Unterhaltung

Batic und Leitmayer im "Tatort" Im Netz mit doppeltem Boden

Bayrische "Tatort"-Silberrücken: Miroslav Nemec (r) als Kommissar Ivo Batic und Udo Wachtveitl als Kommissar Franz Leitmayr.

Bayrische "Tatort"-Silberrücken: Miroslav Nemec (r) als Kommissar Ivo Batic und Udo Wachtveitl als Kommissar Franz Leitmayr.

(Foto: dpa)

Die bayrischen Silberrücken unterwegs im Web - das wirkt oft skurril. Nicht so im Fall um die Teenager, die ihr Lächeln und mehr verkaufen. Auch deswegen, weil die Geschichte über Hanna, Flo und den toten Tim sich mehr als Diskussionsanstoß denn als moralisches Lehrstück versteht.

Ein "Tatort" um Pädophilie und Chatrooms, um Flatrate-Voyeurismus und Teenager, die ihre nackte Haut im Internet verkaufen, und das in diesen Tagen, da SPD-Mann Sebastian Edathy sich in einem vielbeachteten Prozess um kinderpornografisches Material zu verantworten hat - das passt fast ein wenig zu gut in die Zeit. "Das verkaufte Lächeln" schafft den Spagat zwischen allzu aktueller Nachrichtenlage und dem Handeln seiner traurigen Helden vom Isarstrand dennoch.

Die "Helden", das sind Florian (Nino Böhlau), Tim (Justus Schlingensiepen) und Hanna (Anna-Lena Klenke). Und wer sie beim Baden und Sommerspaß sieht, ahnt kaum, dass das Trio vom Kinderzimmer aus ein florierendes Geschäft mit dem eigenen Körper betreibt. Als Tim schließlich tot aufgefunden wird, aus nächster Nähe in die Brust geschossen, fällt es nicht nur Batic und Leitmayer, sondern auch den Eltern der drei wie Schuppen von den Augen. Für eine Flatrate von knapp unter 10 Euro gibt es Bits und Bilder, Lächeln und laszive Posen, so verkaufen sich die Freunde via Homepage an ihre pädophile Kundschaft.

Keine gesellschaftlichen Grenzen

Dabei geht Drehbuch-Autor Holger Joos davon aus, dass dieses Phänomen keine Gesellschaftsgrenzen kennt. Da kommt die 14-jährige Hanna aus reichem Hause, wo die Angestellten Englisch sprechen. Da schlagen sich Tims Eltern mit einem Blumengeschäft durch und ackert Flos Mutter für 8 Euro die Stunde an der Nachttanke. Zu wenig Liebe, zu viel Zeit, ein Netz voller Möglichkeiten. Nicht nur die Eltern unter den Krimi-Zuschauern werden sich mit Grausen gefragt haben, was sich so alles hinter den Türen der Kinderzimmer abspielt, was alles möglich ist. Und vor allem, wie der potenzielle Kunde auf der anderen Seite des Bildschirms aussieht.

Im Fall um den erschossenen Tim ist einer der Hauptverdächtigen der Familienvater Guido Buchholz (Maxim Mehmet), auf dessen Festplatte Chat-Protokolle und Mitschnitte - dem netz-affinen Kalli Hammermann (Ferdinand Hofer) im Team der Web-Dinos Batic und Leitmayer sei Dank - wiederhergestellt werden. Buchholz ist - und hier liegt eine der Schwächen in einem sonst gelungenen Fall - ausgerechnet der Fußballtrainer einer Jungenmannschaft. Das mag etwas vom Reißbrett kommen, Mehmet jedoch fängt das mit seinem Schauspiel gekonnt auf, indem er alles Plakative vermeidet. Und so durchaus eindrucksvoll aufzeigt, dass er im weißen Kittel als Spurensucher im Leipziger Tatort allzu unterfordert sein könnte.

Auch die Hilflosigkeit der Eltern des getöteten Tim und der Mutter von Flo, chronisch am Rande des Nervenzusammenbruchs, tragen das Geschehen und bügeln so den einen oder anderen konventionellen Dreh in der Dramaturgie auf die Habenseite. Das Thema ist brisant, die potenziellen Fußangeln also Legion.

Veritabler Jahresabschluss

Regisseur Andreas Senn gelingt der Bogen zum tatsächlichen Krimi dennoch. Wo sonst allzu großformatig Moral und Katharsis, Fazit und Folgen in 90 Minuten Sonntagabend-Unterhaltung gepresst werden, lässt er hier der gewichtigen Geschichte einfach mal ihren Lauf. Lässt sie auch von den jungen Talenten Anna Lena Klenke, dem unfassbar traurig dreinschauenden Nino Böhlau (beide "Fack ju Göhte") und Justus Schlingensiepen tragen, die das Geschehen gekonnt schultern.

Selbst zeitgenössische Schnickschnack-Manierismen wie eingeblendete Chat-Dialoge baut Senn passgenau in die Handlung ein. Nach dem wurstigen Pseudodrama über den Wüstensohn zuletzt also ein veritabler Jahresabschluss für die weisen Weißhäupter aus München.

Quelle: ntv.de

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