"Ich habe die Musik der 80er gehasst!" Till Brönner macht ein Geständnis
08.03.2011, 10:39 Uhr
Der Mann hat viel vor: Jetzt steht wieder eine neue Staffel auf der Suche nach einem Künstler mit dem "X-Faktor" an, eine Jazz-Akademie soll her und vier Stunden Trompete üben täglich müssen sein.
Till Brönner gehört zu den erfolgreichsten Jazz-Trompetern Deutschlands - seit er in der Jury der Castingshow "X Factor" bei Vox sitzt, kennen ihn auch Menschen, die dieser Musikrichtung sonst wenig abgewinnen können.
Ab 15. März geht Brönner wieder in Deutschland auf Tour, erste Station ist Frankfurt am Main. Zuvor erzählte Brönner jedochüber seine Gratwanderung zwischen den musikalischen Welten.
Im Sommer startet die zweite Staffel der Casting-Show "X Factor". Sie sind erneut als Juror dabei. Was reizt Sie an diesem Job?
Till Brönner: "Man hat mich dort nicht als Gesichtszeiger oder Zotenreißer engagiert. Es geht bei "X Factor" um Musik und es gewinnt der Sänger mit dem größten Talent. Ich kann dort über Musik reden - insofern ist das einfach eine weitere Facette meines Schaffens."
Kommt ja nicht so oft vor, dass sich ein Echo-Gewinner und Grammy-nominierter Jazzer mit 14 Soloalben in solch eine Show verirrt ...
Brönner: "In Deutschland eher nicht - in Amerika sitzt dort mittlerweile die "Crème de la Crème". Meine Jury-Kollegen aus der ersten Staffel sind absolute Profis. George Glueck ist ein extrem erfahrener Musikfachmann und Produzent. Und Sarah Connor ist - trotz der ganzen Geschichten um sie herum - eine Vollblutmusikerin, mit der man sehr gut über Gesang, Talent und Technik reden kann."
Auf Ihrer neuesten CD spielen Sie nicht nur Trompete, sie singen auch. Waren Sie mit Ihren Gastsängern nicht mehr zufrieden? Immerhin war auch mal Carla Bruni dabei.
Brönner: "Immer dann, wenn eine menschliche Stimme ertönt, rückt jedes noch so perfekt beherrschte Instrument in die zweite Reihe - weil die menschliche Stimme das perfekte Instrument ist. Auf meiner aktuellen CD spiele ich so viel Trompete wie auf anderen Platten auch. Durch den zusätzlichen Gesang verschiebt sich - denke ich - nur die Wahrnehmung beim Zuhörer."
Was erwartet die Zuhörer denn bei Ihrer Tournee: mehr Singen oder mehr Trompete? Überwiegend Lieder von der neue CD oder ein Brönner-All-Inclusive-Programm?
Brönner: "Wenn ich in Konzerte gehe, möchte ich nicht, dass ein Künstler genau das nachspielt, was er auf CD aufgenommen hat. Die Dynamik steht bei meinen Konzerten im Vordergrund, damit das Publikum und wir Musiker auf der Bühne gleichermaßen Spaß haben. Die Improvisation ist der Kern des Jazz und damit auch der Kern meiner Konzerte."
Auf Ihrer neuen CD "At The End Of The Day" interpretieren Sie Klassiker von Bach über Beatles bis Bowie. Was macht Ihrer Meinung nach die Qualität von Liedern aus, die "Am Ende des Tages" bleiben?
Brönner: "Wenn man nach längerer Zeit vor dem eigenen Plattenschrank steht, ist es spannend zu sehen, zu welcher Musik man immer wieder gerne greift. Aus meiner Sicht sind es die zeitlosen, trendfreien Songs, die auf lange Sicht Bestand haben. Die Auswahl der Songs auf meinem Album ist natürlich rein subjektiv. Ich wollte kein Statement abgeben über die Essenz des Pop - das wäre ja vermessen."
Sie sind musikalisch ungewöhnlich offen und verweigern sich als Jazzer nicht dem Pop. Woher kommt diese Vielseitigkeit?
Brönner: "Als 1971 Geborener war ich als Jugendlicher natürlich nicht per se von Jazz umgeben. Dennoch hat mich nie wieder etwas mehr in den Bann gezogen. Als ich das erste Mal Charlie Parker gehört habe, war es, als würde die Welt nach schwarz-weiß auf einmal bunt werden. Die Musik der 80er Jahre habe ich damals gehasst, aber ich musste ihr auf den Grund gehen, um meine Ablehnung zu begründen. Ich denke, dass dadurch auch meine Neugier auf andere Musikstile geweckt wurde."
Im Herbst ist ein Buch von Ihnen erschienen ("Talking Jazz"). Was dürfen die Fans noch von Ihnen erwarten?
Brönner: "Ich werde mich in Zukunft wieder mehr auf die Trompete konzentrieren. Ich übe täglich mindestens vier Stunden, auch wenn das bei meinem Zeitplan oft schwierig ist. Vielleicht muss ich in Zukunft öfter mal Nein sagen; die Balance der Dinge ist wichtig. Ich kenne viele Musiker, die nichts anderes tun als ihr Instrument zu spielen - das alleine macht auch nicht glücklich."
Keine neuen Ideen? Was ist mit Ihrer Jazz-Akademie, haben Sie den Plan aufgegeben?
Brönner: "Nein! Deutschland hat in einer Zeit, in der es nichts Hipperes gab, unter Strafe verboten, Jazz zu hören oder gar zu spielen. Ein "House of Jazz" wäre eine gute Form der Wiedergutmachung. Bei all den Denkmälern, mit denen wir der Welt zeigen wollen, dass wir etwas aus unserer Geschichte gelernt haben, gibt es viel zu wenig lebendige Denkmäler. Es gibt kein einziges nationales, professionelles Jazz-Ensemble von Rang, auf das man als junger Jazzer hinarbeiten könnte, und das ebenso gefördert wird wie all die Symphonie- und Opernorchester."
Quelle: ntv.de, dpa