Mit viel Humor und Disziplin Heidi Kabel wird 95
27.08.2009, 10:12 UhrHeide Kabel stand immer mit Leib und Seele auf der Bühne und erarbeitete sich schnell den Ruf einer echten Volksschauspielerin. Sie spielte sogar ein Stück zu Ende, nachdem sie vom Tod ihres Mannes erfuhr.

Heidi Kabel stand in 66 Jahren für 160 Stücke auf der Bühne (Archivbild 27.08.2004).
(Foto: picture-alliance/ dpa)
Der Begriff Volksschauspielerin passt wohl zu niemandem so gut wie zu Heidi Kabel. Das Hamburger Ohnsorg-Theater ist untrennbar mit ihrem Namen verbunden, in 66 Jahren stand sie in mehr als 160 Stücken auf der Bühne des niederdeutschen Theaters. "Sie kommt immer als Mensch auf die Bühne, und man vergisst, dass sie spielt. Darum ist sie eine echte Volksschauspielerin", sagte ihr Schauspielkollege Peter Striebeck einmal. Als das Fernsehen 1954 begann, Ohnsorg-Stücke zu übertragen, machte die Hamburger Deern die Waterkant auch bei den Bayern populär. Am 27. August feiert Heidi Kabel ihren 95. Geburtstag im Kreise ihrer Liebsten - mit fünf Enkelkindern und drei Urenkeln.
Ihrer Mutter, die in einem Hamburger Altenheim lebt und an Demenz leidet, gehe es "ihrem Alter entsprechend", sagte ihre Tochter Heidi Mahler. Da sie Arthrose im Knie hat, könne sie nicht mehr laufen und sitze im Rollstuhl, "aber ansonsten nimmt sie noch regen Anteil", sagte die 65-Jährige, die in vielen Stücken gemeinsam mit ihrer Mutter auf der Bühne stand. Am stärksten in Erinnerung geblieben ist ihr dabei "Mudder Mews". "Da hat meine Mutter erst die Elsbe gespielt und dann die Mutter Mews, und dann habe ich die Elsbe gespielt und die Mutter Mews." An ihrer Mutter schätze sie am meisten, "dass sie Zuhause eine richtige Mutter war und im Theater eine so fantastische Schauspielerin - und das alles unter einen Hut bekommen hat".
Beliebteste Schauspielerin des volkstümlichen Theaters

Heidi Kabel am 14. Dezember 1986 bei der Aufführung des Stücks "Froo Pieper levt gefährlich" im Ohnsorg-Theater in Hamburg.
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Dabei wollte Heidi Kabel zunächst gar keine Schauspielerin werden, sondern Pianistin. Mit 18 Jahren begleitete sie 1932 eine Freundin zum Vorsprechen an die "Niederdeutsche Bühne", die Richard Ohnsorg 1902 gegründet hatte - und wurde selbst engagiert, dabei hatte ihre Mutter ihr noch hinterhergerufen: "Heidi, du nicht!" 1937 heiratete sie den Regisseur Hans Mahler, der 1948 zum Leiter des Ohnsorg- Theaters berufen wurde, und bekam drei Kinder: die Söhne Jan-Rasmus und Heiko und die Tochter Heidi. Die Anfangsjahre waren nicht leicht: "Man wollte sich amüsieren, den Krieg vergessen, für ein paar Stunden Fröhlichkeit genießen, bevor man wieder in den tristen Ruinenalltag zurückkehren musste", erinnerte sich Heidi Kabel rückblickend.
Über hanseatische Grenzen hinaus populär wurde Kabel in den 50er Jahren, als das Fernsehen die Aufführungen aus dem Ohnsorg-Theater ausstrahlte. Bald avancierte sie zum Star der Volksbühne, spielte resolute Ehefrauen, keifende Hausdrachen und handfeste Mütter. Neben dem Kölner Willy Millowitsch gehörte Heidi Kabel schnell zu den beliebtesten Schauspielern des volkstümlichen Theaters. Ihre Rolle in "Tratsch im Treppenhaus", wo sie 1962 neben dem unvergessenen Henry Vahl die klatschsüchtige Nachbarin Meta Boldt gab, bleibt ebenso unvergessen wie "Die Kartenlegerin" und "Mudder Mews".
Abschied von der Bühne mit 84
Mit über 70 erweiterte sie ihr Fernsehrepertoire um Charakterrollen - darunter "Mutter und Söhne" und die Serie "Heidi und Erni" mit der bayerischen Volksschauspielerin Erni Singerl. Beide spielten Witwen desselben Mannes, die einander erstmals bei der Testamentseröffnung begegneten. An Silvester 1998 - mit 84 Jahren - nahm Heidi Kabel Abschied von der Bühne des Ohnsorg-Theaters. Die Doppelrolle in dem Lustspiel "Mein ehrlicher Tag" war einst ihr erstes Tourneestück gewesen. In dem Kinofilm "Hände weg von Mississippi" von Detlev Buck hatte sie 2007 noch einmal einen kurzen Gastauftritt neben ihrer Tochter.
Beruflich haben sich Disziplin und Fleiß ausgezahlt, das zeigen schon die Preise, mit denen sie überschüttet wurde. Die Werte hatte ihr die strenge Mutter beigebracht, der Vater war eher für jeden Spaß zu haben. "Wie sehr dieser Disziplin-Wahn über die Jahre an ihr genagt hat, weiß nur sie selbst", meint ihr Enkel Jan Hinnerk Mahler, der auch eine Biografie über seine berühmte Oma geschrieben hat. Im März 1970 bestand sie darauf, die Vorstellung von "Suuregurkentied" zu Ende zu spielen, obwohl sie in der Pause die Nachricht vom Tod ihres Mannes erhalten hatte. "Sie ist so erzogen worden, dass man keine Gefühle zeigt und dass man das mit sich selber ausmachen soll", sagt ihre Tochter. Darunter habe vor allem ihre Mutter gelitten, "aber sie hat uns gegenüber immer ihre ganze Liebe gezeigt".
Quelle: ntv.de, Carola Große-Wilde, dpa