Praxistest

Erste Ausfahrt mit Porsches GT3 Zwanghaft schnell

Alltagstauglicher Rennwagen oder rennstreckentaugliches Alltagscoupé? Was auch immer der GT3 ist - er bietet hohes Suchtpotential.

Alltagstauglicher Rennwagen oder rennstreckentaugliches Alltagscoupé? Was auch immer der GT3 ist - er bietet hohes Suchtpotential.

(Foto: Textfabrik)

Streng genommen ist es mehr als verwunderlich, dass der gesamte Porsche-Vorstand nicht schon längst wegen der Verbreitung von Suchtmitteln in Haft genommen wurde. Von Strafverfolgung verschont bleiben die Manager wohl nur deshalb, weil der Gesetzgeber zwischen legalen und illegalen Drogen unterscheidet. Tatsache ist aber jedoch, dass sich die Anwender der Produkte des Hauses Porsche nur ganz selten dem Drang entziehen können, es wieder und wieder zu tun.

So eine Droge auf vier Rädern kommt in Kürze in überarbeiteter Gestalt auf den Markt. Das Modell 911 GT3. Selbst ausgewiesene Experten wie Rallye-Legende Walter Röhrl sind sich nicht ganz sicher, ob es sich dabei um einen Rennwagen handelt, der in straßenzulässiger Form angeboten wird, oder um ein Alltagscoup, mit dem man auch Rundstrecken-Rennen fahren kann. "Früher, bei den ersten Modellen, war es gewiss mehr Rennauto, das dem Fahrer einiges abverlangte", sagt Röhrl, "mit Entwicklung und Einbau von Fahrhilfen und Assistenzsystemen ist es ein Auto geworden, das man auch Menschen anvertrauen kann, die nicht über so viel Erfahrung verfügen".

Erfahrung hin oder her - wer am Steuer sitzt, kann sich der Aufmerksamkeit seiner Mitmenschen sicher sein. Dafür sorgen schon die großen Lufteinlässe am Bug, ein neues Gitter vor der Haube und der gewaltige Spoiler am Heck. Ein Neunelfer zum Versteckspielen sieht anders aus. Doch im Gegensatz zum GT2, der auch einen großen Heckspoiler hat, funktioniert die Herstellung beeindruckender Fahrleistungen hier nicht nach dem Turbo-Prinzip, sondern durch hohe Drehzahlen.

Nicht nur der gewaltige Heckspoiler macht den Wagen zum Hingucker.

Nicht nur der gewaltige Heckspoiler macht den Wagen zum Hingucker.

Sieben Ölpumpen im Dauereinsatz

Herzstück des Sportgerätes ist der bekannte Sechszylinder-Boxermotor, der über ein äußerst stabiles Kurbelgehäuse verfügt und seine erste Verwendung in den rennerprobten RS-Modellen fand. Der Zeiger des zentralen Drehzahlmessers hat die 8000er-Marke längst hinter sich gelassen, wenn der Begrenzer in Aktion tritt. Der Hubraum wurde beim neuen Modell geringfügig auf 3,8 Liter angehoben, sieben Ölpumpen sorgen dafür, dass auch bei extremer Querbeschleunigung für ausreichend Schmierung gesorgt ist. Von einem 435 PS starken renntauglichen Auto wird nicht verlangt, Sparrekorde aufzustellen, aber Porsche hat den Ehrgeiz, bei jedem weiter entwickelten Modell auf einen Minderverbrauch verweisen zu können. In diesem Fall sind es nach Normtest 0,2 Liter weniger gegenüber 13, die der Vorgänger konsumierte.

Mit unglaublicher Präzision folgt der Wagen winzigen Lenkbewegungen.

Mit unglaublicher Präzision folgt der Wagen winzigen Lenkbewegungen.

An dieser Stelle kommt wieder das Suchtverhalten ins Spiel. Zwanghafte Druckbewegungen, ausgehend vom rechten Fußgelenk, ist eines der häufigsten Symptome, die die Abhängigen zeigen. Die Folge: Die erste Dosis GT3, verabreicht diese Woche gemäß den Angaben des Herstellers auf kurvigem Geläuf in der Schwäbischen Alb ergab einen Durchschnittsverbrauch von mehr als 16 Litern.Welch ein Schnäppchen gemessen an der wohltuenden Wirkung! Gehör und Gleichgewichtssinn stehen gleichermaßen unter Dauerfeuer, wenn dem Bewegungsdrang des Fußgelenks nachgegeben wird. Es gibt den GT3 "nur" mit einer Sechsgang-Handschaltung, was bedeutet, dass man die Gänge so knallhart einrasten lassen kann, bis maximale 430 Newtonmeter auch am letzten Lendenwirbel angekommen sind.

Ein Fest für die Sinne

Wie eingegossen in schmale Rennschalen, dafür aber optimal abgestützt gegen die Neigung des Körpers, den auftretenden Fliehkräften zu folgen, erleben die Insassen ein Fest der Sinne, wie es wohl nur mit der ersten Karussellfahrt im Kindesalter zu vergleichen ist. Mit unglaublicher Präzision, dabei dirigiert mit minimalem Kraftaufwand, folgt der Wagen winzigen Lenkbewegungen, klebt dabei aber förmlich auf dem Asphaltband und fordert zu noch beherzterer Gangart heraus. Begleitet vom typischen heiseren Röhren und Rasseln des Boxers verengt sich in den Gedanken des Fahrers der Kreis jener Autos mehr und mehr, die ein so unmittelbares und dynamisches Fahrerlebnis vermitteln.

Wer vom ersten Trip zurückgekehrt und nicht völlig angefixt aus dem Auto steigt, ist wohl gänzlich unempfindlich für die Freuden von Längs- und Querbeschleunigung. Als sei der Sportlichkeit nicht genug getan, gibt es zusätzlich eine "Sport"-Taste im Cockpit, die ab 4000 Umdrehungen ein noch krasseres Ansaug- und Verbrennungsgeräusch entfesselt. Gleichzeitig erinnern 40 weitere Newtonmeter mehr Durchzugskraft an den Schub, den ein aufgeladener Motor bei einsetzender Turboleistung den Insassen beschwert.

Hebetechnik für die Vorderachse

Wieder halbwegs bei Sinnen, lässt sich gut noch ein Blick auf die rationale Seite des GT3 werfen. Überall wurde Gewicht gespart, so dass trotz größerer Bremsen, zusätzlicher Stabilisierungselektronik und größerer Motorteile am Ende exakt das Gewicht des Vorgängers herauskam. Das Leistungsgewicht verbesserte sich somit auf 3,2 Kilogramm je PS. 12,1 Sekunden von 0 bis 200 km/h haben die Porsche-Tester gemessen, das ist 0,8 Sekunden schneller als beispielsweise der 125 PS stärkere Lamborghini Gallardo.

Überall am GT3 wurde Gewicht gespart.

Überall am GT3 wurde Gewicht gespart.

Ein Komfortmerkmal dieses italienischen Konkurrenten gibt es jetzt auch bei Porsche: Für 2975 Euro extra kann man ein Liftsystem an der Vorderachse bestellen, das für die beschädigungsfreie Einfahrt in Parkhäuser oder über Rampen den Vorderwagen um 30 Millimeter anhebt. Ohne dies hängt die vordere Spoilerlippe nur 85 Millimeter über Grund. Bei einem Anschaffungspreis von knapp 117.000 Euro erscheint diese der Unversehrtheit des kostbaren Autos dienende Mehrausgabe durchaus angebracht.

Quelle: ntv.de

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