Der neue BMW-Zwölfzylinder Statement für die Königsklasse
05.08.2009, 12:01 UhrDie neue Luxuslimousine aus dem Hause BMW wirft Fragen auf: Muss der Marken-Slogan von der "Freude am Fahren" geändert werden? In dieser Preis- und Kundenklasse steht eher das Gefahren werden im Vordergrund. Man kann das Auto also aus mindestens zwei Perspektiven sehen - je nachdem, ob man vorn links oder hinten rechts sitzt.

Bei einem Radstand von 3,21 Metern bleiben für die hinten Sitzenden keine Wünsche nach Beinfreiheit offen.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Die Suche nach einem geeigneten Aufbewahrungsort für den Schlüssel hat der Fahrer gleich wieder eingestellt. Es gibt ihn nicht. Mindestens bis zur nächsten Modellpflegemaßnahme muss der Schlüssel also noch in der Hosentasche, dem Getränkehalter, der Türablage, dem Aschenbecher oder sonstwo verbleiben.
Wer hinten rechts Platz nehmen darf, merkt von alledem nichts. Die Kontursitze sind bereits auf den idealen Lehnenwinkel eingestellt, das Fond-Klimatisierungssystem fächelt eine milde Brise über den Scheitel. Der zusätzliche Kompressor für die vom Dachhimmel her ausströmende Luft hat nur 1590 Euro zusätzlich und rund 50 Liter Kofferraumvolumen gekostet. Der Fahrgast weiß nicht recht, ob er die Jalousien für Heck- und Seitenscheiben (in der Langversion serienmäßig) elektrisch hochfahren und ein Nickerchen machen oder sich lieber über tagesaktuelle Geschehnisse in den TV-Nachrichten informieren soll. Wahrscheinlich wird er beides tun, denn die Bildwiedergabe über die beiden Fond-Monitore ist ohne seitliche Sonneneinstrahlung besser.
Dezenter Ton zu kraftvollem Antritt

Statt im Fond Fernsehen zu schauen, greifen die Herrschaften beim 760Li auch mal gern selbst ans Lenkrad.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Der oder die vorn links Sitzende hat derweil genug damit zu tun, das Temperament des rechten Fußes im Zaum zu halten. Mehr als 540 PS sind das eine, das andere aber sind 750 Newtonmeter Drehmoment, die bereits ab 1500 Umdrehungen aktiv sind. Das bedeutet Beschleunigung, die sogar vielen Sportcoupés das Nachsehen gibt und die auch für die Insassen des 760Li nicht ohne Risiko ist. Hundertsechzig Stundenkilometer fühlen sich an wie 80, im Nu fällt die 200er-Marke, ohne dass sich Motor- oder Windgeräusch wesentlich verstärken.
Das Gefühl für das wahre Tempo kann einem leicht abhanden kommen, so sanft und unspektakulär prescht die schwere Limousine dahin. Nicht einmal beim kräftigen Zwischenspurt entfährt dem Auspuff so etwas wie ein zorniges Brummen. Beim gemächlichen Reisetempo um 150 km/h ist je nach Straßenbelag das Abrollgeräusch noch das Lauteste, was die Passagiere erleben.

Genau hinsehen: Breitere Chromringe um die BMW-Niere sind das Erkennungsmerkmal des Zwölfenders.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Aber der rund 2,2 Tonnen schwere Trumm muss im Notfall ja auch wieder eingefangen werden. Zwar sind Haube, Dach und Türen aus Aluminium, doch bringen mehrere Dutzend Stellmotoren das gesparte Gewicht wieder ganz schnell ins Auto. Es mag überraschen, dass sich eine Luxuskarosse dieser Leistungsklasse mit Einkolben-Scheibenbremsen zufrieden gibt. Die Bremsenergie wird, Ehrensache für den betuchten Öko-Sympathisanten, zurückgewonnen und der Batterie zugeführt. Zum ausgeklügelten System der Sicherheits- und Fahrdynamik-Systeme gehören ABS und DTC (Dynamik Traction Control), Kurvenbremshilfe, Bremsassistent, Trockenbremsfunktion, Fading-Ausgleich, Anfahrassistent und Wankstabilisierung. Letztere hilft, die hochmögenden Fond-Insassen in der Aufrechten zu halten, wenn es mal sehr zügig um die Kurven gehen muss.
Wunder-Schaltwerk auch für den Hybrid

Am Heck weisen die rechteckigen doppelten Auspuff-Endrohre auf den größten Motor im BMW-Programm hin.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Das gemeinsam mit ZF entwickelte Achtgang-Getriebe ist ein Muster an Geschmeidigkeit, ist im höchsten Gang mit 0,67 extrem lang übersetzt und kann, falls die Verkehrssituation maximale Schubkraft erfordert, auch blitzschnell vom achten zum Beispiel in den dritten Gang zurückschalten. An den butterweichen Übergängen gibt es ebenso wenig etwas zu kritteln wie an den ultrakurzen Schaltzeiten, die auf dem Niveau eines Doppelkupplungsgetriebes liegen. Noch hat BMW dieses Wunder-Schaltwerk exklusiv für sich, wenn der V8-Hybrid für den 7er fertig ist, wird es auch dort angeboten. Doch Audi steht schon in den Startlöchern, um es in seinen A8 einzubauen.

Der V 12-Schriftzug ist von innen beleuchtet und ziert die Einstiegsleisten unter den Türen.
(Foto: Textfabrik/Busse)
Als Aufnahmegebühr in den honorigen BMW-Zwölfzylinder-Club sind 134.900 Euro zu entrichten. Unerschwinglich für die meisten, deshalb ist Exklusivität garantiert. Den meisten Kunden dieser Klasse ist da aber noch nicht genug. Ein Auto von der Stange? Niemals! China ist mit 23 Prozent Anteil am BMW-Zwölfzylinderabsatz als Markt schon so bedeutend wie die USA. In Fernost hat man bekanntlich kein Problem damit, die Früchte seines – hoffentlich legalen – Bemühens öffentlich zu genießen. Dort werden BMW 760er geordert, die dank Sonderausstattung die 200.000-Euro-Marke so deutlich hinter sich gelassen haben, wie die soeben überholte Rikscha.
Quelle: ntv.de