Christian Bale wird 40 Ein künstlerisches Leben im Schatten
30.01.2014, 15:27 Uhr
Christian Bale ist wandlungsfähig. Kriegt er dafür dieses Jahr einen Oscar?
Er ist einer der herausragendsten Schauspieler seiner Generation. Er hungerte sich dreißig Kilo runter - und wieder rauf. Für "Batman" stemmte er Gewichte. Seine Rollen vereint die innere Zerrissenheit. Wie viel Dunkelheit steckt in Christian Bale?
Als der britische Charakter-Darsteller Christian Bale zum ersten Mal mit einem namenhaften Filmemacher zusammenarbeitete, war er noch ein Kind. Hollywood-Regie-Legende Steven Spielberg hatte den Jungen 1987 im zarten Alter von 13 Jahren für sein Kriegsdrama "Das Reich der Sonne" nach dem Roman des englischen Autors J. G. Ballard mit der Hauptrolle bedacht. Die Rolle des Jim "Jamie" Graham, der sich in den Wirren des Zweiten Weltkriegs in Shanghai auf die Suche nach seinen Eltern macht, brachte dem jungen Bale erste gute Kritiken. Das Leinwanddebüt des Walisers entwickelte sich zum Sprungbrett seiner erfolgreichen Karriere.
Christian Bale schaffte in den Folgejahren etwas, das den meisten Kinderstars nur selten gelingt: Obwohl oder gerade weil er keine großen Hauptrollen bekam und auch in keinem Kassenschlager mitwirkte, gelang ihm über kleine aber besondere Rollen die Entwicklung ins schauspielerische Charakterfach scheinbar problemlos.
Der innere Drang mit seinen Darbietungen zu verschmelzen und sich mit extremen Maßnahmen Fähigkeiten oder körperliche Besonderheiten anzueignen, keimte bei Bale schon früh. 18-jährig trainierte der Mime über Monate Martial Arts und Tanz, um sich auf seinen Part in dem Musical "Die Zeitungsjungen" ("Newsies") vorzubereiten. Der Film, der im Kino eine Talfahrt hinlegte, entwickelte sich erst mit seiner Videoauswertung zu einem kleinen Highlight. Bales Performance hingegen wurde von den Kritikern erneut wohlwollend aufgenommen. Von ihm fasziniert, sorgte die Schauspielerin Winona Ryder dafür, dass der junge Brite in ihrem Film "Betty und ihre Schwestern" einen Nebenpart bekam. Christian Bale betrat die Bühne Hollywoods langsam durch die Hintertür.
Psychopaten und Mörder statt Luxusdampfer und Eisberge
Als Erfolgs-Regisseur James Cameron Ende der 1990er nach einem geeigneten Schauspieler für die Rolle des Jack Dawson in seinem Film "Titanic" suchte, sah Christian Bale seine Stunde gekommen. Der Part hätte seinen Aufstieg in die A-Liga-Hollywoods bedeuten können und fast wäre es ihm auch geglückt. Doch dem damaligen Teenie-Schwarm Leonardo DiCaprio musste er sich geschlagen geben. Stattdessen übernahm er den Hauptpart im Glam-Rock-Film "Velvet Goldmine" an der Seite des Schotten und Obi-Wan-Kenobi-Darstellers Ewan McGregor. Seine Arbeit an "Velvet Goldmine" brachte ihm international viel Aufmerksamkeit, aber der Mainstream ließ noch auf sich warten.
Bales Gefallen an skurrilen und sperrigen Charakteren fand in der filmischen Adaption von "American Psycho" des gleichnamigen Skandal-Romans von Autor Bret Easton Ellis, einen ersten Höhepunkt. Seine Darbietung des psychisch kranken Patrick Bateman war an Perversion, Diabolik und zynischer Widerlichkeit kaum zu überbieten. Auch bei diesem Projekt war DiCaprio erneut sein Nebenbuhler, der Titanic-Star kehrte aus Image-Gründen dem Vorhaben aber den Rücken und machte somit den Weg für Bale frei.
Anstatt im Sonnenuntergang küssend am Bug der Titanic mit Rose DeWitt Bukater im Arm das Publikum zu verzaubern, mordete und ekelte sich Christian Bale im Jahr 2000 in "American Psycho" in die Herzen seiner Fans, einen Pfad, den er im selben Jahr in John Singletons "Shaft"-Verfilmung mit Samuel L. Jackson fortführte. Mit der Verkörperung des Walter Wade Junior, der aus purer Langeweile und Bosheit einen Jungen am helllichten Tag auf offener Straße totschlägt, erschuf Bale einen weiteren abartigen und finsteren Charakter.
Menschen, die mit ihren eigenen Emotionen ringen und im Schattenreich der Gesellschaft existieren, wurden zu Bales schauspielerischen Markenzeichen. Diesen Umstand sollte auch ein Mann im Gummianzug, der als zwei Meter große Fledermaus durch die Straßen von Gotham City flitzt, nicht ändern.
Vom Kinderstar zum Fürsten der Finsternis
Psychopaten, Individuen am Rande des Wahnsinns und Kreaturen, die an ihren Emotionen kranken, scheinen für Christian Bale ein normaler Zustand zu sein. In Interviews wirkt er gelegentlich abgelenkt, als würden die Fragen, die ihm gestellt werden, keine Bedeutung haben oder als bedürften sie keiner Antwort. Es gibt Berichte über ihn, in denen er am Filmset als unbeherrscht und aggressiv beschrieben wird. Auch das Wort gewalttätig machte zeitweise die Runde. Was an diesen Geschichten wahr ist oder nicht, wird in den seltensten Fällen nachweisbar sein. Als Publikum sollte man den Schauspieler bewerten, und in diesem Metier gibt es nur wenige Hollywood-Stars, die sich mit Christian Bale auf einem Level befinden.
Als er sich für den unter Schlaflosigkeit leidenden Trevor Reznik in "The Machinist" dreißig Kilo herunterhungerte, fanden einige Kritiker, dass damit die Grenze der Schauspielkunst überschritten sei. Andere lobten Bales Einsatz und feierten sein extremes Method Acting. Die Geister mögen sich daran scheiden, aber die Performance war beeindruckend und der Darsteller legte die Latte für preis- und denkwürdige schauspielerische Leistung damit ein Stück höher.
Dieser Ausflug ins Extreme, war er ja fast bis auf die Knochen heruntergehungert, sollte Bale nicht davon abhalten, für die Rolle des durchtrainierten und Verbrecher jagenden "Dunklen Ritters" vorzusprechen. Wozu gibt es schließlich Fitnessstudios und Aufbautraining? Der nächste Superlativ folgte, diesmal nur in die entgegengesetzte Richtung.
Der "Dunkle Ritter" und die Oscars
Christopher Nolans "Batman Begins" gehört mit Sicherheit in die oberste Riege der Comic-Verfilmungen und Bales Interpretation des Titelhelden ist mit der notwendigen Tiefe und Glaubwürdigkeit dargestellt, um einen Charakter dieser Art mit Leben zu füllen. Ein Film, bei dem einfach alles passt. Der von Bob Kane in den 1930er Jahren geschaffene Comic-Held Bruce Wayne, vom Mord an seinen Eltern erschüttert, kompensiert sein Trauma mit der Erschaffung von "Batman". Auch er ist ein Grenzgänger und kämpft mit seinen inneren Dämonen, somit reiht sich diese Figur nahtlos in Bales Schaffen als Schauspieler ein. Die Fortsetzung der Fledermaus "The Dark Knight" setzte dem nochmals einen drauf und avancierte zu einem der erfolgreichsten Filme überhaupt. Der leider viel zu frühe Tod des australischen Joker-Darstellers Heath Ledger ist ein trauriger Aspekt, der mit diesem Erfolg einherging. Christian Bale hingegen war mit dem zweiten Teil der Batman-Saga endgültig im Hollywood-Olymp angekommen.
Auch wenn mit "Terminator Salvation" und "The Dark Knight Rises" weitere Mega-Produktionen folgten, ließ der nun erfolgsverwöhnte Schauspieler es sich nicht nehmen, weiter seinem Hang für skurrile Rollen nachzugehen. Im Gangsterdrama "Harsh Times" lieferte er mit der Verkörperung des Ex-Soldaten Jim Luther Davis erneut ein Glanzstück seiner künstlerischen Laufbahn ab. Auch wenn der Film etwas dahinplätschert, so ist die Bedrohung, die von Bales Schauspielerei ausgeht, in jeder Szene präsent und bis zur Unerträglichkeit beängstigend.
Enorme Leinwandpräsenz
Eine Bombe kurz vor der Explosion: In Michael Manns 30er Jahre Gangster-Epos "Public Enemies" verkörperte er den kühlen und wortkargen FBI-Ermittler Melvin Purvis als Gegenpol zu Johnny Depp. Auch hier zeigte er, wie spielerisch und leicht es ihm gelingt, mit kleinen Gesten und Blicken seine enorme Präsenz auf der Leinwand zu entfalten. Im biografischen Sport-Drama "The Fighter" aus dem Jahr 2010 überzeugte Bale nicht nur die Kritiker, sondern auch die Jury der Oscar-Verleihung und heimste die Trophäe für die "Beste Nebenrolle" ein. Seine Darstellung des crack- und kokainabhängigen Ex-Boxers Dicky Eklund, der seinen ebenfalls boxenden Halb-Bruder trainiert, beeindruckt auf ganzer Linie.
Es sind Charaktere wie dieser, die Christian Bale von der Masse Hollywoods abheben und die sich wie ein roter Faden durch sein künstlerisches Werk ziehen. Als Retter von Gotham City hat er seinen Marktwert enorm gesteigert, aber die gelungene Darstellung "Batmans" macht ihn nicht außergewöhnlich. Es ist die Interpretation von emotional Kranken, von Opfern der Gesellschaft und geistig Verwirrten, die Bale zu einem der Meister seiner Zunft machen.
Wenn am 2. März diesen Jahres im Dolby Theatre in Los Angeles die 86. Oscar-Verleihung stattfindet, ist der Fürst der Extreme ganz vorn mit dabei. Und diesmal geht es um den Hauptpreis. Bale ist für seine Performance des Trickbetrügers Irving Rosenfeld in der Drama-Komödie "American Hustle" in der Kategorie "Bester Hauptdarsteller" nominiert. Verdient hätte er die Königsauszeichnung längst. Christian Bale wird heute 40 Jahre alt.
Quelle: ntv.de