Zum Lachen und Verzweifeln Die Burka auf der Bühne
15.05.2011, 11:56 Uhr
"In dieser bescheuerten Verpackung!"
(Foto: picture alliance / dpa)
Für die einen ist es eine "verwachsene Tradition", für die anderen die "Auslöschung des Gesichts": Das Schauspiel Hannover thematisiert in einer Uraufführung die Vollverschleierung von Frauen in einem Theaterstück. Politisch unkorrekt bringt es die Zuschauer zum Lachen, aber auch zum Zweifeln.
Er lebt seit Jahren in Deutschland, ist ein Vorzeigemoslem, ein "Integrationswunder", wie ihn sein bester Freund nennt. Doch dann verliebt er sich auf einer Reise in sein persisches Herkunftsland - in eine verschleierte Frau. Das Schauspiel Hannover bringt in einer Uraufführung mit "Ursprung der Welt" den Konflikt um den Islam und die Burka auf die Bühne. Es ist ein Theaterstück, in dem zwei Freunde stellvertretend für die deutsche und europäische Gesellschaft diskutieren - über die sexuelle Hemmungslosigkeit auf der einen Seite und die religiöse Unterdrückung von Frauen auf der anderen Seite.
"Das Stück spielt mit vielen Klischees und Meinungen über den Schleier", sagt Regisseurin Tina Lanik, die das eineinhalbstündige Theaterstück inszeniert hat und am Freitagabend als Voraufführung in Hannover zeigte. Für Samstag war die Uraufführung geplant. Es bringe den Konflikt unterhaltsam, aber auch nachdenklich auf den Punkt, sagt Lanik. "Der Zuschauer ertappt sich, wie er erst einer Argumentation folgt und dann aber auch die nächste Wendung versteht."
Dementsprechend hin und her gerissen ist das Publikum zwischen Verstehen, Zweifeln und Reflektieren, während die Schauspieler in einem komplett weißen Raum um einen langen Tisch herumlaufen und sich gegenseitig anbrüllen. "Warum lässt du sie hier in dieser bescheuerten Verpackung rumlaufen?", fragt Gyges (Janko Kahle) außer sich vor Wut. "Sie will das so, was soll ich tun? Der Schleier ist ein Teil von ihr, der ist mit ihr verwachsen", antwortet sein Freund Kandaules (Rainer Frank) verzweifelt. "Mit welchem Recht kann ich ihr irgendwas verbieten?"
Der Schlagabtausch der Freunde Gyges und Kandaules basiert auf einem griechischen Mythos von Herodot aus dem 5. Jahrhundert v. Chr. Soeren Voima - ein Autorenpseudonym, hinter dem mal eine Gruppe von Theaterleuten, mal ein einzelner Künstler stecken - hat es in die Jetzt-Zeit übertragen. Die Geschichte ist uralt und trotzdem, angesichts der Diskussionen über das Kopftuch in Deutschland und des Burkaverbots in Frankreich, brandaktuell.
Bloß nicht zu pc!
"Theater hat meiner Meinung nach auch die Aufgabe, gesellschaftspolitische Aussagen zu treffen", sagt Regisseurin Lanik. Es ist ihr erstes Theaterstück über den Islam. "Ich musste aufpassen, dass das Stück politisch nicht zu korrekt erscheint", erklärt Lanik. Schließlich wolle "Ursprung der Welt" keine Antworten geben, sondern anregen, über die eigenen Vorurteile und Missverständnisse nachzudenken.
"Das ist eine Tradition, wie ein Dirndl im Grunde. Nur eben überm Kopf", verteidigt Kandaules den Schleier seiner Frau im Stück. "Aber du kannst doch nicht so ein ausgesprochenes Aushängeschild des Sexismus spazieren führen!", entgegnet Gyges. Letztlich gipfelt der Streit der Freunde in einem fatalen Ende: Gyges sieht Kandaules' Liebste ohne Schleier. Beim Anblick der jungen Frau versteht er dessen Glück und zerstört es zugleich.
Quelle: ntv.de, Anja Hübner, dpa