Angst vor Virginia Woolf Edward Albee wird 80
11.03.2008, 08:28 UhrEdward Albee gilt als einer der wichtigsten und einflussreichsten Dramatiker der USA - und doch ist er eigentlich nur für ein Stück berühmt. Seine bittere Ehe-Satire "Wer hat Angst vor Virginia Woolf?", sein erstes abendfüllendes Stück, machte ihn 1962 auf einen Schlag zum unumstrittenen Star am US-Theaterhimmel. Mike Nichols' Verfilmung mit Elizabeth Taylor und Richard Burton vier Jahre später verbreitete seinen Ruhm rund um die Welt. Und doch sah Albee die Lobpreisungen mit gemischten Gefühlen. Das Stück "hängt mir am Hals wie eine glänzende Medaille - wirklich schön, aber ein bisschen beschwerlich", sagte er einmal. Am Mittwoch wird der immer noch aktive Autor in New York 80 Jahre alt.
Wie auch in anderen frühen Werken übt Albee in dem Stück gnadenlos Kritik am "American Way of Life", an der Hohlheit gesellschaftlicher Konventionen und moralischer Fassade. Seine Protagonisten George und Martha, ironisch nach dem US-Vorzeigepräsidenten George Washington und seiner Frau benannt, liefern sich auf Kosten eines anderen Paares ein hasserfülltes und doch seltsam vertrautes Ehe-Gefecht. Liz Taylor und Richard Burton konnten bei der Verfilmung auf Erfahrungen aus ihrer eigenen turbulenten Beziehung zurückgreifen.
Mutter von der Seele geschrieben
Schon kurz nach Erscheinen sorgte "Virginia Woolf" für einen Eklat. Mit knapper Mehrheit versagte die Jury dem Autor den Pulitzer-Preis für das "filthy play" (schmutzige Stück). Aus Protest verließen daraufhin mehrere Mitglieder das angesehene Gremium. Später wurde Albee drei Mal mit dem Pulitzer-Preis versöhnt: Seine Dramen "Empfindliches Gleichgewicht" (1966), "See-Eskapade" (1974) und "Three Tall Women" (1991) erhielten dann doch die höchste amerikanische Theaterauszeichnung. Das letzte Stück, eine brillante Collage über eine Frau in drei verschiedenen Lebensabschnitten, ist vielleicht Albees persönlichstes Werk. Ungeniert offen arbeitet er darin die schwierige Beziehung zu seiner Adoptivmutter auf. "Natürlich habe ich sie mir von der Seele geschrieben - aber ich habe mir in allen Stücken alle Figuren von der Seele geschrieben", bekannte er.
1928 vermutlich im US-Bundesstaat Virginia geboren, war Edward mit 14 Tagen von der schwerreichen, stockkonservativen Familie Albee adoptiert worden. Sein Vater Reed, ein notorischer Fremdgänger, besaß eine große Theaterkette, die Mutter Frances ("Frankie") war ein Haute-Couture-Mannequin: streng, fordernd und kühl. Mit fünf erfährt Edward, dass er ein Adoptivkind ist. "Ich war nicht überrascht. Ich hatte nicht das Gefühl, dass ich zu ihnen gehöre." Sein Schwulsein vertieft die Entfremdung mit den Eltern noch.
Theater "klappte dann besser"
Mit 21 bricht er die Beziehung zu ihnen ab und schlägt sich in New York mit Gelegenheitsjobs vom Telegrammboten bis zum Barmann durch. Daneben schreibt er Gedichte und Romane. "Mit 29 wollte ich immer noch Schriftsteller werden, aber ich hatte es weder als Dichter noch als Romancier zu etwas gebracht. Also versuchte ich es mit einem Theaterstück. Das klappte dann besser."
Albees erstes Stück, der Einakter "The Zoo Story", wurde 1959 zusammen mit einem Beckett-Drama am Berliner Schiller-Theater uraufgeführt - daheim hatte es keine Bühne gefunden. Doch nach dem Erfolg in Deutschland ging es auch in den USA bergauf. "Vielleicht das feinste Stück, das je ein Amerikaner geschrieben hat", lobte die Kritik. Fast 30 Schauspiele folgten in den nächsten knapp 50 Jahren. Zuletzt hatte im Januar "Me, Myself & I" in Princeton Premiere - die skurrile Geschichte um eine verwirrte Mutter mit ständig verwechselten Zwillingen. Aber kein Stück, da sind sich die Kritiker einig, kommt an die szenische Dichte, die brillanten Dialoge und die bitterböse Ironie von "Virginia Woolf" heran.
Von Nada Weigelt, dpa
Quelle: ntv.de