16 Stunden lang am Flügel Igor Levit meistert Klavier-Quälerei
31.05.2020, 11:40 Uhr
Ein Hauskonzert durfte Igor Levit Anfang April einsam im großen Saal des Schlosses Bellevue spielen.
(Foto: picture alliance/dpa)
840 Wiederholungen, ein sehr langsames Tempo und keine deutliche Melodie - das ist "Vexations" des französischen Komponisten Satie aus dem 19. Jahrhundert. Und es passt gut zur aktuellen Lage von Künstlern in der Corona-Krise, sagt Pianist Igor Levit. Zur Aufrüttlung spielt er das Werk in seiner Gänze.
Nach fast 16 Stunden hat der Pianist Igor Levit seinen Klavier-Marathon vollbracht und das Werk "Vexations", was so viel wie Quälerei bedeutet, des französischen Komponisten Eric Satie mit seinen 840 Wiederholungen beendet. Am frühen Morgen sank Levit nach der letzten Note am Flügel in einem Berliner Studio kurz in sich zusammen, stand auf und zog sich zurück. Kurz danach schrieb er auf Twitter: "Fertig. Erledigt. Glücklich. Dankbar. Und so was von high".
Levit hatte die Notenblätter für die Aufführung mit jeder einzelnen Wiederholung neben sich auf dem Flügel gestapelt. Nach einer Wiederholung ließ er jedes einzelne Blatt auf den Boden fallen. Das Konzert wurde über mehrere Kanäle gestreamt. Mit dem Auftritt wollte der 33-Jährige auf die Notlage der Künstler angesichts der Einschränkungen durch die Corona-Pandemie aufmerksam machen.
Das Ende des 19. Jahrhunderts komponierte Werk gilt als eines der längsten der Musikgeschichte. In seiner Monotonie und Grenzwertigkeit passe es gut zur aktuellen Lage der Künstler und wirke wie "ein stummer Schrei". Die aktuelle Lage sei "brutal", hatte Levit vor dem Konzert gesagt. "Körperlich, mental, emotional." Für Musiker sei die Bühne lebensnotwendig.
Kompliziertes Werk
Eric Satie (1866-1925) hat das Werk Ende des 19. Jahrhunderts komponiert. Eine deutliche Melodie ist in dem atonalen Werk auf Anhieb nicht zu erkennen, der französische Komponist hat als Tempo "sehr langsam" angegeben und 840 Wiederholungen vorgeschrieben. Das Stück besteht aus drei Notenzeilen, die ein musikalisches Thema variieren.
Levit hatte während der Corona-Einschränkungen Dutzende "Hauskonzerte" gestreamt und war auch zu einer Aufführung von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier auf das Schloss Bellevue eingeladen worden. Levit gilt als einer der bedeutendsten Pianisten der jüngeren Generation. Er wurde 1987 im russischen Nizhni Nowgorod geboren, und zog mit acht Jahren mit seiner Familie nach Deutschland.
Quelle: ntv.de, chr/dpa