Stiller Erfolgsautor Littell ist den Rummel leid
27.02.2008, 15:41 UhrJonathan Littell wirkt mit seinem Ohrring und seinen dunkelblonden Strähnen, die ihm nonchalent in die Stirn fallen, jugendlich und spitzbübisch. Er sehe eher wie einer der jungen Stürmer der französischen Fußballnationalmannschaft aus, meinte jüngst ein französischer Kritiker über den Autor des jetzt auf Deutsch erschienenen umstrittenen Erfolgsromans "Die Wohlgesinnten" über einen homosexuellen SS-Offiziers.
Der amerikanisch-französische Autor stellt sich in Berlin im Gespräch mit dem Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit dem Publikum, es ist sein einziger öffentlicher Auftritt in Deutschland.
Mit Fußball hat der 40-Jährige nicht viel am Hut. Die einzigen Spiele, die der Schriftsteller in seinem Leben bisher sah, waren das Endspiel der Weltmeisterschaft 1998 in Paris und das Finale im Jahr 2006, wie er in einem Interview sagte. Littell scheint eher ruhig und zurückgezogen zu leben. Er gehe am liebsten mit seinen zwei Kindern spazieren, Hobbies habe er keine, ebenso wenig einen Fernseher.
Um dem Rummel aus dem Weg zu gehen, den sein Holocaust-Bestseller mit dem Originaltitel "Les Bienveillantes" über die fiktive Lebensgeschichte des homosexuellen SS-Offiziers Max Aue 2006 in Frankreich auslöste, zog er vor knapp zwei Jahren mit seiner Familie von dem multikulturellen Viertel Belleville im Osten von Paris nach Barcelona. "Ich bin das ständige Gerede über meine Arbeit leid", erklärte Littell. Bei der Verleihung des renommierten Literaturpreises Prix Goncourt im Jahr 2006 war der Autor nicht anwesend und zu einer Signierstunde in Paris kam er im zerknitterten Cordanzug.
Der Kumpel Gustave Flaubert
Littell wuchs zweisprachig auf: Er wurde am 10. Oktober 1967 in New York geboren und kam als Dreijähriger mit seinen Eltern - sein Vater ist der US-Autor Robert Littell - nach Frankreich, wo er seine Jugend verbrachte. Zum Studium zog es ihn wieder nach Amerika, wo er sich in der Fakultät von Yale in das Fach Literaturwissenschaft einschrieb. Dort veröffentlichte er 1989 auch sein erstes Werk, "Bad Voltage", einen Science-Fiction Roman von dem er selber sagt, dass er schlecht sei.
Der 40-Jährige stammt aus einer jüdischen Familie mit osteuropäischen Wurzeln. Er hat einen amerikanischen Pass und erhielt nach mehreren Versuchen 2007 die französische Staatsangehörigkeit. Er schreibt auf Französisch und Englisch und hat Werke von Genet und de Sade ins Englische übersetzt. Für zeitgenössische Schriftsteller interessiere er sich nicht, wie er sagt. Seine Lieblingsautoren seien Maurice Blanchot, Bataille, Beckett, Kafka und Flaubert. Der französische Autor von "Madame Bovary" sei für ihn so etwas wie ein Kumpel.
Seine belgische Frau hat für "Ärzte ohne Grenzen" gearbeitet und er selber für die humanitäre "Aktion gegen den Hunger" in Krisengebieten wie Bosnien, Tschetschenien, Afghanistan und in Afrika - Erfahrungen, die er in seinen Roman "Die Wohlgesinnten" hat einfließen lassen, mit dem er vermitteln will, was die Philosophin Hannah Arendt die "Banalität des Bösen" nannte: Wie aus normalen Menschen Massenmörder werden.
Von Sabine Glaubitz, dpa
Quelle: ntv.de