivoli eine runde Sache. In seinem Wettbewerbsumfeld wird er den Exoten-Status wohl bald verlieren, wenn sich herumgesprochen hat, dass hier vernünftige Technik und umfangreiche Ausstattung zu einem moderaten Preis angeboten werden. Einige technische Details wünschte man sich mehr an Notwendigkeit und Praxis orientiert, doch wo käme man hin, wenn alles gleich auf Anhieb perfekt wäre?

DATENBLATTSsangyong Tivoli e-Xdi 160
Abmessungen (Länge/Breite/Höhe)4,20/ 1,83/ 1,71 m
Radstand2,60 m
Leergewicht (DIN)1465 kg
Sitzplätze5
Ladevolumen423 / 1115 Liter
Motor4-Zylinder-Dieselmotor mit 1597 ccm Hubraum
Getriebe6-Gang-Handschaltung
Leistung85 kW/115 PS bei 3400 U/min
KraftstoffartDiesel
AntriebAllradantrieb
Höchstgeschwindigkeit179 km/h
Tankvolumen47 Liter
max. Drehmoment300 Nm bei 1500 U/min
Beschleunigung 0-100 km/h12 Sekunden
Normverbrauch (kombiniert)4,7 l
Testverbrauch5,8 l
EffizienzklasseEU6
Grundpreis19.990 Euro
Preis des Testwagens28.090 Euro

Quelle: ntv.de

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